Quelle-Pleite bedroht auch Zulieferbetriebe
Roland Fleck, Stadtrat für Wirtschaft in Nürnberg, befürchtet, dass im Zuge der Quelle-Abwicklung auch zahlreiche Arbeitsplätze bei Zulieferern verloren gehen könnten - und kritisiert den Ablauf der Insolvenz als "ungewöhnlich".
Gabi Wuttke: Die Arbeitsagentur hat eine Außenstelle in Nürnberg für die Quelle-Mitarbeiter errichtet. 1240 von ihnen müssen, so berichtet die Gewerkschaft nach einem Treffen mit der Insolvenzverwaltung, Anfang November gehen, knapp 6000 dürfen noch den Ausverkauf des Versandhandels abwickeln. Die Stadt Nürnberg schaltete gestern eine Hotline für die Quelle-Zuliefererbetriebe. Am Telefon ist jetzt Roland Fleck, Stadtrat und Wirtschaftsreferent. Guten Morgen, Herr Fleck.
Roland Fleck: Guten Morgen, Frau Wuttke.
Wuttke: Wonach fragen die Mittelständler bei der Stadt Nürnberg nach?
Fleck: Zunächst mal ist es in der Tat so, dass wir davon ausgehen müssen, dass eine ganze Reihe von kleinen und mittleren Betrieben jetzt in Schwierigkeiten kommen, und die ersten haben sich bereits in den vergangenen Tagen vor der Hotline an uns gewandt, gestern dann auch die ersten drei mit Bezug auf die neue Hotline.
Es gibt natürlich A die Sorge, wenn große Auftragsvolumina wegbrechen, dass dann überhaupt die Existenz gefährdet ist. Es gibt natürlich auch Betriebe, die beispielsweise nur 10, 15 oder 20 Prozent Umsatzanteil mit der Quelle hatten. Bei denen geht es dann darum, ganz schnell und ganz kurzfristig Liquiditätsbrücken zu bauen, um einfach eine Chance zu geben, das Unternehmen ein Stück weit umzustrukturieren und neue Kunden zu finden.
Wuttke: Können Sie da helfen?
Fleck: Da können wir in der Tat nicht in jedem Fall helfen, das wäre zu viel versprochen, aber wir sind in einer sehr engen Zusammenarbeit und Kooperation beispielsweise mit der LFA, der bayerischen Landesförderbank, natürlich mit den Kreditinstituten vor Ort, und drängen natürlich allenthalben jeweils darauf, dass man, wenn es irgendwie verantwortbar ist, tatsächlich solche Brückenfinanzierungen baut, weil meistens sind es dann doch kleine Betriebe, mittlere Betriebe, die oft jahrzehntelang selbständig sind oder gar schon mehrere Generationen in einem handwerksähnlichen Betrieb aktiv waren, und wenn die dann durch eine solche Einzelsituation wie Quelle sozusagen aufhören müssten, wäre das jammerschade.
Deswegen ist es klar: wenn das Produkt in Ordnung ist, wenn das Produkt des Unternehmens Marktchancen hat, dann müssen wir alles daran setzen, dass es auch mit kleinerer Mannschaft weitergehen kann.
Wuttke: Was schätzen Sie denn, wie viele Arbeitsplätze bei den Zulieferern fallen könnten? Ver.di spricht derzeit von etwas mehr als 700.
Fleck: Wir haben nach unseren Erkenntnissen im Stadt- und im regionalen Bereich von Nürnberg einige Hundert Betriebe, die mit der Quelle mehr oder weniger Geschäfte gemacht haben. Nach den ersten Schätzungen, die meine Leute vorgenommen haben, rechne ich schon mit einer vierstelligen Zahl, also 1000 Arbeitsplätze und mehr, die auch da noch mal gefährdet sind.
Wuttke: Nach Grundig und AEG nun in Mittelfranken die Quelle-Pleite. Sind diese zugrunde gegangenen Traditionsunternehmen in der Form, wie die Pleite zustande kam, miteinander vergleichbar?
