Quelle-Betriebsrat kritisiert Regierung
In der Debatte um die Zukunft von Quelle hat der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Unternehmens ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert. Quelle gerate zunehmend in die „Mühlen des Wahlkampfs“, sagte Ernst Sindel.
Jörg Degenhardt: Die Hoffnung hat 1346 Seiten – so stark ist der Herbst-Winter-Katalog von Quelle. Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer hat schon einen, als Dankeschön gewissermaßen. Er hat sich gestern im Quelle-Vertriebszentrum in Nürnberg als Mutmacher für die verunsicherten Mitarbeiter des insolventen Versandhauses betätigt. Der Freistaat werde in jedem Falle zu seiner Kreditzusage in Höhe von 21 Millionen Euro für das Traditionshaus stehen, aber das allein wird nicht reichen, auch aus Berlin wird fest mit Unterstützung gerechnet. Am Telefon ist der Quelle-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ernst Sindel. Guten Morgen, Herr Sindel!
Ernst Sindel: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Der neue Katalog wird heute ausgeliefert, die Druckereien und der DHL-Versand gehen auf eigenes Risiko in Vorleistung, denn mit Geld sei frühestens nächste Woche zu rechnen. Können Sie jetzt, wenn auch nur kurz, zumindest einmal durchatmen?
Sindel: Wir können in der Tat durchatmen, aber auch, wie Sie es beschreiben, nur kurz, weil es ein unheimliches gutes Gefühl ist, dass sowohl die Druckereien als auch die DHL jetzt trotz allem an uns glauben, und es sind im Moment, es ist schon eigentlich, dass ausgerechnet die Politiker, die jetzt am Zuge sind und seit längerer Zeit am Zuge sind, das offensichtlich nicht tun.
Degenhardt: Aus Berlin ganz konkret wird Geld erwartet von der Bundesregierung, aber der Bund will noch Sicherheiten für einen sogenannten Massekredit prüfen. Ein Massekredit ist ein in Insolvenzverfahren übliches Instrument, um ein Unternehmen zu nicht zahlungsfähig zu halten. Haben Sie denn, Herr Sindel, Zweifel, dass Berlin wirklich helfen will?
Sindel: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube schon, dass Berlin in der Tat schon helfen will, aber jetzt beginnt ein Gerangel, wer letztlich offensichtlich der Retter sein will. Man hat das Gefühl zunehmend, dass die bayrische Staatsregierung, die ja von Anfang an zu einer konsequenten Hilfe gestanden ist und auch sich in Zahlen sehr frühzeitig festgelegt hat, dass man das offensichtlich etwas verzögern will, so nach dem Motto: Denen zeige ich schon, wer jetzt hier das Sagen hat. Wir kriegen so dieses Gefühl jetzt, dass wir so zunehmend in die Mühlen des Wahlkampfs geraten, aber das hat im Moment für mich seit ungefähr 24 Stunden oder nicht mal ganz 24 Stunden, ich mach mal eher so die letzten zwölf Stunden fest, mein letzter Kenntnisstand ist um 22 Uhr von gestern Abend, dass Fahrenschon und Guttenberg in München sich offensichtlich jetzt zu dem ganzen Thema auch konsequent bekennen. Also Guttenberg scheint auch einzulenken und hat natürlich, wird nicht die Zustimmung jetzt so geben, wie ich das formuliere, aber er stellt sich zumindest nicht in den Weg. So habe ich das vernommen gestern. Und jetzt ist seit eben gestern Abend 17 Uhr bei Steinbrück das Ganze gelandet zu einer Prüfung, der eine externe Prüfungsfirma einschalten will. Und das bedeutet für uns, dass das offensichtlich jetzt dann übers Wochenende sich noch mal hinzieht. Deswegen bin ich heilfroh, dass DHL und die Druckerei da konsequent und unbeirrt weitergearbeitet haben, das ist dann schon mal der eine Weg, dass der Katalog auch rausgeht. Aber jetzt wird’s heftig, finde ich, weil das nicht mehr nachvollziehbar ist, dass wir bei 15 Millionen, die fehlen – es ist ja Masse vorhanden und die ist vom Insolvenzverwalter auch abgezeichnet – da gehen alle in die Vorlage, nur unser Finanzminister nicht.
Degenhardt: Sie haben schon – Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche, Herr Sindel –, Sie haben schon Herrn Fahrenschon erwähnt, das ist der bayrische Finanzminister. Wenn der Bund jetzt erst mal nicht zahlen will, und die Zeit drängt ja auch, sollte dann vielleicht die bayrische Staatsregierung auch diesen Teil übernehmen? Denn – Sie haben es schon angedeutet – es geht ja um eine vergleichsweise kleine Summe, wir reden hier von Millionen – und nicht, wie in anderen Fällen, von Milliarden-Bürgschaften.
