Ramms begrüßt neue Afghanistan-Strategie der USA
Der deutsche Nato-General Egon Ramms hat sich angesichts der neuen Afghanistan-Strategie der USA optimistisch gezeigt. Er hoffe, dass die 17.000 zusätzlichen US-Soldaten bereits zur Sicherheit während der Wahlen im August beitragen könnten. Ramms sprach sich zudem für einen Dialog mit den gemäßigten Taliban aus.
Gabi Wuttke: Die Taliban haben in Afghanistan wieder Oberwasser. Obwohl fast 70.000 ausländische Soldaten im Land stationiert sind, glücken ihnen fast täglich neue tödliche Anschläge, so auch gestern in der Provinz Helmand. Was können also die 17.000 zusätzlichen amerikanischen Soldaten ausrichten, die Barack Obama in Afghanistan stationieren will? Könnte ein Dialog mit den Taliban das Land befrieden? Fragen an General Egon Ramms. Er führt das NATO-Hauptquartier in Brunssum in den Niederlanden. Guten Morgen!
Egon Ramms: Guten Morgen, Frau Wuttke.
Wuttke: Haben Sie damals, als ein SPD-Chef mit Namen Kurt Beck den Vorschlag machte, mit gemäßigten Taliban zu reden, auch geschmunzelt?
Ramms: Ich habe durchaus auch geschmunzelt, wobei wenn wir über gemäßigte Taliban reden, reden wir eigentlich über die, die bei den eigentlichen radikalen Taliban mitlaufen. Das können Farmer aus dem Lande sein, Bauern, das können andere Unterstützer sein, und ich glaube, dass man diese tatsächlich wieder an die Regierung anbinden kann, sie davon überzeugen kann, dass ein friedliches Leben im Land besser ist, für alle in der Bevölkerung. Von daher ist dieser Ansatz, mit diesen Herren zu reden und sie davon zu überzeugen, auf unsere Seite überzutreten, aus meiner Sicht durchaus ein vernünftiger Ansatz.
Wuttke: Wenn das ein vernünftiger Ansatz ist, warum haben Sie damals bei Kurt Beck geschmunzelt?
Ramms: Weil wir damals der Auffassung gewesen sind, dass wir die Unterscheidung zwischen diesen gemäßigten Taliban und denen, die als radikale Elemente von Pakistan aus, aber teilweise auch in Afghanistan selber wirken, nicht so schnell hinkriegen würden. Hier, sage ich mal, gibt es aufgrund von entsprechenden Erkenntnissen ganz gute Fortschritte.
Wuttke: Aber der Oberkommandierende der ISAF in Afghanistan, David McKiernan, sagt, von einer Versöhnung mit den Taliban solle man nicht reden, weil die Taliban gäbe es nicht.
Ramms: Auch diese Aussage ist richtig. Der Begriff Taliban wird für verschiedene Gruppierungen von Aufständischen in Afghanistan verwendet, die zum Teil sehr unterschiedliche Motivationslagen haben. Das reicht von fanatischem Islamismus bis hin in den Bereich von Kriminalität, Drogenkriminalität, allgemeine Kriminalität, und von daher, sage ich mal, ist dieser Begriff durchaus nicht einheitlich. Das heißt, man muss da wenn, dann sehr differenziert rangehen.
Wuttke: Und wie differenziert wollen sie das tun?
Ramms: Wir müssen sehen, dass wir die Leute finden. Sie sprachen insbesondere die Provinz Helmand an, die im Süden bei den Paschtunen-Stämmen mehr in die Reihe der Taliban einzuordnen sind. Und wir müssen versuchen, hier aufgrund einer größeren Truppenpräsenz an die Bevölkerung näher heranzukommen und der Bevölkerung dauerhaft zu zeigen, dass wir für ihre Unterstützung und ihre Sicherheit da sind, so dass sie Vertrauen in uns gewinnen können, und auf diese Art und Weise den Kämpfern, die dort unten tätig sind, ich sage einfach mal den Nährboden entziehen.
Wuttke: 17.000 zusätzliche amerikanische Soldaten soll es geben. Wie soll damit den Afghanen, um den zweiten Punkt des ja noch nicht konkreten Plans von Barack Obama zu streifen, das Gefühl gegeben werden, ihr eigenes Land trage - und das ist ja auch ihr Wunsch - ein afghanisches Gesicht?
Ramms: Ich spreche oder unterscheide bei uns immer von der militärischen Aufgabe und der Aufgabe, die ich als "nation building" bezeichne. Die militärische Aufgabe, für Sicherheit im Land zu sorgen, bezeichne ich immer mit einer Menge von etwa 20 Prozent. Der andere Teil ist Wiederaufbau.