Fleck: Eigentlich überhaupt nicht, denn bei Grundig war es tatsächlich so, das war die bisher mächtigste Herausforderung. Da hatten wir in Nürnberg/Fürth in der Hochzeit 40.000 Arbeitsplätze und mussten die abbauen auf 400. Allerdings hatte man dazu in der Summe 20 Jahre Zeit. Da war es aber in erster Linie ein Technologieproblem und ein unternehmensstrategisches Problem, weil der gute Max Grundig seinerzeit an Philipps verkauft hat und Philipps offenkundig kein Interesse hatte, die Marke Grundig weiter erfolgreich am Markt zu halten.
Das war also eher ein unternehmensstrategisches Problem, und dann kamen weitere hinzu. Bei AEG war es völlig anders. AEG ist ja nach wie vor am Markt mit den Produkten, mit den Waschmaschinen, mit den Geschirrspülern. Nur hat der Elektrolux-Konzern in Stockholm halt schlichtweg im Zuge einer globalen Strategie entschieden, dass nicht mehr in Deutschland, nicht mehr in Nürnberg diese Geräte produziert werden, sondern in Polen. Das heißt, das war eine einfache Verlagerung. Das heißt, die Produkte gibt es nach wie vor. Und jetzt bei Quelle, da haben wir jetzt die Situation, dass nach allen Einschätzungen natürlich in den letzten 10 Jahren Minimum schon eine Vielzahl von Management-Fehlern gemacht wurden.
Ich habe das selber auch mitbekommen. Mal hat man gesagt, man muss den Katalog abschaffen und sich völlig anders vertriebstechnisch aufstellen. Die nächste Manager-Generation hat dann wieder gesagt, nein, um Gottes Willen, der Katalog muss bleiben. Da ist unheimlich viel Zeit auch verspielt worden, währenddessen der Markt sich ganz Stark Richtung E-Commerce entwickelt hat.
Wuttke: Nun steht aber der Insolvenzverwalter gerade in der Kritik, und zwar nicht nur bei den Gewerkschaften. Haben Sie auch den Eindruck, dass ihm ein Plan B für Quelle gefehlt hat?
Fleck: Die Zusammenarbeitskultur mit dem Insolvenzverwalter wird sicher noch, wenn das alles abgeschlossen ist, noch einer weiteren Aufarbeitung bedürfen.
Wuttke: Es war also schwierig?
Fleck: Das ist ausbaufähig. Auf der anderen Seite ist im Moment klar und auch für uns erkennbar, dass ein Plan B unmittelbar nicht vorliegt. Das ist richtig. Auf der anderen Seite gilt jetzt im Moment aus meiner Sicht jedenfalls, aus unserer Sicht der Stadt Nürnberg, nicht eine Auseinandersetzung zu führen mit dem Insolvenzverwalter, sondern alles daran zu setzen, dass zumindest Teile des Unternehmens mit bestimmten Produktsortimenten trotzdem mit neuen Interessenten noch gerettet werden können und damit die Arbeitsplätze, die daran hängen.
Wuttke: Klaus Hubert Görg, dieser Insolvenzverwalter, ist ja für den ganzen Arcandor-Konzern zuständig und, so weit ich weiß, hat Nürnberg noch eine Karstadt-Filiale. Wird Ihnen da Angst und Bange?
Fleck: Wir haben in Nürnberg sogar zwei Karstadt-Niederlassungen, ein großes City-Haus, ein ganz großes, das zu den umsatzstärksten der Karstadt-Gruppe überhaupt mit gehört, und eines im Nürnberger Süden, in Langwasser, ein etwas kleineres. Ich sage mal aus meiner Wahrnehmung, unsere Karstadt-Häuser sind sehr gut im Markt platziert. Ich bin da vergleichsweise optimistisch, dass unter welchem Dach auch immer diese beiden Häuser eine Zukunftschance haben werden. Allerdings bedarf es dazu jetzt natürlich einer wirklich auch professionellen Vorgehensweise jetzt, und ich hoffe schon, dass es Görg gelingt, diesen Prozess so zu steuern, dass eigentlich im Markt gut funktionierende Häuser dabei nicht gefährdet werden.
Wuttke: Aber Sie würden ihn schon mal darauf hinweisen, dass das nicht so laufen sollte wie bei Quelle?
Fleck: Ja, selbstverständlich! Davon gehen wir aus. Wir haben natürlich auch mit Görg letzte Woche ein Gespräch geführt, der Oberbürgermeister und ich gemeinsam. Wir sind in Kontakt mit der Insolvenzverwaltung, mit ihm, mit Dr. Nerlich und anderen in dem Haus. Aber es ist tatsächlich einer der Insolvenzprozesse und eines der Insolvenzverfahren, wie es nach meinem Erfahrungsschatz – und das sind jetzt schon gut zwölf Jahre – eher ungewöhnlich abgelaufen ist.