Sindel: Also wir werden auch heute noch unbeirrt davon weiter alles ausloten. Wir müssen konsequent dran bleiben, auch wenn’s manchmal schwerfällt, noch zu glauben, dass gerade aus dem Finanzministerium noch richtig Hilfe gemeint ist. Ich verstehe eines nicht: Wir sind konsequente, wir sind gute Steuerzahler, rund 8000 Menschen, die hier ihre Steuern brav entrichten, nicht wie andere Firmen, die dann die Steuern ins Ausland entrichtet haben…
Degenhardt: Aber noch mal, Entschuldigung die Frage, sollten dann die Bayern nicht allein diese Summe stellen?
Sindel: Ich weiß es nicht, ob sie es können. Also wir werden natürlich auch in der Richtung noch mal nachfragen und noch mal bitten drum, ob man nicht zumindest eine Zeitlang eine Sicherung bekommt, aber das kann ich hier nicht beantworten. Wir werden auch andere Menschen und Funktionen noch abfragen, ob denn diese 15 Millionen, um die es geht – und es geht ja nur um die Absicherung, man muss sich das mal vorstellen –, ob das nicht doch anderweitig noch möglich wäre mit der Sicherung. Wir werden auf jeden Fall nichts unversucht lassen, dass wir das hinbekommen.
Degenhardt: Die neuen Kataloge, ich sagte es eingangs, die gehen von heute an raus. Wie läuft eigentlich derzeit das Versandgeschäft bei Quelle? Merken Sie schon Auswirkungen dieses ganzen Hin-und-Hers?
Sindel: Ja, wir haben bisher Gott sei Dank nicht das, was normalerweise bei Insolvenzen passiert, riesige Einbrüche und brachiale Einbrüche gehabt. Das Geschäft ist an für sich ganz gut gelaufen, aber jetzt so langsam merken wir schon in den letzten ein, zwei Tagen, dass auch der Kunde zunehmend verunsichert wird. Ist ja auch nicht weiter verwunderlich, dass er sagt, Mensch, da fehlt noch was, hoffentlich bekomme ich meine Ware auch. Ich kann denen allen versichern, die bekommen die Ware. Nur ich kann auch verstehen, dass jetzt eine Verunsicherung einkehrt. Und jetzt beginnt genau das, was normalerweise der Finanzminister gar nicht zulassen darf, dass Masse vernichtet wird. Wenn wir dann eben zunehmend in den Prüfungsmühlen sind, dann wird es sich möglicherweise nicht mehr um 15, sondern vielleicht um 17 Millionen handeln, das muss er einfach wissen. Mir scheint, dass hier das nicht mehr auf der Sachebene läuft, sondern mittlerweile auf ner hohen politischen Schiene, ich hab’s gestern mal so bezeichnet: Wir sind mittlerweile in der Champions League angekommen anscheinend, was Politik anbelangt. Hier muss jetzt eine Entscheidung her. Und was mich wundert, die Kanzlerin lässt sich überhaupt nicht hören und sehen, dass hier mal ein Machtwort gesprochen wird in der Form, das tut schon sehr weh und das werden auch die Mitarbeiter registrieren.
Degenhardt: Der Quelle-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ernst Sindel. Vielen Dank für das Gespräch!
Sindel: Danke!
Ernst Sindel: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Der neue Katalog wird heute ausgeliefert, die Druckereien und der DHL-Versand gehen auf eigenes Risiko in Vorleistung, denn mit Geld sei frühestens nächste Woche zu rechnen. Können Sie jetzt, wenn auch nur kurz, zumindest einmal durchatmen?
Sindel: Wir können in der Tat durchatmen, aber auch, wie Sie es beschreiben, nur kurz, weil es ein unheimliches gutes Gefühl ist, dass sowohl die Druckereien als auch die DHL jetzt trotz allem an uns glauben, und es sind im Moment, es ist schon eigentlich, dass ausgerechnet die Politiker, die jetzt am Zuge sind und seit längerer Zeit am Zuge sind, das offensichtlich nicht tun.
Degenhardt: Aus Berlin ganz konkret wird Geld erwartet von der Bundesregierung, aber der Bund will noch Sicherheiten für einen sogenannten Massekredit prüfen. Ein Massekredit ist ein in Insolvenzverfahren übliches Instrument, um ein Unternehmen zu nicht zahlungsfähig zu halten. Haben Sie denn, Herr Sindel, Zweifel, dass Berlin wirklich helfen will?
