Rappen gegen das Chaos

Von Leonie March · 07.12.2009
Willkürliche Staatsgewalt und Misswirtschaft - Simbabwe macht seit Jahren Negativschlagzeilen. Doch davon darf man sich nicht einschüchtern lassen, meint der 26-jährige Tongai Leslie Makawa. Als Rapper tritt er unter dem Künstlernamen "Outspoken" auf - was für "unverblümte Ansichten" steht.
Als Frontmann seiner Band "Outspoken and the Essence" steht Tongai Leslie Makawa auf der Bühne, lässig-routiniert in Cargohose und T-Shirt, die Dreadlocks mit einem Tuch nach hinten gebunden. Die jungen Frauen im Publikum himmeln ihn an. Tongai schmunzelt, legt ein Mikrofon auf den Rand der Bühne.

"Wir haben zu viele Mikrofone hier, aber nicht genügend Ständer für sie. Das ist ja wie bei unserem Präsidenten", fügt er hinzu und geht nahtlos über zur Vorstellung der Bandmitglieder. Denn die wechselten so häufig wie die Währung in Simbabwe. Diese beiläufige Art der Kritik ist typisch für Tongai Makawa alias Outspoken, der sich jedoch nicht als politischer Künstler sieht:

"Ich weiß so gut wie nichts über Politik. Aber die Situation der Menschen ist mir sehr bewusst, und ihre Lebensumstände werden nun einmal von der Politik bestimmt. Deshalb übe ich natürlich auch Kritik an der Regierung. Mein Hauptinteresse aber gilt dem Einzelnen und dessen Kraft. Wir bilden alle gemeinsam ein Kollektiv und damit letztlich die Gesellschaft."

Die Veränderung der Gesellschaft durch den Einzelnen, der selbstbewusst für seine Vorstellungen und Träume eintritt. Freiheit von allen Bevormundungen und Zwängen. Das ist der Kern der Texte Tongai Makawas. Schon in der Grundschule habe er unangenehme Fragen gestellt und sich als Klassenclown gegen die Lehrer aufgelehnt, erzählt er. Sehr zum Verdruss seines eigenen Vaters, der damals im simbabweschen Bildungsministerium arbeitete. Zum Schreiben sei er durch seine drei älteren Geschwister gekommen, die sich alle als Rapper probierten.

"Als Nesthäkchen habe ich zu meinen Brüdern und meiner Schwester aufgeschaut. Ich fand sie unglaublich cool, denn sie konnten gut mit Worten umgehen und reimen wie die Typen im Fernsehen oder Radio. Das hat mir geholfen, eine Art Ventil für meine Gedanken zu finden."

Noch heute hat der 26-Jährige engen Kontakt zu seinen Geschwistern und Eltern, die wie er in Harare leben. Er ist ein Familienmensch, aber eine eigene zu gründen, dafür fehlten bislang die Zeit und die richtige Frau, erzählt er. So wohl er sich auch auf der Bühne fühlt, so schüchtern sei er privat. Zwischen den Auftritten braucht er seine Ruhe, feilt an neuen Texten, Songs und Gedichten, zeichnet Graffiti und verbringt so viel Zeit wie möglich in der Natur. Ein guter Ausgleich zum hektischen Stadtleben und eine kreative Kraftquelle.

Vor rund fünf Jahren hat er den "House of Hunger Poetry Slam" in Harare ins Leben gerufen. Eine Veranstaltung, die junge Simbabwer jeden ersten Samstag im Monat magnetisch anzieht, aber auch die Mugabe-treuen Sicherheitsbehörden aufmerksam gemacht hat.

"Wir hatten schon Auftritte, bei denen sich Sicherheitsbeamte unters Publikum gemischt haben. Aber ich selbst bin noch nie verhaftet worden. Vielleicht warten sie nur auf den richtigen Augenblick. Ich weiß es nicht. Aber ich konzentriere mich nicht auf die latente Bedrohung. Denn ständig zu analysieren, was um mich herum geschieht, würde mich künstlerisch nur einschränken."

Tongai Makawa ermutigt sein Publikum, sich nicht unterkriegen zu lassen, die Stimme zu erheben, zeigt sich kämpferisch, singt sogar von einer bevorstehenden Revolution. Im Interview nach der Show ist der 26-Jährige nachdenklicher.

"Ganz ehrlich, ich denke nicht, dass sich hier in Simbabwe schon bald etwas ändern wird. Ich glaube, wir bewegen uns zwar langsam von einem bekannten Zustand zu etwas Neuem, aber momentan herrscht einfach nur Verwirrung, und die führt unter anderem zu Gleichgültigkeit. Zum Beispiel der Einheitsregierung gegenüber, die wir schließlich nicht gewählt haben. Die Lage ist noch unübersichtlicher geworden, und es ist schwieriger, einen einzigen Schuldigen auszumachen. Viele hier leben daher nur von Tag zu Tag und vergessen dabei, was noch wichtig ist, dass wir auch langfristige Pläne brauchen."

Aufzugeben, seinem krisengeschüttelten Land frustriert den Rücken zu kehren, kommt für Tongai Makawa trotz alledem nicht in Frage. Obwohl er sich als Hip-Hop-Musiker inzwischen auch in Südafrika, Großbritannien und den USA einen Namen gemacht hat. Auf Reisen bekommt er schon nach ein paar Tagen Heimweh nach Harare, nach Freunden und Familie, außerdem ist er ein unverbesserlicher Optimist.

"Ich versuche, so weit es geht, das Positive zu sehen. So müde ich auch sein mag und so schwer das Leben auch ist. Denn man kann aus jeder Situation etwas lernen. Man muss sich fragen, wie man seine Lage selbst beeinflussen kann, trotz der widrigen Umstände. Denn man kann immer etwas bewegen, solange man kritisch bleibt."