"Radio Space is the Place"

Konferenz der Radio Revolten

Eine Sammlung von Fernsehgeräten, Radios und Radioweckern aus den Anfängen der Unterhaltungsindustrie
Radio - sehr viel mehr als die 80er, 90er und das Beste von heute. © picture alliance / dpa / Farnsworth
Anna Seibt im Gespräch mit Britta Bürger · 28.10.2016
Aus den Geräuschen kaputter Schallplatten ein Hörspiel entstehen lassen. Oder: Eine digitale Landkarte der Geräusche ins Internet stellen. Radio-Kunst ist ganz schön vielfältig. Das zeigt auch die Konferenz "Radio Space is the Place" in Halle.
Britta Bürger: Unter dem Titel "Radio Space is the Place" fand in den vergangenen zwei Tagen eine Konferenz über die Möglichkeiten der Radiokunst im 21. Jahrhundert statt - im Rahmen des "Internationalen Festivals Radio Revolten", das schon den ganzen Oktober in Halle an der Saale unser Lieblingsmedium auslotet.
Veranstaltet wurde die Konferenz vom Studiengang "Experimentelles Radio" der Bauhaus Universität in Weimar und dem Fachbereich "Sprechwissenschaften" der Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg. Für Fazit hat Anna Seibt ihre Antennen ausgefahren. "Radio Space is the Place" - also der Radioraum als Ort, an dem man sich austauschen kann. Um was genau ging es die letzten zwei Tage?
Anna Seibt: Ja, das fängt schon mit einer schwierigen Frage an, weil man die Konferenz tatsächlich nicht in ein oder zwei Sätze passen kann. Vielleicht fangen wir mal mit dem Titel an: "Radio Space ist the Place" – das stammt aus einem Radio-Kunst-Manifest, das 1998 von dem kanadischen Radiokünstler Robert Adrian geschrieben wurde. Und Elisabeth Zimmermann, das ist eine der Kuratorinnen der Konferenz, die hat mir erzählte, dass sie ein Punkt aus diesem Manifest besonders inspiriert hat:
Elisabeth Zimmermann: "Einer der Punkte ist Punkt Nummer sieben, wo davon ausgegangen wird, dass eben Radio Space der Ort ist, wo alle Listeners zuhören, und eigentlich auch der Versuch zu definieren, was dieser Radioraum ist. Und dieser Space, der entsteht, wenn eben Menschen Radio mache, sich damit auseinandersetzen, Orte verbinden, miteinander kommunizieren und solche Dinge."
Seibt: Ja genau. Dementsprechend wurde darüber diskutiert, wie Radiokunst entsteht, überhaupt. Es wurden konkrete Beispiele von Radiokunst vorgestellt. Aber es wurde eben auch über Technik geredet, die man ja überhaupt erst braucht, um Radio-Kunst zu machen.
Bürger: Und wer hat dort vorgetragen und diskutiert? War das ein rein akademischer Rahmen? Das Programm liest sich jedenfalls sehr, sehr, sehr theoretisch.
Seibt: Ja, tatsächlich haben die Akademiker wahrscheinlich dominiert. Aber es wurden auch Klangkünstler und Klangkünstlerinnen eingeladen. Und Macher von freiem Radio haben auch gesprochen, was das Ganze dann schön illustriert hat, an direkten Beispielen. Das Publikum durfte sich auch die ganze Zeit einklinken, was das ganze aufgelockert hat. Und dann wurden eben Themen diskutiert wie "Radiophone Kollektivität der Zukunft". Das hört sich natürlich sehr abgefahren an. Aber als dann ein Projekt vorgestellt wird [wurde], das mobile Rundfunkanstalten herstellt und die in Krisengebieten wie beispielsweise Syrien verteilt, damit die Menschen dort wieder – trotz fehlender Infrastruktur – miteinander kommunizieren können, da ist das dann wieder viel klarer geworden, was das bedeuten soll.
Es wurde auch die Plattform "Radio Aporee" vorgestellt. Dahinter steckt Udo Noll, der auf Basis von Google Maps eine Landkarte erstellt hat, auf die Menschen aus der ganzen Welt selbst aufgenommene Umgebungsgeräusche hoch- oder runterladen können. Die nennen sich dann "Field Recordings". Und diese Umgebungsgeräusche werden dann wiederum in einen Livestream eingespeist und abgespielt. Die kann man sich im Internet anhören. Und wenn sich ein Zuhörer neu einklinkt, dann erkennt das System, woher er kommt, und dementsprechend werden die Umgebungsgeräusche angepasst, dass man dann, wenn man aus Halle zuhört, auch den Marktplatz von Halle hört.