Die afghanische Bevölkerung muss verstehen, muss sehen, muss erfahren, sage ich, dass diese Wiederaufbaumaßnahmen bei ihnen ankommen. Sie müssen sehen, dass sie davon Vorteile haben. Sie müssen sehen, dass ihr Land wieder in normale Umstände, in normale Lebensumstände gerät, sie dort in dem Land leben können, sie ihre Familie ernähren können. Und wenn Sie unter all das, was ich gerade gesagt habe, einen Strich ziehen, dann heißt das ganz einfach, die afghanische Bevölkerung mehr in den Mittelpunkt unserer Bemühungen zu stellen.
Das ist, glaube ich, auch der Kern der neuen Strategie von Präsident Obama, wobei die Strategie gar nicht so neu ist. Es haben hier beispielsweise in meinem Hauptquartier gute Offiziere, erfahrene Offiziere schon vor eineinhalb Jahren über diesen Ansatz nachgedacht und haben ihn mittlerweile zum Gegenstand unserer eigenen Operationspläne gemacht.
Wuttke: Herr Ramms, Sie sind ein Mann des offenen Wortes, wenn es Ihnen nötig erscheint, und Sie widersprechen auch laut Ihrem amerikanischen Vorgesetzten. Wenn die USA auf dem NATO-Gipfel im April ihre Afghanistan-Pläne vorstellen, was befürchten Sie dann am meisten?
Ramms: Ich muss eigentlich sagen, aufgrund der Entwicklung in Amerika mit der neuen Regierung habe ich im Augenblick gar nicht so große Sorgen, dass irgendwelche Dinge in die falsche Richtung laufen könnten. Ich wünsche mir, dass diese 17.000 amerikanischen Soldaten, die ja nicht von heute auf morgen nach Afghanistan kommen, sondern in bestimmten Phasen, zeitgerecht da sind, damit wir sichere Wahlen durchführen können und damit auch zeigen können, dass der Demokratisierungsprozess in Afghanistan weiter voranschreitet, und ich wünsche mir, dass diese Soldaten in Bereichen eingesetzt werden, wo sie auch tatsächlich langfristig mit der Bevölkerung zusammenarbeiten können und bleiben können, damit die Bevölkerung, die im Übrigen in der Mehrheit in Afghanistan positiv zu ISAF steht, das entsprechende Vertrauen gewinnt und dort, wo sie zumindest, sage ich mal, noch abwartet, auch zu uns zurückkehrt.
Wuttke: War es also Ihrer Meinung nach richtig, dass die neue US-Regierung Präsident Karzai laut angezählt hat? War das klug oder überfällig?
Ramms: Ich formuliere das mal etwas anders: Fortschritte in Afghanistan auch von Seiten der afghanischen Regierung her sind in den letzten zwei Jahren sehr rar geworden und von daher sage ich mal, dass Hinweise an den Präsidenten Karzai, bestimmte Dinge voranzubewegen und auf bestimmte Dinge zu achten, wie beispielsweise Vermeidung der Korruption und dergleichen mehr, durchaus Hinweise gewesen sind, die notwendig waren.
Wuttke: Das heißt also, Sie würden durchaus befürworten, wenn eine andere Regierung Durchsetzungsfähigkeit in Afghanistan zeigt?
Ramms: Das ist eine Frage, die kann ich nicht beantworten. Da müssen wir uns auf die Wahlen konzentrieren, den Ausgang der Wahlen abwarten. Und man sollte auch an die Wahlen selber mit einer vernünftigen realistischen Einschätzung rangehen. Man muss wissen, dass Karzai nach wie vor ein Mehrheitsträger in Afghanistan ist, weil er zu den Paschtunen-Stämmen gehört, und die Paschtunen-Stämme stellen immerhin 48 Prozent der Bevölkerung. Das heißt, daran vorbeizukommen und einen alternativen Präsidenten einzusetzen, ist schon ein größeres Unterfangen.
Wuttke: Es gab gerade einen Bericht einer Brüsseler Denkfabrik, International Crisis Group. Die hat gesagt, Gespräche mit den Taliban sind aus ihrer Sicht völlig sinnlos, man sollte eben auf eine starke Regierung in Kabul setzen.
