R wie Revolution

    Von Jürgen Liebing · 13.05.2013
    Am 5. Mai 1849 bestieg Richard Wagner den Turm der Kreuzkirche zu Dresden, um von dort die Aufständischen zu warnen, wenn sich die preußischen Truppen näherten. Doch der politische Umsturz blieb nur eine Episode in seinem Leben.
    "Sehen wir hinaus über die Länder und Völker, so erkennen wir überall durch ganz Europa das Gären einer gewaltigen Bewegung, deren erste Schwingungen uns bereits erfasst haben, deren volle Wucht bald über uns hereinzubrechen droht."

    Das klingt ganz nach dem Beginn des Kommunistischen Manifests:

    "Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus."

    Richard Wagner hat diesen Text unter dem Titel "Die Revolution" anonym in August Röckels "Volksblättern" am 8. April 1849 veröffentlicht. Mit großem Pathos wird hier von ihm der bevorstehende Untergang der alten Welt gefeiert und die "erhabene Göttin Revolution" besungen als "ewig verjüngende Mutter der Menschheit, vernichtend und beseligend zugleich."

    Bereits zwei Jahre zuvor schrieb Wagner in einem Brief:

    "Hier ist ein Damm zu durchbrechen und das Mittel heißt: Revolution!"

    Anfang Mai 1849 war es in Dresden dann soweit. Das Volk probte den Aufstand, und der sächsische König floh mit seinem Kabinett auf die Feste Königstein, wo später die verurteilten Revolutionäre für Jahre eingekerkert werden sollten. Übrigens, Richard Wagner wollte dem König nichts Böses, er wollte sogar, dass der König "der erste und allerechteste Republikaner" sein sollte.

    Die ängstliche Gattin Minna warnte den Ehemann, sich an der Revolution zu beteiligen, weil sie – nicht zu Unrecht – fürchtete, er könne damit die Stelle als "Königlich Sächsischer Hofkapellmeister" verlieren. Aber Wagner ließ sich nicht abhalten. Am 5. Mai 1849 bestieg er den Turm der Kreuzkirche zu Dresden, um von dort die Aufständischen zu warnen, wenn sich die preußischen Truppen näherten, die der sächsische König zur Verstärkung herbeigerufen hatte. Es kommt, wie es kommen musste: Der Aufstand wird niedergeschlagen, viele Aufständische werden verhaftet, darunter auch der russische Anarchist Michail Bakunin, mit dem Wagner einen intensiven Gedankenaustausch gepflegt hatte. Wagner hatte Glück und konnte entkommen. Freilich wird er anschließend steckbrieflich gesucht.

    "Richard Wagner von hier ist wegen wesentlicher Theilnahme an der in hiesiger Stadt stattgefundenen aufrührerischen Bewegung zur Untersuchung zu ziehen, zur Zeit aber nicht zu erlangen gewesen. Es werden daher alle Polizeibehörden auf denselben aufmerksam gemacht und ersucht, Wagner im Betretungsfalle zu verhaften und davon uns schleunigst Nachricht zu ertheilen."

    Manche Biografen meinen, die Revolution sei nur eine Episode in Richard Wagners Leben gewesen, und natürlich hat er selbst später das Seinige zu dieser Ansicht beigetragen. Aber so einfach ist es nicht. In einem Brief vom 12. November 1851 an den Freund Theodor Uhlig in Dresden schreibt er aus der Schweiz über seinen "Ring des Nibelungen":

    "An eine Aufführung kann ich erst nach der Revolution denken: erst die Revolution kann mir die künstler und die Zuhörer zuführen. Die nächste Revolution muß nothwendig unsrer ganzen theaterwirthschaft das Ende bringen: sie müssen und werden alle zusammenbrechen, dies ist unausbleiblich. Aus den trümmern rufe ich mir dann zusammen, was ich brauche: ich werde, was ich bedarf, dann finden. Am Rheine schlage ich dann ein theater auf, und lade zu einem großen dramatischen feste ein: nach einem jahre vorbereitung führe ich dann im laufe von vier tagen mein ganzes werk auf: mit ihm gebe ich den menschen der Revolution dann die bedeutung dieser Revolution, nach ihrem edelsten sinne, zu erkennen. Dieses publikum wird mich verstehen: das jetzige kann es nicht."