Rabbiner warnt vor Eiszeit zwischen Katholiken und Juden

Moderation: Liane von Billerbeck · 20.03.2008
Der Rabbiner Walter Homolka hat vor einer drohenden Eiszeit zwischen katholischer Kirche und jüdischer Weltgemeinschaft gewarnt. Die Ankündigung von Papst Benedikt XVI., in der Karfreitagsfürbitte für die Erleuchtung der Juden zu beten, sodass sie Jesus Christus als Heiland aller Menschen erkennen, wirke auf Menschen jüdischen Glaubens wie Hohn, sagte Homolka.
Liane von Billerbeck: Im Studio ist jetzt der Berliner Rabbiner Walter Homolka. Er ist zudem Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs zur Ausbildung von Rabbinern. Ich grüße Sie!

Walter Homolka: Guten Tag!

von Billerbeck: Papst Benedikt XVI. lässt die lateinische Messe wieder zu nach tridentinischem Ritus, und darin ist in der Karfreitags-Fürbitte folgende Formulierung: "Wir wollen beten für die Juden, dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen." Worin besteht für Sie da der Affront?

Homolka: Ich glaube, es ist für Juden höhnisch, wenn gerade im Umfeld von Karfreitag und Ostern um die Erleuchtung des jüdischen Volkes gebetet wird, denn eigentlich sieht sich das Judentum ja als Licht der Völker in einer Beziehung, in einer unwiderruflichen Berufung der Gottestreue. Und hier wird sozusagen das Mark der jüdischen Glaubensaussage getroffen und das noch in einem Umfeld, wo viel Leid für Juden geschehen ist, wo jüdische Märtyrer über Jahrhunderte hinweg von der Kirche gemacht wurden. Das ist für uns nicht hinnehmbar.

von Billerbeck: Sehen Sie in dieser Formulierung auch so ein bisschen die Aufforderung, Juden zu missionieren, nach dem Motto, wir Katholiken zeigen Euch, wie es richtig geht?

Homolka: Ja, das würde ich so sehen. Ich sehe das vor allem auch daran, dass man ja schon die Folgen dieser Karfreitags-Fürbitte im Internet sehr deutlich sehen kann. Es ist als Signal verstanden worden, man könne nun wieder Halali blasen auf Juden, und Juden seien ja auch Menschen, so war eine Überschrift, und deswegen müssten alle Menschen ja von Christi Botschaft erreicht werden. Wir hatten hier bereits einen anderen Sachstand mit der katholischen Kirche erreicht, dass nämlich das Nein des Judentums zur Messianität Jesu auch als Treue zur Heiligen Schrift und Treue zu Gottes Bund verstanden werden muss. Offensichtlich ist das nicht mehr der aktuelle Diskussionsstand.

von Billerbeck: Diese Wiederzulassung der lateinischen Messe ist ja auch Teil der Bemühungen des Papstes, sagen wir mal, die erzkonservativen Katholiken wieder stärker an die Kirche zu binden. Wie schätzen Sie diese Versuche ein? Geschieht da etwas auf Kosten des Dialogs mit anderen Religionen?

Homolka: Nun, ich sehe zumindest, dass es nicht von Erfolg gekrönt ist. Denn auch hier sehe ich schon Aussagen der Kreise um die Piusbruderschaft und der Anhänger Lefèvres, die gesagt haben, sie denken gar nicht daran, diese Neuformulierung zu benutzen. Das ist denen viel zu wenig scharf, und sie werden selbstverständlich die Originalfassung des tridentinischen Ritus beten. Warum der Papst dann nicht die Möglichkeit gewählt hat, die gültige Form, mit der ja jeder einverstanden war im Ritus, auch für den tridentinischen Ritus vorzuschreiben, ist mir ein Rätsel, stattdessen eine Verschlimmbesserung, die wirklich uns zutreiben lässt auf eine Eiszeit zwischen katholischer Kirche und der jüdischen Weltgemeinschaft.

von Billerbeck: Warum meinen Sie, nimmt der Papst dieses Desaster in Kauf?

Homolka: Tja, offensichtlich hat er seine Prioritäten etwas anders gesetzt, als wir alle gehofft haben. Es ist mir eigentlich ein Rätsel, und ich harre auch auf die Erläuterung, die der Vatikan ja versprochen hat. Wir haben allerdings vor Karfreitag wohl keine Chance mehr, die Erläuterungen zu lesen. Die waren an sich für 18. März zugesagt. Nun soll erst nach Ostern ein Statement kommen. Auch das finde ich kommunikatorisch wie auch diplomatisch äußerst ungeschickt.

von Billerbeck: Die italienische Rabbiner-Vereinigung, die hat bereits angekündigt, wegen dieser Passage in den lateinischen Karfreitags-Fürbitten den Dialog mit der katholischen Kirche abzubrechen. Wie wird das in Deutschland gehandhabt?

