Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung

Von Jörg Sucker |
Die EU-Verfassung kann in Kraft treten - aus deutscher Sicht zumindest. Nach dem Bundestag hat nunmehr auch der Bundesrat mit überwältigender Mehrheit "Ja" zu dem europäischen Vertragswerk gesagt, das die EU arbeitsfähig halten und die Bürgerrechte stärken soll.
Auch in acht anderen Staaten ist die Verfassung bereits ratifiziert – auch dort mit haushohen Mehrheiten. Allerdings waren es bis auf Spanien jeweils nur die Parlamente, die die Zustimmung gaben. Lediglich auf der iberischen Halbinsel wurde ein Referendum durchgeführt. Es erbrachte das erhoffte "si", mit klarer Mehrheit.

So wird es nicht überall laufen, dort, wo Referenden abgehalten werden.
Am Sonntag in Frankreich sowie Mitte der kommenden Woche in den Niederlanden droht ein "Nein" – und damit wäre die Verfassung im Grunde schon gescheitert. Nachverhandlungen wird es nicht geben, weitere ablehnende Voten , etwa in Großbritannien, werden folgen und ein ständiges, sich über Jahre hinziehendes Wiederholen der Abstimmungen, bis das passende Ergebnis zustande kommt, ist unzumutbar und auch nicht gerade der Demokratie förderlich. Auch wenn es die Verfassungsgegner zum Teil nicht wahrhaben wollen, ein mögliches "Nein" wird die EU in eine tiefe Krise stürzen.

Eine Krise allerdings, die eventuell vermeidbar gewesen wäre.
Da alle 25 Länder die Verfassung ratifizieren müssen, stieg mit jedem angesetzten Referendum die Gefahr des Scheiterns und die Wahrscheinlichkeit eines politischen Scherbenhaufens.
Volksbefragungen bei solch komplexen Sachverhalten sind immer ein Risiko.
Populisten jeder Colleur nutzen die Gelegenheit, Stimmungen in ihrem Sinne zu schüren. Beispiele gibt es reichlich. Die Gefahr ist groß, dass die Wählerinnen und Wähler dann letztlich nicht mehr über die Sache selbst abstimmen, sondern ihren Stimmzettel als Denkzettel gegenüber der Regierung nutzen, deren Politik sie kritisieren.

Das zeichnet sich auch in Frankreich ab. Jacques Chirac hat sich gewaltig verrechnet, als er das Referendum ansetzte. Er war sich sicher, die Franzosen würden ihre Zustimmung geben und witterte die Hoffnung, mit dem Referendum die Sozialisten spalten zu können. Letzteres ist ihm gelungen, die Stimmung pro Verfassung aber hat sich gedreht. Die Diskussion um einen möglichen Türkei-Beitritt spielt dabei ebenso eine Rolle, wie die Unzufriedenheit mit der französischen Regierungspolitik, insbesondere der Sozialpolitik.

Die Unsicherheit, die in weiten Kreisen der europäischen Bevölkerung vor Lohndumping und sozialem Abstieg vorhanden ist, ist verständlich. Es ist aber nicht die vorgesehene europäische Verfassung, die dafür verantwortlich zu machen ist. Sie ist ein vernünftiges Vertragswerk, das Zustimmung verdienen würde. Auch die der Franzosen und Niederländer.