Ralf König: "Stehaufmännchen"

"Der Mensch ist ein evolutionärer Flop"

07:26 Minuten
Der Comic-Zeichner Ralf König in Hamburg nach einer Probe zum Musical "Der bewegte Mann"
Der schwule Künstler und Comiczeichner Ralf König: 35 Jahre aufgehoben in der Szene. © dpa / Georg Wendt
Ralf König im Gespräch mit Ute Welty · 21.05.2019
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Das neue Werk von Ralf König heißt "Stehaufmännchen", lässt die Evolution Revue passieren und zeigt, warum der Mensch untergehen wird. Es sei ein kulturpessimistischer Comic, sagt König: "Es wird uns nicht mehr lange geben."
Zum Glück habe er sich angesichts von Klimawandel, plastikverseuchten Meeren und Insektensterben einen "Schuss Humor" bewahrt, betont der Comiczeichner: "Da kann ich einen Ausgleich schaffen, so dass es trotzdem lustig bleibt bei all dem Desaster."
Galgenhumor sei der beste Humor, sagte König. Er habe schon immer einen "bitteren Unterton" gehabt, betonte der Zeichner. Eines seiner Bücher heißt "Herbst in der Hose" und thematisiert ein schwules Paar in den Wechseljahren. Bis zum "Winter in der Hose" sei aber noch Zeit, sagte König.

Rassismus? König ist "verwirrt"

Als nächstes werde er sich vermutlich mit Frankenstein beschäftigen, kündigte König an. Und möglicherweise auch noch einmal mit dem Selbstverständis seiner eigener Szene. Er sei derzeit ein bisschen "verwirrt" und "verstört", sagte König.
Der Grund ist eine Reaktion aus der Brüsseler LGBTI-Szene auf ein Wandgemälde von König, das er einst auf eine Hauswand der Stadt malte. Zwei der zwölf Figuren beruhten auf "transphoben und rassistischen Vorurteilen", heißt es nun aus dem Brüsseler "Rainbow House".
Das Bild zeigt Ralf Königs umstrittenes Wandbild in Brüssel, das angeblich transphob und rassistisch ist.
Ralf Königs Wandbild in Brüssel: nach Ansicht von LGBTI-Aktivisten transphob und rassistisch.© imago images / Viennaslide
König kann mit der Kritik nicht viel anfangen. Er habe sich 35 Jahre in der Szene aufgehoben gefühlt, sagte er. Da gebe es nun aber gerade einen Generationswechsel:
"So erkläre ich mir das. Weil: Die Leute, die das Bild damals in Auftrag gegeben haben, die wussten ja, vom wem sie das Bild kriegen. Die wollten mich als bekanntesten schwulen Comic-Zeichner wahrscheinlich in Europa. Die, die das jetzt besprüht haben und wollen, dass das Bild entfernt wird, haben, glaube ich, noch nie ein Buch von mir gelesen."
(ahe)

Das Gespräch im Wortlaut:

Ute Welty: Da ist der Name ja schon Programm: Als Flop vor sechs Millionen Jahren in der afrikanischen Savanne vom Baum steigt, beginnt für die einen die Evolution, für die anderen das Desaster. Heute erscheint das neue Buch namens "Stehaufmännchen" von wahrscheinlich Deutschlands bekanntestem Comiczeichner. Das Ende der Menschheit denken Sie von seinem Anfang her, und Sie konfrontieren den Urmenschen Flop mit einem Urlauberehepaar, das sich schlimmer benimmt als jeder Affe. Hätte Flop lieber auf dem Baum bleiben sollen?
König: Das war tatsächlich die antreibende Idee, dass am Ende des Schlusses dieser frustrierte Affe mit der ganzen Evolution des Menschen nichts mehr zu tun haben will und zurück auf den Baum geht. Ich glaube, so einen kleinen Reflex haben wir doch inzwischen alle in uns, dass wir denken, na, sind wir nicht zu weit gegangen mit unserem aufrechten Gang in die Welt hinaus, gibt es da nicht irgendwo noch einen Baum, wo wir uns es wieder gemütlich machen können. Ja, das war tatsächlich die Uridee, aber es ist eigentlich ein ziemlich pessimistischer Comic, also kulturpessimistisch, weil ich durch und durch kulturpessimistisch bin, aber zum Glück habe ich mir auch einen Schuss Humor bewahrt und kann so einen Ausgleich schaffen, dass es trotzdem lustig bleibt bei allem Desaster, das da beschrieben wird.