Ramms: Die starke Regierung in Kabul alleine hilft nicht. Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es nicht nur auf die Zentralregierung ankommt, sondern wir müssen auch in die Provinzen rein. Wir müssen in den Provinzen und Distrikten entsprechend starke Gouverneure haben, die mit der Zentralregierung zusammenarbeiten. Ich sagte zu Anfang unseres Gespräches, dass die afghanische Bevölkerung erfahren muss, dass es Fortschritte für sie gibt in der Entwicklung ihres Landes, und das erreichen sie nur über die Distrikte und über die Provinzen. Das heißt, es geht eigentlich um einen flächendeckenden Ansatz, der weitaus mehr in die Dezentralisierung reingeht, als wir es bisher gemacht haben.
Egon Ramms: Guten Morgen, Frau Wuttke.
Wuttke: Haben Sie damals, als ein SPD-Chef mit Namen Kurt Beck den Vorschlag machte, mit gemäßigten Taliban zu reden, auch geschmunzelt?
Ramms: Ich habe durchaus auch geschmunzelt, wobei wenn wir über gemäßigte Taliban reden, reden wir eigentlich über die, die bei den eigentlichen radikalen Taliban mitlaufen. Das können Farmer aus dem Lande sein, Bauern, das können andere Unterstützer sein, und ich glaube, dass man diese tatsächlich wieder an die Regierung anbinden kann, sie davon überzeugen kann, dass ein friedliches Leben im Land besser ist, für alle in der Bevölkerung. Von daher ist dieser Ansatz, mit diesen Herren zu reden und sie davon zu überzeugen, auf unsere Seite überzutreten, aus meiner Sicht durchaus ein vernünftiger Ansatz.
Wuttke: Wenn das ein vernünftiger Ansatz ist, warum haben Sie damals bei Kurt Beck geschmunzelt?
Ramms: Weil wir damals der Auffassung gewesen sind, dass wir die Unterscheidung zwischen diesen gemäßigten Taliban und denen, die als radikale Elemente von Pakistan aus, aber teilweise auch in Afghanistan selber wirken, nicht so schnell hinkriegen würden. Hier, sage ich mal, gibt es aufgrund von entsprechenden Erkenntnissen ganz gute Fortschritte.
Wuttke: Aber der Oberkommandierende der ISAF in Afghanistan, David McKiernan, sagt, von einer Versöhnung mit den Taliban solle man nicht reden, weil die Taliban gäbe es nicht.
Ramms: Auch diese Aussage ist richtig. Der Begriff Taliban wird für verschiedene Gruppierungen von Aufständischen in Afghanistan verwendet, die zum Teil sehr unterschiedliche Motivationslagen haben. Das reicht von fanatischem Islamismus bis hin in den Bereich von Kriminalität, Drogenkriminalität, allgemeine Kriminalität, und von daher, sage ich mal, ist dieser Begriff durchaus nicht einheitlich. Das heißt, man muss da wenn, dann sehr differenziert rangehen.
Wuttke: Und wie differenziert wollen sie das tun?
Ramms: Wir müssen sehen, dass wir die Leute finden. Sie sprachen insbesondere die Provinz Helmand an, die im Süden bei den Paschtunen-Stämmen mehr in die Reihe der Taliban einzuordnen sind. Und wir müssen versuchen, hier aufgrund einer größeren Truppenpräsenz an die Bevölkerung näher heranzukommen und der Bevölkerung dauerhaft zu zeigen, dass wir für ihre Unterstützung und ihre Sicherheit da sind, so dass sie Vertrauen in uns gewinnen können, und auf diese Art und Weise den Kämpfern, die dort unten tätig sind, ich sage einfach mal den Nährboden entziehen.
Wuttke: 17.000 zusätzliche amerikanische Soldaten soll es geben. Wie soll damit den Afghanen, um den zweiten Punkt des ja noch nicht konkreten Plans von Barack Obama zu streifen, das Gefühl gegeben werden, ihr eigenes Land trage - und das ist ja auch ihr Wunsch - ein afghanisches Gesicht?
Ramms: Ich spreche oder unterscheide bei uns immer von der militärischen Aufgabe und der Aufgabe, die ich als "nation building" bezeichne. Die militärische Aufgabe, für Sicherheit im Land zu sorgen, bezeichne ich immer mit einer Menge von etwa 20 Prozent. Der andere Teil ist Wiederaufbau.
Die afghanische Bevölkerung muss verstehen, muss sehen, muss erfahren, sage ich, dass diese Wiederaufbaumaßnahmen bei ihnen ankommen. Sie müssen sehen, dass sie davon Vorteile haben. Sie müssen sehen, dass ihr Land wieder in normale Umstände, in normale Lebensumstände gerät, sie dort in dem Land leben können, sie ihre Familie ernähren können. Und wenn Sie unter all das, was ich gerade gesagt habe, einen Strich ziehen, dann heißt das ganz einfach, die afghanische Bevölkerung mehr in den Mittelpunkt unserer Bemühungen zu stellen.