Bürger: Also, thematisch eine breite Spannweite auf dieser Konferenz. Was hat Sie inhaltlich noch besonders interessiert?
Seibt: Ja, also heute, den Tag fand ich sehr spannend. Der fing an im Stadtmuseum Halle. Da gibt es eine große Ausstellung auch im Rahmen des ganzen Radiorevolten-Festivals über die Geschichte des Radios. Man kann ganz alte Radios sehen, wirklich aus den Anfangszeiten des Radios. Und es gab ein Gespräch mit Ulrich Gerhardt. Das ist ein Hörspiel-Regisseur, der die letzten 40 Jahre der Hörspielgeschichte wirklich stark geprägt hat. Und der hat zum Beispiel erzählt, dass der Zufall und das Experiment ganz stark seine Hörspiele geprägt haben.
Er hat zum Beispiel von dem Hörspiel erzählt: "Übergang über die Beresina". Da hat er Töne benutzt, die er auf kaputten Schallplatten gefunden hat, auf dem Flohmarkt. Und dann hat er die abgespielt und versucht, die Töne zu rekonstruieren. Und hat dann wirklich alle Kratzer und Sprünge in dem Hörspiel belassen. Und das hat dann so eine ganz eigene Komposition ergeben.
Was mir jetzt auch persönlich sehr im Kopf geblieben ist, weil das der Abschluss der Konferenz war, war ein Gespräch über Archive und Archivieren. Und da ging es dann richtig heiß her. Da haben sich die Diskutanten wirklich gestritten - darüber, was man denn eigentlich in Zeiten riesiger Datenmengen machen soll: Kann man das überhaupt noch archivieren oder nicht? Da sind die dann tatsächlich auch nicht zu einem Punkt gekommen. Das ist dann offengeblieben. Und da muss man wahrscheinlich noch weiter darüber diskutieren.
Bürger: Diese Konferenz stand ja nun am Ende dieses einmonatigen Festivals. Wurde da noch einmal gebündelt, was in den vier Wochen an Gedanken entwickelt wurde?
Seibt: Nein, tatsächlich ist das wahrscheinlich auch unmöglich, ein einmonatiges Festival in so eine Konferenz zu packen, weil das Festival ja auch selber aus vielen unterschiedlichen Teilen bestanden hat, wie Liveperformances und so weiter. Auf der Konferenz wurde wirklich akademisch, künstlerisch sich damit auseinandergesetzt, was Radio-Kunst ist und wie die entsteht. Das Radio-Revolten-Festival ist auch entstanden aus einer Idee von "Radio Corax", einem nicht kommerziellen Radiosender in Halle. Und das beschäftigt sich mit ganz unterschiedlichen Spielarten von Radio-Kunst. Und diese beiden Bereiche im Radio finden halt wenig Beachtung im öffentlichen Diskurs und auch im akademischen Diskurs.
Und ich habe mit Knut Aufermann gesprochen. Das ist der Künstlerische Leiter des Festivals. Und der stört sich vor allem daran, dass Radio-Kunst nur im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wo wir ja auch gerade sitzen - beachten wir. Aber sonst eben kaum Beachtung findet.
Knut Aufermann: "Radio-Kunst ist natürlich viel, viel größer. Es gibt Installationen, es gibt ganz viele Sachen im Freien Radiobereich, beim Community Radio, im Piratenradio – ich weiß nicht wo –, die alle nicht dokumentiert sind und die auch nicht Einfluss in den Kanon finden, über den geforscht wird."
Seibt: Ja genau, ich würde sagen, dass das Radiofestival wirklich sehr eindrücklich gezeigt hat, und jetzt auch noch mal die Konferenz, dass es ewig viele Bereiche gibt, in denen Radio-Kunst existiert. Es gibt den Öffentlichen Raum, es gibt die Internetplattformen und es gibt eben auch die öffentlich-rechtlichen Sender.
Bürger: Mit Fazit zum Beispiel. Anna Seibt über die Konferenz "Radio Space is the Space" im Rahmen der Radio-Revolten in Halle. Das Festival geht an diesem Sonntag zu Ende.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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