Rätselhafte Morde und der Spanische Bürgerkrieg
Im Paris des Jahres 1938 schickt Patrick Pécherot einen Privtadetektiv auf die Suche nach einem Mädchen. Eingebettet wird der Krimi-Plot in die Turbulenzen der internationalen Politik. Im benachbarten Spanien tobt der Bürgerkrieg - seine Folgen sind auch in Frankreich zu spüren.
Alles beginnt wie in einem durchschnittlichen Krimi: Ein Privatdetektiv sitzt in seinem Büro, als ein distinguierter Herr eintritt und ihn bittet, seine Tochter zu finden und zurück nach Hause zu bringen. Das Mädchen sei zwar volljährig, aber einem ziemlichen Luftikus auf den Leim gegangen, einem proletarischen Habenichts, den womöglich nicht die Liebe, sondern die Aussicht auf das Geld der Tochter aus gutem Hause getrieben habe. Fotos, ein paar sachdienliche Hinweise - der Routinejob kann beginnen.
Natürlich gestalten sich die Dinge schwieriger. Die junge Frau ist zwar ziemlich schnell aufgespürt, allerdings erklärt sie, ihre Eltern seien bei einem Autounfall bereits vor Jahren ums Leben gekommen. Ihr Liebhaber ist verschwunden. Als schließlich eine Leiche ohne Kopf gefunden wird, heißt es, dies sei mit hoher Wahrscheinlichkeit der junge Liebhaber. Eine Serie rätselhafter Morde im Umfeld der Ermittlungen verwirrt den Fall zusehends, der Detektiv gerät zeitweilig selbst unter Mordverdacht.
Die Geschichte trägt sich zu im Paris des Jahres 1938. Die Welt wird in Atem gehalten von den bedrohlichen Gesten der faschistischen Führer Mussolini und Hitler. In Spanien tobt der Bürgerkrieg, aber es ist nicht nur der Krieg des Putsch-Generals Franco gegen die regierungstreuen Truppen der Republik. Es ist auch ein Krieg von internationaler Dimension. Während Deutschland und Italien offen Franco unterstützen, zeigt sich nur Stalins Sowjetunion bereit, den Verteidigern der spanischen Republik Hilfe zu gewähren. Und diese Hilfe hat ihren Preis: Die von Stalin gesandten "Berater" machen schnell deutlich, dass sie die politische und ideologische Führungsrolle beanspruchen, natürlich im Sinne Stalins. Und so findet dieser Krieg auch im Lager der Anhänger der Republik statt, denn unter ihnen befinden sich nicht nur zahlreiche Anarchisten, sondern auch Anhänger von Stalins Hauptfeind Leo Trotzki. Die bereits gut geölte Maschinerie der poltitischen "Säuberungen" wird gleichsam mit der personellen und materiellen Unterstützung nach Spanien exportiert.
Frankreich, seinerseits geschüttelt von aufeinanderfolgenden Regierungskrisen, hält sich wie Großbritannien offiziell an die für die spanische Republik so verhängnisvolle Politik der Nichteinmischung. Patrick Pécherots Krimi suggeriert nun, es könnte dennoch auch anders gewesen sein. Dass es nämlich auch in Frankreich linke Unterstützer gegeben habe, die Waffenlieferungen für die spanische Republik organisierten. Da sie aus dem anarchistisch-trotzkistischen Umfeld stammten, war ihnen die Strafe Moskaus sicher. In diesem politischen Spannungsfeld siedelt Pécherots kriminalistische Intrige, zu deren Kern sich der Privatdetektiv Schritt für Schritt vortasten muss.
Auf den Vorwurf, sich letztlich mit trivialer Literatur zu beschäftigen, haben die Produzenten und Konsumenten des Kriminalgenres immer mit dem Verweis auf die Genauigkeit reagiert, mit der dieses Genre gesellschaftliche Zustände reflektiert. Patrick Pécherots Roman kann man wie ein Ausweispapier für dieses Argument hochhalten. Verwoben in eine kriminalistische Handlung, wird ein hochkomplexer historischer Kontext erzählt, ein Schlüsselmoment des 20. Jahrhunderts.
Besprochen von Gregor Ziolkowski
Patrick Pécherot: Bellville - Barcelona
Aus dem Französischen von Cornelia Wend
Edition Nautilus, Hamburg 2011
225 Seiten, 14,90 Euro
Natürlich gestalten sich die Dinge schwieriger. Die junge Frau ist zwar ziemlich schnell aufgespürt, allerdings erklärt sie, ihre Eltern seien bei einem Autounfall bereits vor Jahren ums Leben gekommen. Ihr Liebhaber ist verschwunden. Als schließlich eine Leiche ohne Kopf gefunden wird, heißt es, dies sei mit hoher Wahrscheinlichkeit der junge Liebhaber. Eine Serie rätselhafter Morde im Umfeld der Ermittlungen verwirrt den Fall zusehends, der Detektiv gerät zeitweilig selbst unter Mordverdacht.
Die Geschichte trägt sich zu im Paris des Jahres 1938. Die Welt wird in Atem gehalten von den bedrohlichen Gesten der faschistischen Führer Mussolini und Hitler. In Spanien tobt der Bürgerkrieg, aber es ist nicht nur der Krieg des Putsch-Generals Franco gegen die regierungstreuen Truppen der Republik. Es ist auch ein Krieg von internationaler Dimension. Während Deutschland und Italien offen Franco unterstützen, zeigt sich nur Stalins Sowjetunion bereit, den Verteidigern der spanischen Republik Hilfe zu gewähren. Und diese Hilfe hat ihren Preis: Die von Stalin gesandten "Berater" machen schnell deutlich, dass sie die politische und ideologische Führungsrolle beanspruchen, natürlich im Sinne Stalins. Und so findet dieser Krieg auch im Lager der Anhänger der Republik statt, denn unter ihnen befinden sich nicht nur zahlreiche Anarchisten, sondern auch Anhänger von Stalins Hauptfeind Leo Trotzki. Die bereits gut geölte Maschinerie der poltitischen "Säuberungen" wird gleichsam mit der personellen und materiellen Unterstützung nach Spanien exportiert.
Frankreich, seinerseits geschüttelt von aufeinanderfolgenden Regierungskrisen, hält sich wie Großbritannien offiziell an die für die spanische Republik so verhängnisvolle Politik der Nichteinmischung. Patrick Pécherots Krimi suggeriert nun, es könnte dennoch auch anders gewesen sein. Dass es nämlich auch in Frankreich linke Unterstützer gegeben habe, die Waffenlieferungen für die spanische Republik organisierten. Da sie aus dem anarchistisch-trotzkistischen Umfeld stammten, war ihnen die Strafe Moskaus sicher. In diesem politischen Spannungsfeld siedelt Pécherots kriminalistische Intrige, zu deren Kern sich der Privatdetektiv Schritt für Schritt vortasten muss.
Auf den Vorwurf, sich letztlich mit trivialer Literatur zu beschäftigen, haben die Produzenten und Konsumenten des Kriminalgenres immer mit dem Verweis auf die Genauigkeit reagiert, mit der dieses Genre gesellschaftliche Zustände reflektiert. Patrick Pécherots Roman kann man wie ein Ausweispapier für dieses Argument hochhalten. Verwoben in eine kriminalistische Handlung, wird ein hochkomplexer historischer Kontext erzählt, ein Schlüsselmoment des 20. Jahrhunderts.
Besprochen von Gregor Ziolkowski
Patrick Pécherot: Bellville - Barcelona
Aus dem Französischen von Cornelia Wend
Edition Nautilus, Hamburg 2011
225 Seiten, 14,90 Euro