Rätselraten im Museum
Drei mal eins oder Drei in Eins - was Kunsthistorikern Kopfzerbrechen bereitet, kann der kunstinteressierte Museumsbesucher in der Kunsthalle Bremen selbst begutachten. Drei Bilder von Albrecht Dürer sind dort in einer Ausstellung zu sehen; und seit rund 80 Jahren stellen sich die Kunstgelehrten die Frage: Gehören sie nun zusammen, könnten sie Teil eines Hausaltars sein - oder haben sie nichts miteinander zu tun, abgesehen von ihrem Urheber natürlich?
Das Bremer Bilderrätsel scheint gelöst. Von wegen Dreieinigkeit! Der Dürersche Weltenretter "Salvator Mundi" muss abseits hängen - neben "Johannes, dem Täufer" und dem Heiligen "Onuphrius" - nicht zwischen ihnen. Eine ganz bewusste Entscheidung der Kustodin der Kunsthalle Bremen, Anne Röver-Kann:
"Das ist eine alte These, dass es ein Triptychon sein könnte oder sein sollte. Und wir sind von Anfang an nicht so sehr überzeugt gewesen von dieser Annahme und haben sie deswegen auch auseinander gehängt. Damit auch solche Menschen, die das zum ersten Mal sehen, nicht sofort fixiert sind: Das ist ein Triptychon. Sondern erst mal überlegen: Das sind drei verschiedene Bilder. "
Dabei schien doch einigen Kunstgelehrten alles so klar: Salvator Mundi, Johannes und Onuphrius - alle drei Werke ließ Albrecht Dürer offenbar in seiner Nürnberger Werkstatt zurück, als er 1505 vor der Pest ins italienische Venedig floh. Und es gibt weitere Gemeinsamkeiten: Jedes Teil des vermeintlichen Bilder-Trios besitzt eine mehr oder minder deutliche Unterzeichnung. Und: Keine der drei Tafeln ist fertig gemalt. Außerdem verweisen Verfechter der Triptychon-These auf das Format, erläutert Anne Röver-Kann:
"Die drei Bilder haben dieselbe Höhe. Und das Mittelteil - das angebliche - ist doppelt so breit wie ein Einzelflügel. Was darauf schließen lässt, dass es vielleicht ein Triptychon - also ein Flügelaltar - sein könnte. Der, wenn er geschlossen ist, durch die beiden Seitenflügel das Mittelbild verdeckt. "
Eine direkte Gegenüberstellung war Jahrhunderte lang nicht möglich, denn die Werke gingen getrennte Wege. Der Eremit Onuphrius ist eins der ältesten Stücke des Bremer Kunstvereins. Der Johannes kehrte erst im vergangenen Jahr an die Weser zurück. In der Hansestadt beendete er seine Odyssee, die das schmale hochformatige Gemälde in den Kriegswirren nach Russland und Estland geführt hatte.
Der "Salvator Mundi"" wird heute im New Yorker Metropolitan Museum of Art verwahrt. Und dort nahmen Restaurationsexperten das Bilder-Trio auch im vergangenen November zehn Tage lang genauestens unter die Lupe. Sie legten besonderes Augenmerk auf die Unterzeichnungen der Dürer-Bilder - und fanden vor allem Trennendes, sagt die Kustodin Maryan Ainsworth.
"Beim Salvator Mundi hat Dürer beides benutzt: Stift und Pinsel, mit einer Tinte auf Kohlebasis. Das zeigt die Infrarot-Reflektografie ganz deutlich. Bei den Bremer Gemälden, da muss er eine andere Tinte verwendet haben. Weil sich diese eben nicht mit der Infrarotmethode zeigen lässt. Sie verschwindet sogar, wenn man versucht, sie damit sichtbar zu machen. Dabei kann man sie sogar mit dem bloßen Auge sehen. Deswegen haben wir eine hoch auflösende Scannerkamera benutzt, um die Unterzeichnung sichtbar zu machen. "
Auch an Hand der schwarz-weißen Makrofotos können Interessierte in der Bremer Kunsthalle jetzt selbst die Werthaltigkeit der Triptychon-These prüfen. Die Originale weisen augenfällige Differenzen in der Machart auf. Farbschwach und fast ein wenig verwaschen präsentieren sich die vermeintlichen Flügelbilder. Der Mittelteil dagegen kommt in leuchtenden Grün-, Rot- und Blautönen daher. Und Anne Röver-Kann verweist auf weitere Unterschiede der Heiligenporträts:
"Der eine steht frontal, der andere ist genau im Profil und der dritte - das Mittelbild - ist eine Halbfigur. Während die angeblichen Flügel in dieser Weise nicht zusammen passen. Sie müssten Partner haben, die die Eigenart eines einzelnen ergänzen. "
Auch für Maryan Ainsworth vom Metropolitan Museum ist klar: Diese Drei gehören nicht zusammen. Ob es nicht doch ein Dürer-Triptychon - vielleicht auch mit Johannes und Onuphrius - geben könnte: Diese Diskussion ist für die Amerikanerin aber noch lange nicht beendet.
