Rassismus im VW-Werbespot

Wenn Kontrollmechanismen versagen

09:19 Minuten
Zwei große Daumen auf blauem Hintergrund zeigen einmal hoch, einmal runter. Auf dem nach oben zeigendem Daumen steht ein Mensch, die Figur auf der anderen Seite fällt hinab.
Weiß schubst Schwarz: Der entsprechende als rassistisch empfundene VW-Werbespot wurde inzwischen von Instagram entfernt. © imago images / Ikon Images / Oivind Hovland
Mirko Derpmann im Gespräch mit Timo Grampes · 20.05.2020
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VW ist erneut unrühmlich in den Schlagzeilen. Diesmal wegen eines rassistischen Werbespots auf Instagram. Eine böse Absicht hält Mirko Derpmann von Scholz & Friends für unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher seien Gedankenlosigkeit und mangelnde Kontrolle.
Die Werbeszene hat wieder einen Skandal: VW postete gestern für einige Stunden eine Werbung bei Instagram, die viele sofort als rassistisch wahrnehmen. In dem Spot für den neuen Golf, ersonnen offenbar von der VW-Stammagentur DDB, wird gezeigt, wie eine riesenhafte weiße Hand einen Schwarzen hin und her und schließlich in das Café "Petit Colon" schubst. Dann formieren sich Buchstaben, die zwischendurch für Sekundenbruchteile das "N"-Wort zeigen.
Weiß zeigt Schwarz den richtigen Weg zum neuen Golf? "Das war nicht so gemeint, ganz klar", sagte ein VW-Sprecher auf Nachfrage.

Aber wie kann einem Weltunternehmen, das in zahlreichen Ländern dieser Erde vertreten ist, so etwas durchrutschen? Oder wollte hier jemand bewusst rassistische Codes unterbringen?

Rassisten in einer Werbeagentur?

Letzteres hält Mirko Derpmann für "sehr unwahrscheinlich". Der Kreativchef von Scholz & Friends Berlin sagt: "Ich arbeite seit 15 Jahren für eine Werbeagentur, in all den Jahren habe ich noch nie jemanden getroffen, der als eine Art Nazi-U-Boot in einer grün-links wählenden Werbeagentur gewesen wäre."
Auch für Volkswagen schließe Derpmann so etwas aus. Plausibel sei vielmehr, dass es offenbar "eine Verkettung von Umständen" gegeben habe – und dass es eher an "den Produktionsbedingungen gelegen hat, unter denen so etwas entsteht".
Die üblichen Kontrollmechanismen, ohne die ein solcher Spot nicht veröffentlicht werden dürfe, hätten ganz offenbar versagt. Denn anders als eine ebenfalls als rassistisch wahrgenommene Kampagne des Smoothie-Herstellers True Fruits sei beim VW-Spot sicherlich keine bewusst kalkulierte Provokation im Spiel. Das passe auch gar nicht zu einem soliden Familienwagen wie dem Golf, betont der Werbefachmann.

Dämliche Idee

Derpmann weiter: Abgesehen davon, dass die "Idee dämlich" sei und nichts mit einem Auto, schon gar nicht mit einem Golf, zu tun habe, gebe es wohl tatsächlich keine tieferen Hintergedanken. Er vermutet, dass der Spot in der brasilianischen Agenturniederlassung von DDB produziert wurde.
"Dass das an einem deutschen Büroschreibtisch entstanden ist, kann ich mir fast nicht vorstellen." Er kenne etwa 1000 Leute in der Werbebranche – "und ich kann mir nicht denken, dass irgendjemand gesagt hätte: ‚Das ist eine Spitzenidee‘."
(mkn)
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