Radikal und perfektionistisch

Von Carolin Pirich |
Sie ist eine der vielversprechendsten jungen Schauspielerinnen in Deutschland. Ob als Geierwally oder Gudrun Ensslin: Brigitte Hobmeier taucht ein in die extremen Gefühlswelten ihrer Figuren. Für ihre erste Hauptrolle an den Münchner Kammerspielen wurde sie im vergangenen Herbst mit dem Theaterpreis "Der Faust” ausgezeichnet.
Maria Braun ist eine schöne Frau, verspielt und verliebt. Sie glaubt an die Liebe zu ihrem Mann, der zurückkommen wird aus dem Krieg, und dann kann sie endlich Ehefrau sein. Er kommt zurück, aber dann geht er ins Gefängnis, für sie, die für ihn ihren Liebhaber getötet hat. Nach Jahren können sie endlich zusammen leben, aber dann hat Maria Braun ihre Träume verloren.

"Sie denkt, sie hat alles im Griff, sie weiß alles, sie weiß, wohin sie geht, sie ist eine starke Frau und denkt am Schluss, o mein Gott, wie viel war Illusion, wie viel war Wirklichkeit."

Die Widersprüche, die tiefen Gefühle ihrer Rollen sind es, die die 31-jährige Schauspielerin Brigitte Hobmeier faszinieren. Mal schlüpft sie in die Rolle eines jungen Mannes, viril, slapstickhaft komisch. Dann spielt sie die Gudrun Ensslin in Jelineks "Ulrike Maria Stuart”. Kalt, kokett, eitel. Und dann verkörpert sie wieder das tragische Mädchen in der Gestalt der scheiternden Glückssucherin in Hórvaths "Glaube, Hoffnung, Liebe”, einer ihrer liebsten Autoren.

"Einer seiner schönsten Sätze aus 'Zur schönen Aussicht': Ich bin eigentlich ganz anders, aber ich komme so selten dazu. Das ist einfach so wunderbar und hat so viel mit einem selber zu tun und gleichzeitig ist es in eine Absurdität gedreht, die es zu Kunst macht, für mich."

Es ist nicht leicht, einen Termin mit Brigitte Hobmeier zu bekommen. Sie arbeitet viel. Vor der Kamera und auf der Bühne.

Lange, hellrote Zöpfe fallen auf ihr dunkles, sportliches Jacket. Wie sie da so sitzt, in einem stillen Zimmer im Theaterhaus, schlank, groß, in dunkler Cargohose und Stiefeln mit hohen Absätzen, wirkt Brigitte Hobmeier zunächst ein wenig unnahbar, vielleicht auch nur konzentriert. Sie denkt lange nach, bevor sie etwas sagt, kräuselt ihre vollen Lippen und legt die blasse Stirn in Falten.

"Also wenn ich jetzt eine Blume nennen würde, die vielleicht mit mir etwas zu tun hat, dann würde ich die Kamelie nehmen. Die eine gewisse Zartheit hat und auch eine Stärke. Das sind vielleicht meine Radikalheit, meinem Perfektionismus nachzujagen, und auf der anderen Seite ein ganz großes Liebesfeld."

Brigitte Hobmeier ist eine junge Frau, die den Spagat schafft zwischen ihrem Erfolg und ihrer Familie, mit der sie in Ismaning bei München lebt, mit den Eltern, ihrem zweijährigen Sohn und ihrem Mann. Die Familie und die Ruhe auf dem Land "erden” sie immer wieder, wie sie sagt, wenn sie sich in einer ihrer Rollen verliert.

"Das Davonfliegen geht von selbst. Das Erden funktioniert bei mir, indem ich mich mit der realen Welt verbinde. Bei meinen Eltern geht das sehr gut, die holen mich ganz schnell runter. Die dann sagen, stell dich mal hier mit in den Laden rein und bedien die Leute. Und dann stehe ich im Laden meiner Mutter und gebe die Wäsche raus und krieg ein ganz anderes Leben mit als das, was ich hier in der Stadt und auf der Bühne lebe. Und das tut mir gut. Alles was eine Gegenseite hat."

Ihre Mutter hat eine Wäscherei, der Vater ist Heizungsinstallateur. Für die Eltern war es anfangs schwer, zu akzeptieren, dass die Tochter keine bodenständige Arbeit lernte. Brigitte Hobmeier hatte die Schauspielerei ja selbst als Traumgespinst abgetan. Als sie dann an der Essener Folkwang Hochschule die Aufnahmeprüfung bestand, konnte sie sich erst nicht richtig freuen.

"Ich weiß eben noch, als mein Name fiel, bei den Bewerbern. Und die, die genommen wurden, haben alle aufgeschrien und die Hände hochgerissen. Ich hab meine Hände über den Kopf geschlagen und gedacht, o mein Gott, wie sage ich das meinen Eltern."

Als Brigitte Hobmeier nach der Schauspielschule ihr erstes Engagement bekam, bei Peter Stein, waren die Eltern beruhigter. Peter Stein, den Namen kannten sie. Ihre Tochter würde also nicht kellnern müssen.

Brigitte Hobmeier strengte sich an. Wollte beweisen, dass sie auch als Schauspielerin selbständig sein kann. Nachdem sie mit Peter Steins Faust-Ensemble sie zwei Jahre lang durch die Lande reiste, kam sie nach München ans Volkstheater. Vor zweieinhalb Jahren wechselte sie an die Kammerspiele.

"Wo ich so gemerkt habe, oh, jetzt ist etwas eingespielt, ich brauche eine Veränderung, sonst stagniert etwas. Und das war mein Bedürfnis, nicht auf mir selber so sitzen zu bleiben."

Die Extreme zwischen einem "geerdeten” Leben mit Familie auf dem Land und dem Leben in der Theaterwelt braucht Brigitte Hobmeier. Eine Zerrissenheit, die sich sich in vielen ihrer Rollen wiederfindet: Mädchen, die zu Frauen werden, zwischen Träumen und sozialer Kälte. Und sie will immer wieder eintauchen in die extremen Gefühlswelten ihrer Rollen.

"Penthesilea, der Figur würde ich gerne mal begegnen. In ihrer Gleichzeitigkeit von Liebe und Aggression. Diese beiden großen Gefühle. Wut, Hass und Liebe. Und dann, alles, was ein paar mehr Schichten hat, was die Oberfläche scheint."