Das ist, glaube ich, auch der Kern der neuen Strategie von Präsident Obama, wobei die Strategie gar nicht so neu ist. Es haben hier beispielsweise in meinem Hauptquartier gute Offiziere, erfahrene Offiziere schon vor eineinhalb Jahren über diesen Ansatz nachgedacht und haben ihn mittlerweile zum Gegenstand unserer eigenen Operationspläne gemacht.
Wuttke: Herr Ramms, Sie sind ein Mann des offenen Wortes, wenn es Ihnen nötig erscheint, und Sie widersprechen auch laut Ihrem amerikanischen Vorgesetzten. Wenn die USA auf dem NATO-Gipfel im April ihre Afghanistan-Pläne vorstellen, was befürchten Sie dann am meisten?
Ramms: Ich muss eigentlich sagen, aufgrund der Entwicklung in Amerika mit der neuen Regierung habe ich im Augenblick gar nicht so große Sorgen, dass irgendwelche Dinge in die falsche Richtung laufen könnten. Ich wünsche mir, dass diese 17.000 amerikanischen Soldaten, die ja nicht von heute auf morgen nach Afghanistan kommen, sondern in bestimmten Phasen, zeitgerecht da sind, damit wir sichere Wahlen durchführen können und damit auch zeigen können, dass der Demokratisierungsprozess in Afghanistan weiter voranschreitet, und ich wünsche mir, dass diese Soldaten in Bereichen eingesetzt werden, wo sie auch tatsächlich langfristig mit der Bevölkerung zusammenarbeiten können und bleiben können, damit die Bevölkerung, die im Übrigen in der Mehrheit in Afghanistan positiv zu ISAF steht, das entsprechende Vertrauen gewinnt und dort, wo sie zumindest, sage ich mal, noch abwartet, auch zu uns zurückkehrt.
Wuttke: War es also Ihrer Meinung nach richtig, dass die neue US-Regierung Präsident Karzai laut angezählt hat? War das klug oder überfällig?
Ramms: Ich formuliere das mal etwas anders: Fortschritte in Afghanistan auch von Seiten der afghanischen Regierung her sind in den letzten zwei Jahren sehr rar geworden und von daher sage ich mal, dass Hinweise an den Präsidenten Karzai, bestimmte Dinge voranzubewegen und auf bestimmte Dinge zu achten, wie beispielsweise Vermeidung der Korruption und dergleichen mehr, durchaus Hinweise gewesen sind, die notwendig waren.
Wuttke: Das heißt also, Sie würden durchaus befürworten, wenn eine andere Regierung Durchsetzungsfähigkeit in Afghanistan zeigt?
Ramms: Das ist eine Frage, die kann ich nicht beantworten. Da müssen wir uns auf die Wahlen konzentrieren, den Ausgang der Wahlen abwarten. Und man sollte auch an die Wahlen selber mit einer vernünftigen realistischen Einschätzung rangehen. Man muss wissen, dass Karzai nach wie vor ein Mehrheitsträger in Afghanistan ist, weil er zu den Paschtunen-Stämmen gehört, und die Paschtunen-Stämme stellen immerhin 48 Prozent der Bevölkerung. Das heißt, daran vorbeizukommen und einen alternativen Präsidenten einzusetzen, ist schon ein größeres Unterfangen.
Wuttke: Es gab gerade einen Bericht einer Brüsseler Denkfabrik, International Crisis Group. Die hat gesagt, Gespräche mit den Taliban sind aus ihrer Sicht völlig sinnlos, man sollte eben auf eine starke Regierung in Kabul setzen.
Ramms: Die starke Regierung in Kabul alleine hilft nicht. Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es nicht nur auf die Zentralregierung ankommt, sondern wir müssen auch in die Provinzen rein. Wir müssen in den Provinzen und Distrikten entsprechend starke Gouverneure haben, die mit der Zentralregierung zusammenarbeiten. Ich sagte zu Anfang unseres Gespräches, dass die afghanische Bevölkerung erfahren muss, dass es Fortschritte für sie gibt in der Entwicklung ihres Landes, und das erreichen sie nur über die Distrikte und über die Provinzen. Das heißt, es geht eigentlich um einen flächendeckenden Ansatz, der weitaus mehr in die Dezentralisierung reingeht, als wir es bisher gemacht haben.