Wuttke: Nach der Quelle-Pleite im Interview in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Roland Fleck, Stadtrat und Wirtschaftsreferent in Nürnberg. Herr Fleck, vielen Dank!
Fleck: Herzlich danke! Einen schönen Tag.
Roland Fleck: Guten Morgen, Frau Wuttke.
Wuttke: Wonach fragen die Mittelständler bei der Stadt Nürnberg nach?
Fleck: Zunächst mal ist es in der Tat so, dass wir davon ausgehen müssen, dass eine ganze Reihe von kleinen und mittleren Betrieben jetzt in Schwierigkeiten kommen, und die ersten haben sich bereits in den vergangenen Tagen vor der Hotline an uns gewandt, gestern dann auch die ersten drei mit Bezug auf die neue Hotline.
Es gibt natürlich A die Sorge, wenn große Auftragsvolumina wegbrechen, dass dann überhaupt die Existenz gefährdet ist. Es gibt natürlich auch Betriebe, die beispielsweise nur 10, 15 oder 20 Prozent Umsatzanteil mit der Quelle hatten. Bei denen geht es dann darum, ganz schnell und ganz kurzfristig Liquiditätsbrücken zu bauen, um einfach eine Chance zu geben, das Unternehmen ein Stück weit umzustrukturieren und neue Kunden zu finden.
Wuttke: Können Sie da helfen?
Fleck: Da können wir in der Tat nicht in jedem Fall helfen, das wäre zu viel versprochen, aber wir sind in einer sehr engen Zusammenarbeit und Kooperation beispielsweise mit der LFA, der bayerischen Landesförderbank, natürlich mit den Kreditinstituten vor Ort, und drängen natürlich allenthalben jeweils darauf, dass man, wenn es irgendwie verantwortbar ist, tatsächlich solche Brückenfinanzierungen baut, weil meistens sind es dann doch kleine Betriebe, mittlere Betriebe, die oft jahrzehntelang selbständig sind oder gar schon mehrere Generationen in einem handwerksähnlichen Betrieb aktiv waren, und wenn die dann durch eine solche Einzelsituation wie Quelle sozusagen aufhören müssten, wäre das jammerschade.
Deswegen ist es klar: wenn das Produkt in Ordnung ist, wenn das Produkt des Unternehmens Marktchancen hat, dann müssen wir alles daran setzen, dass es auch mit kleinerer Mannschaft weitergehen kann.
Wuttke: Was schätzen Sie denn, wie viele Arbeitsplätze bei den Zulieferern fallen könnten? Ver.di spricht derzeit von etwas mehr als 700.
Fleck: Wir haben nach unseren Erkenntnissen im Stadt- und im regionalen Bereich von Nürnberg einige Hundert Betriebe, die mit der Quelle mehr oder weniger Geschäfte gemacht haben. Nach den ersten Schätzungen, die meine Leute vorgenommen haben, rechne ich schon mit einer vierstelligen Zahl, also 1000 Arbeitsplätze und mehr, die auch da noch mal gefährdet sind.
Wuttke: Nach Grundig und AEG nun in Mittelfranken die Quelle-Pleite. Sind diese zugrunde gegangenen Traditionsunternehmen in der Form, wie die Pleite zustande kam, miteinander vergleichbar?
Fleck: Eigentlich überhaupt nicht, denn bei Grundig war es tatsächlich so, das war die bisher mächtigste Herausforderung. Da hatten wir in Nürnberg/Fürth in der Hochzeit 40.000 Arbeitsplätze und mussten die abbauen auf 400. Allerdings hatte man dazu in der Summe 20 Jahre Zeit. Da war es aber in erster Linie ein Technologieproblem und ein unternehmensstrategisches Problem, weil der gute Max Grundig seinerzeit an Philipps verkauft hat und Philipps offenkundig kein Interesse hatte, die Marke Grundig weiter erfolgreich am Markt zu halten.