"Nein, im Gegenteil würde ich sagen. Die Debatte ist gerade wieder eröffnet. Und das in verschiedene Richtungen. Wenn man nämlich zu dem Schluss kommt, dass sie vielleicht nicht zusammen gehören, dann muss man auch sagen, was daraus folgt: Wozu gehören dann die Bremer Tafeln? Welches Konzept hatte Dürer für den Salvator Mundi? Und das führt zu weiteren und vielleicht sogar interessanteren Fragen in der Diskussion und beim Lernen. "
So will auch die Bremer Kunsthalle weiter nach einem Bild fahnden, das zwischen die beiden Heiligen passen könnte - wenn sie denn zusammen gehören. Und so stellt sich die Kustodin Röver-Kann den Dürerschen Lückenbüßer vor:
"Wir suchen eigentlich mehr nach anderen, kleinen, hochrechteckigen Tafeln, die diese beiden Einzelbilder zu einem Ganzen ergänzen könnten. Also zu einem größeren Altar. Der muss in der Mitte nicht ein Gemälde gehabt haben. Der kann auch - und das war sogar gängiger - ein geschnitztes Bild, so eine Kombination von Malerei und Schnitzaltar sein."
Den ursprünglichen Expertenstreit hatte der Dürer-Forscher Eduard Flechsig 1928 ausgelöst. Seine Hypothese, dass die drei Gemälde des Renaissance-Künstlers eine Einheit bilden, hätte vielleicht schon eher widerlegt werden können. Auch ohne eine direkte Gegenüberstellung und ohne moderne High-Tech. Dass diese Position sich so lange halten konnte, kann aber sogar Anne Röver-Kann nachvollziehen. Denn einen gewissen Charme will sie ihr nicht absprechen.
"Es hat immer Zweifler gegeben. Aber es ist natürlich schön, ein Triptychon zu haben. Das ist eine ganz, ganz verlockende Idee. Und die hat sich gehalten. Und die hat dominiert. Alle Zweifler waren immer die Miesmacher. "
"Das ist eine alte These, dass es ein Triptychon sein könnte oder sein sollte. Und wir sind von Anfang an nicht so sehr überzeugt gewesen von dieser Annahme und haben sie deswegen auch auseinander gehängt. Damit auch solche Menschen, die das zum ersten Mal sehen, nicht sofort fixiert sind: Das ist ein Triptychon. Sondern erst mal überlegen: Das sind drei verschiedene Bilder. "
Dabei schien doch einigen Kunstgelehrten alles so klar: Salvator Mundi, Johannes und Onuphrius - alle drei Werke ließ Albrecht Dürer offenbar in seiner Nürnberger Werkstatt zurück, als er 1505 vor der Pest ins italienische Venedig floh. Und es gibt weitere Gemeinsamkeiten: Jedes Teil des vermeintlichen Bilder-Trios besitzt eine mehr oder minder deutliche Unterzeichnung. Und: Keine der drei Tafeln ist fertig gemalt. Außerdem verweisen Verfechter der Triptychon-These auf das Format, erläutert Anne Röver-Kann:
"Die drei Bilder haben dieselbe Höhe. Und das Mittelteil - das angebliche - ist doppelt so breit wie ein Einzelflügel. Was darauf schließen lässt, dass es vielleicht ein Triptychon - also ein Flügelaltar - sein könnte. Der, wenn er geschlossen ist, durch die beiden Seitenflügel das Mittelbild verdeckt. "
Eine direkte Gegenüberstellung war Jahrhunderte lang nicht möglich, denn die Werke gingen getrennte Wege. Der Eremit Onuphrius ist eins der ältesten Stücke des Bremer Kunstvereins. Der Johannes kehrte erst im vergangenen Jahr an die Weser zurück. In der Hansestadt beendete er seine Odyssee, die das schmale hochformatige Gemälde in den Kriegswirren nach Russland und Estland geführt hatte.