Klimawandel, Insektensterben, plastikverseuchte Meere

Welty: Was ist denn da so schrecklich schiefgelaufen mit der Menschheit?
König: Ich denke, wenn man heute so sieht, was unser Problem ist mit Klimawandel, mit Insektensterben, mit plastikverseuchten Meeren, also was gerade der Stand der Dinge ist, wo uns langsam dämmert, dass es uns auch angeht, wenn die Arten sterben ... Ich glaube, dass das schon zwingenderweise schon in der Evolution damals begründet war, dass diese ganzen Dinge, die jetzt als Meilensteine des Menschwerdens gelten, dieses 'runter vom Baum', aufrecht gehen, Werkzeug bearbeiten und verwenden bis hin zu Feuer beherrschen, dass das alles schon die kleinen Schritte waren, die uns dort hingebracht haben, wo wir jetzt sind.
Das Covermotiv des neuen Buchs "Stehaufmännchen" von Ralf König zeigt in überzeichneter Form einen Menschenaffen mit Stein und brennendem Ast in der Hand. Im Hintergrund sitzen auf einem Blaum kleinere menschenartige Geschöpfe in typischer Ralf-König Anmutung.
Covermotiv von "Stehaufmännchen": in der Evolution ist die menschliche Katastrophe schon angelegt.© Rowohlt/Ralf König (Ausschnitt)
Das wollte ich einfach gerne mal humoristisch von Anfang an beleuchtet haben. Dieser Flop, ich kam spät auf den Namen. Erst hieß der Fred, also in Anlehnung an Fred Feuerstein und so, aber das war mir dann auch zu doof und zu platt. Flop fiel mir irgendwann ein, er musste Flop heißen. Das war einfach ein zwingender Name, klingt lustig, aber hat auch diesen Hintergrund, dass ich denke, der Mensch ist ein evolutionärer Flop. Es wird uns nicht mehr so lange geben.
Welty: Schon in Ihrem Buch davor thematisieren Sie ja die weniger schönen Zeiten. "Herbst in der Hose" beschreibt das Altern eines schwulen Mannes. Wird aus Humor also irgendwann und zwangsläufig Galgenhumor?
König: Ach, ich glaube, Galgenhumor ist sowieso der beste Humor, oder? Ich weiß nicht, ich hatte immer so ein bisschen so einen bitteren Unterton. Ich habe ja auch damals ein Buch gemacht über die Aids-Krise oder über eine HIV-Infektion, und ich habe über die Homoehe, als es da noch problematisch war in der Gesellschaft, habe ich ein Buch gemacht. Also ich glaube, es ist immer der beste Humor, wenn die Bitternis der Welt auch mitlacht.