Das war also eher ein unternehmensstrategisches Problem, und dann kamen weitere hinzu. Bei AEG war es völlig anders. AEG ist ja nach wie vor am Markt mit den Produkten, mit den Waschmaschinen, mit den Geschirrspülern. Nur hat der Elektrolux-Konzern in Stockholm halt schlichtweg im Zuge einer globalen Strategie entschieden, dass nicht mehr in Deutschland, nicht mehr in Nürnberg diese Geräte produziert werden, sondern in Polen. Das heißt, das war eine einfache Verlagerung. Das heißt, die Produkte gibt es nach wie vor. Und jetzt bei Quelle, da haben wir jetzt die Situation, dass nach allen Einschätzungen natürlich in den letzten 10 Jahren Minimum schon eine Vielzahl von Management-Fehlern gemacht wurden.
Ich habe das selber auch mitbekommen. Mal hat man gesagt, man muss den Katalog abschaffen und sich völlig anders vertriebstechnisch aufstellen. Die nächste Manager-Generation hat dann wieder gesagt, nein, um Gottes Willen, der Katalog muss bleiben. Da ist unheimlich viel Zeit auch verspielt worden, währenddessen der Markt sich ganz Stark Richtung E-Commerce entwickelt hat.
Wuttke: Nun steht aber der Insolvenzverwalter gerade in der Kritik, und zwar nicht nur bei den Gewerkschaften. Haben Sie auch den Eindruck, dass ihm ein Plan B für Quelle gefehlt hat?
Fleck: Die Zusammenarbeitskultur mit dem Insolvenzverwalter wird sicher noch, wenn das alles abgeschlossen ist, noch einer weiteren Aufarbeitung bedürfen.
Wuttke: Es war also schwierig?
Fleck: Das ist ausbaufähig. Auf der anderen Seite ist im Moment klar und auch für uns erkennbar, dass ein Plan B unmittelbar nicht vorliegt. Das ist richtig. Auf der anderen Seite gilt jetzt im Moment aus meiner Sicht jedenfalls, aus unserer Sicht der Stadt Nürnberg, nicht eine Auseinandersetzung zu führen mit dem Insolvenzverwalter, sondern alles daran zu setzen, dass zumindest Teile des Unternehmens mit bestimmten Produktsortimenten trotzdem mit neuen Interessenten noch gerettet werden können und damit die Arbeitsplätze, die daran hängen.
Wuttke: Klaus Hubert Görg, dieser Insolvenzverwalter, ist ja für den ganzen Arcandor-Konzern zuständig und, so weit ich weiß, hat Nürnberg noch eine Karstadt-Filiale. Wird Ihnen da Angst und Bange?
Fleck: Wir haben in Nürnberg sogar zwei Karstadt-Niederlassungen, ein großes City-Haus, ein ganz großes, das zu den umsatzstärksten der Karstadt-Gruppe überhaupt mit gehört, und eines im Nürnberger Süden, in Langwasser, ein etwas kleineres. Ich sage mal aus meiner Wahrnehmung, unsere Karstadt-Häuser sind sehr gut im Markt platziert. Ich bin da vergleichsweise optimistisch, dass unter welchem Dach auch immer diese beiden Häuser eine Zukunftschance haben werden. Allerdings bedarf es dazu jetzt natürlich einer wirklich auch professionellen Vorgehensweise jetzt, und ich hoffe schon, dass es Görg gelingt, diesen Prozess so zu steuern, dass eigentlich im Markt gut funktionierende Häuser dabei nicht gefährdet werden.
Wuttke: Aber Sie würden ihn schon mal darauf hinweisen, dass das nicht so laufen sollte wie bei Quelle?
Fleck: Ja, selbstverständlich! Davon gehen wir aus. Wir haben natürlich auch mit Görg letzte Woche ein Gespräch geführt, der Oberbürgermeister und ich gemeinsam. Wir sind in Kontakt mit der Insolvenzverwaltung, mit ihm, mit Dr. Nerlich und anderen in dem Haus. Aber es ist tatsächlich einer der Insolvenzprozesse und eines der Insolvenzverfahren, wie es nach meinem Erfahrungsschatz – und das sind jetzt schon gut zwölf Jahre – eher ungewöhnlich abgelaufen ist.
Wuttke: Nach der Quelle-Pleite im Interview in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Roland Fleck, Stadtrat und Wirtschaftsreferent in Nürnberg. Herr Fleck, vielen Dank!
Fleck: Herzlich danke! Einen schönen Tag.