Der "Salvator Mundi"" wird heute im New Yorker Metropolitan Museum of Art verwahrt. Und dort nahmen Restaurationsexperten das Bilder-Trio auch im vergangenen November zehn Tage lang genauestens unter die Lupe. Sie legten besonderes Augenmerk auf die Unterzeichnungen der Dürer-Bilder - und fanden vor allem Trennendes, sagt die Kustodin Maryan Ainsworth.
"Beim Salvator Mundi hat Dürer beides benutzt: Stift und Pinsel, mit einer Tinte auf Kohlebasis. Das zeigt die Infrarot-Reflektografie ganz deutlich. Bei den Bremer Gemälden, da muss er eine andere Tinte verwendet haben. Weil sich diese eben nicht mit der Infrarotmethode zeigen lässt. Sie verschwindet sogar, wenn man versucht, sie damit sichtbar zu machen. Dabei kann man sie sogar mit dem bloßen Auge sehen. Deswegen haben wir eine hoch auflösende Scannerkamera benutzt, um die Unterzeichnung sichtbar zu machen. "
Auch an Hand der schwarz-weißen Makrofotos können Interessierte in der Bremer Kunsthalle jetzt selbst die Werthaltigkeit der Triptychon-These prüfen. Die Originale weisen augenfällige Differenzen in der Machart auf. Farbschwach und fast ein wenig verwaschen präsentieren sich die vermeintlichen Flügelbilder. Der Mittelteil dagegen kommt in leuchtenden Grün-, Rot- und Blautönen daher. Und Anne Röver-Kann verweist auf weitere Unterschiede der Heiligenporträts:
"Der eine steht frontal, der andere ist genau im Profil und der dritte - das Mittelbild - ist eine Halbfigur. Während die angeblichen Flügel in dieser Weise nicht zusammen passen. Sie müssten Partner haben, die die Eigenart eines einzelnen ergänzen. "
Auch für Maryan Ainsworth vom Metropolitan Museum ist klar: Diese Drei gehören nicht zusammen. Ob es nicht doch ein Dürer-Triptychon - vielleicht auch mit Johannes und Onuphrius - geben könnte: Diese Diskussion ist für die Amerikanerin aber noch lange nicht beendet.
"Nein, im Gegenteil würde ich sagen. Die Debatte ist gerade wieder eröffnet. Und das in verschiedene Richtungen. Wenn man nämlich zu dem Schluss kommt, dass sie vielleicht nicht zusammen gehören, dann muss man auch sagen, was daraus folgt: Wozu gehören dann die Bremer Tafeln? Welches Konzept hatte Dürer für den Salvator Mundi? Und das führt zu weiteren und vielleicht sogar interessanteren Fragen in der Diskussion und beim Lernen. "
So will auch die Bremer Kunsthalle weiter nach einem Bild fahnden, das zwischen die beiden Heiligen passen könnte - wenn sie denn zusammen gehören. Und so stellt sich die Kustodin Röver-Kann den Dürerschen Lückenbüßer vor:
"Wir suchen eigentlich mehr nach anderen, kleinen, hochrechteckigen Tafeln, die diese beiden Einzelbilder zu einem Ganzen ergänzen könnten. Also zu einem größeren Altar. Der muss in der Mitte nicht ein Gemälde gehabt haben. Der kann auch - und das war sogar gängiger - ein geschnitztes Bild, so eine Kombination von Malerei und Schnitzaltar sein."
Den ursprünglichen Expertenstreit hatte der Dürer-Forscher Eduard Flechsig 1928 ausgelöst. Seine Hypothese, dass die drei Gemälde des Renaissance-Künstlers eine Einheit bilden, hätte vielleicht schon eher widerlegt werden können. Auch ohne eine direkte Gegenüberstellung und ohne moderne High-Tech. Dass diese Position sich so lange halten konnte, kann aber sogar Anne Röver-Kann nachvollziehen. Denn einen gewissen Charme will sie ihr nicht absprechen.
"Es hat immer Zweifler gegeben. Aber es ist natürlich schön, ein Triptychon zu haben. Das ist eine ganz, ganz verlockende Idee. Und die hat sich gehalten. Und die hat dominiert. Alle Zweifler waren immer die Miesmacher. "