Dicke Nasen und dicke Hoden

Welty: Was zeichnen Sie eigentlich lieber, dicke Nasen oder dicke Hoden?
König: Dicke Hoden zeichne ich nicht so oft. Das war in diesem Buch öfter der Fall, weil die Affen ja keine Unterhosen anhaben. Deswegen hat mir das mit den Hoden schon auch Spaß gemacht. Die Pointe war auch, dass ich auf dem Titelbild durchaus diesen Homo Erectus gezeichnet habe, der mit einem Faustkeil in die Welt hinausschreitet, und der hat ganz dicke Hoden gehabt, aber das haben dann die Vertriebsdamen vom Rowohlt-Verlag für den Buchhandel nicht so vorteilhaft gefunden, und dann hat man mich gebeten, den Hodensack etwas zu verdecken, aber im Innenteil des Buches kommt er fast auf jeder Seite vor.
Welty: Fürwahr, fürwahr! Kritik an Ihrer Art der Darstellung kommt ja auch aus Kreisen, von denen man es nicht unbedingt vermuten würde, zum Beispiel vom Rainbow House in Brüssel, das LGBTQ-Organisationen vertritt und Sie erst zu einem Wandbild einlädt und Jahre später darin dann Transphobie und Rassismus entdeckt. Macht Sie das auch ein Stück weit bitter?
König: Ach nee, bitter … Ich bin ein bisschen verwirrt, oder wie soll ich sagen, verstört. Klar, ich fühlte mich, 35 Jahre ungefähr, wie ich jetzt Comics zeichne, fühlte ich mich in meiner eigenen Szene aufgehoben, und ich glaube, da ist einfach auch ein Generationswechsel gerade. So erkläre ich mir das, weil die Leute, die das Bild damals in Auftrag gegeben haben, die wussten ja, von wem sie das Bild kriegen, und die wollten mich ja auch als bekanntesten schwulen Comiczeichner wahrscheinlich in Europa. Da wollten die mich bewusst, und die das jetzt besprüht haben und wollen, dass das Bild entfernt wird, glaube ich, haben noch nie ein Buch von mir gelesen. Das muss man einfach mitbedenken.

Die andere Brille

Welty: Aber inwieweit rechtfertigt das denn dann ein solches Verhalten und auch einen solchen Eingriff in die Kunst?
König: Das ist für mich schwer zu sagen. Also ich versuche mir vorzustellen, wie dieses Bild aussieht, wenn man meine Bücher und meine Inhalte und meine Haltung nicht kennt, die sehen das durch eine andere Brille. Ich bin da ja auch ein bisschen verunsichert, aber der Brief, den ich dann bekam von einer Frau dort, die im Vorstand war, war so, wie soll ich sagen, so belehrend. Also da wurde versucht mir zu erzählen, was denn Karikatur darf und was da irgendwie falsch ist.
Das fand ich dann schon ein bisschen überheblich. Ich wollte daraus gar kein großes Ding machen, aber nun saß der "Spiegel" bei mir, der Journalist anlässlich des neuen Buches auf dem Sofa, und natürlich, heutzutage ist die Frage unvermeidlich, worüber dürfen wir noch lachen. Das ist ja so eine Standardfrage geworden, und das wäre ja seltsam, wenn ich dieses Wandbild da nicht erwähnt hätte, und jetzt ist es plötzlich fast viel interessanter als mein neues Buch. Ich gucke mir das gerade interessiert an und hoffe sogar, dass sich da Stoff sammelt für ein neues Buch. Das wäre nicht das schlechteste.
Welty: Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch für irgendwas gut ist, aber das wäre tatsächlich die nächste Frage gewesen: Nachdem Sie in "Stehaufmännchen" die komplette Evolution abgehandelt haben, was kann da noch kommen?
König: Die Frage bekam ich ja schon nach "Herbst in der Hose", ob ich mit Konrad und Paul noch was machen könnte. Also erst mal ist bis "Winter in der Hose" noch etwas Zeit. Da lasse ich mir noch was einfallen. Das nächste Buch, das wird wieder was ganz anderes sein.

Gedanken über Frankenstein

Ich bin für den Carlsen-Verlag gerade dabei, mir Gedanken über Frankenstein zu machen. Das wird dann leichenfeindlich wahrscheinlich, weil das Monster ja tot war immerhin. Eine gruselige Frankenstein-Geschichte von mir, da weiß ich selber noch nicht wie sie aussieht, aber ich entwickle gerade Spaß, darüber nachzudenken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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