Homolka: Man sprach da in Italien von einer Denkpause. Das halte ich für einen guten Begriff. In Deutschland hat das Furore gemacht, das muss man sehen. Auch eine Stellungnahme des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat den Papst ja eindringlich gebeten, diese Wendung noch einmal zu überdenken. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass der Papst sich alle drei Wochen was anderes überlegt. Insofern werden wir mit dieser Formulierung leben müssen. Und in der Tat stellt sich dann die Frage, wie dieser Dialog weitergeht. Es haben ja diese Woche wieder zwei jüdische Mitglieder, Mitarbeiter am Katholikentag, ihre Teilnahme abgesagt. Das heißt, man sieht eine schleichende Erosion der Bereitschaft von Juden, sich für diesen Dialog noch zu engagieren.

von Billerbeck: Sie selbst haben auch angekündigt, nicht zum diesjährigen Katholikentag zu fahren nach Osnabrück. Nun wird aber der Katholikentag nicht von der Amtskirche veranstaltet, sondern von katholischen Laienorganisationen. Und die stehen diesen Maßnahmen des Papstes meistens sehr, sehr kritisch gegenüber. Treffen Sie mit Ihrer Absage da nicht die Falschen?

Homolka: Ich glaube, es ist wirklich fatal, immer zwischen den Katholiken, den Gläubigen auf der einen Seite und der Amtskirche zu unterscheiden. Die katholische Kirche ist eine episkopal verfasste Kirche, die von oben geleitet wird. Und wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche eine solche Äußerung tut und damit das Verhältnis so verschlechtert, ist für mich die Vertrauensbasis nicht mehr gegeben, etwa im Rahmen einer Bibelarbeit über neutestamentliche Texte mich auszulassen, wenn ich weiß, dass diese Kirche, vielleicht nicht jeder mir nun Gegenübersitzende im Publikum, aber wenn diese Kirche implizit die Judenmission unterstützt.

Das ist übrigens auch eine Frage der Gleichberechtigung. Es gab vor mehreren Jahren auf dem Stuttgarter Kirchentag die Entscheidung von Rabbinern, daran nicht teilzunehmen, und damals waren nur auf dem Markt der Möglichkeiten ein Stand einer judenmissionarischen Gruppe. Dann kann ich also nicht beim Katholikentag sagen, wo der Papst nun den Hammer schlechthin bringt, ja, da gehe ich hin. Man muss schon auch eine gewisse Parität hier walten lassen, und ich muss auch sagen, ich hab gar keine innere Lust dahinzugehen. Ich muss wirklich sagen, da habe ich was Besseres zu tun jetzt.

von Billerbeck: Bisher hat der Papst trotz der Kritik ja nicht umgesteuert. Sie haben auch gesagt, er ist nicht der Typ, der alle drei Wochen was anderes sagt. Er hat höchstens jemanden vorgeschickt, der von Missverständnissen gesprochen hat. Man ist aber bei diesem Gebet geblieben. Was werden Sie nun weiter unternehmen, wenn Rom sich da nicht ändert und nicht zurückrudert?

Homolka: Die nachhaltige Irritation bleibt. Wir werden auch an unserem Anspruch festhalten, dass der Bund des jüdischen Volkes mit Gott ungebrochen ist und auch keines Updates sozusagen bedarf. Aber wir werden natürlich das Gespräch nicht abbrechen lassen. Ich werde mit meinen Rabbinerstudenten schon im Herbst den Erzbischof von Lublin besuchen, und wir werden da Gespräche führen. Ob die natürlich weiter in diesem Einklang passieren wie früher, das weiß ich nicht. Ich glaube, man muss da wieder einen Schritt zurückgehen und sagen, ah, vielleicht haben wir uns da doch getäuscht im Partner, mal ein bisschen vorsichtiger sein.

von Billerbeck: Der Papst ist mit einer antijüdischen Karfreitags-Fürbitte wieder auf dem Kreuzzug. Wir sprachen mit dem Berliner Rabbiner Walter Homolka. Ich danke Ihnen.

Homolka: Dankeschön.
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