Sindel: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube schon, dass Berlin in der Tat schon helfen will, aber jetzt beginnt ein Gerangel, wer letztlich offensichtlich der Retter sein will. Man hat das Gefühl zunehmend, dass die bayrische Staatsregierung, die ja von Anfang an zu einer konsequenten Hilfe gestanden ist und auch sich in Zahlen sehr frühzeitig festgelegt hat, dass man das offensichtlich etwas verzögern will, so nach dem Motto: Denen zeige ich schon, wer jetzt hier das Sagen hat. Wir kriegen so dieses Gefühl jetzt, dass wir so zunehmend in die Mühlen des Wahlkampfs geraten, aber das hat im Moment für mich seit ungefähr 24 Stunden oder nicht mal ganz 24 Stunden, ich mach mal eher so die letzten zwölf Stunden fest, mein letzter Kenntnisstand ist um 22 Uhr von gestern Abend, dass Fahrenschon und Guttenberg in München sich offensichtlich jetzt zu dem ganzen Thema auch konsequent bekennen. Also Guttenberg scheint auch einzulenken und hat natürlich, wird nicht die Zustimmung jetzt so geben, wie ich das formuliere, aber er stellt sich zumindest nicht in den Weg. So habe ich das vernommen gestern. Und jetzt ist seit eben gestern Abend 17 Uhr bei Steinbrück das Ganze gelandet zu einer Prüfung, der eine externe Prüfungsfirma einschalten will. Und das bedeutet für uns, dass das offensichtlich jetzt dann übers Wochenende sich noch mal hinzieht. Deswegen bin ich heilfroh, dass DHL und die Druckerei da konsequent und unbeirrt weitergearbeitet haben, das ist dann schon mal der eine Weg, dass der Katalog auch rausgeht. Aber jetzt wird’s heftig, finde ich, weil das nicht mehr nachvollziehbar ist, dass wir bei 15 Millionen, die fehlen – es ist ja Masse vorhanden und die ist vom Insolvenzverwalter auch abgezeichnet – da gehen alle in die Vorlage, nur unser Finanzminister nicht.
Degenhardt: Sie haben schon – Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche, Herr Sindel –, Sie haben schon Herrn Fahrenschon erwähnt, das ist der bayrische Finanzminister. Wenn der Bund jetzt erst mal nicht zahlen will, und die Zeit drängt ja auch, sollte dann vielleicht die bayrische Staatsregierung auch diesen Teil übernehmen? Denn – Sie haben es schon angedeutet – es geht ja um eine vergleichsweise kleine Summe, wir reden hier von Millionen – und nicht, wie in anderen Fällen, von Milliarden-Bürgschaften.
Sindel: Also wir werden auch heute noch unbeirrt davon weiter alles ausloten. Wir müssen konsequent dran bleiben, auch wenn’s manchmal schwerfällt, noch zu glauben, dass gerade aus dem Finanzministerium noch richtig Hilfe gemeint ist. Ich verstehe eines nicht: Wir sind konsequente, wir sind gute Steuerzahler, rund 8000 Menschen, die hier ihre Steuern brav entrichten, nicht wie andere Firmen, die dann die Steuern ins Ausland entrichtet haben…
Degenhardt: Aber noch mal, Entschuldigung die Frage, sollten dann die Bayern nicht allein diese Summe stellen?
Sindel: Ich weiß es nicht, ob sie es können. Also wir werden natürlich auch in der Richtung noch mal nachfragen und noch mal bitten drum, ob man nicht zumindest eine Zeitlang eine Sicherung bekommt, aber das kann ich hier nicht beantworten. Wir werden auch andere Menschen und Funktionen noch abfragen, ob denn diese 15 Millionen, um die es geht – und es geht ja nur um die Absicherung, man muss sich das mal vorstellen –, ob das nicht doch anderweitig noch möglich wäre mit der Sicherung. Wir werden auf jeden Fall nichts unversucht lassen, dass wir das hinbekommen.
Degenhardt: Die neuen Kataloge, ich sagte es eingangs, die gehen von heute an raus. Wie läuft eigentlich derzeit das Versandgeschäft bei Quelle? Merken Sie schon Auswirkungen dieses ganzen Hin-und-Hers?
Sindel: Ja, wir haben bisher Gott sei Dank nicht das, was normalerweise bei Insolvenzen passiert, riesige Einbrüche und brachiale Einbrüche gehabt. Das Geschäft ist an für sich ganz gut gelaufen, aber jetzt so langsam merken wir schon in den letzten ein, zwei Tagen, dass auch der Kunde zunehmend verunsichert wird. Ist ja auch nicht weiter verwunderlich, dass er sagt, Mensch, da fehlt noch was, hoffentlich bekomme ich meine Ware auch. Ich kann denen allen versichern, die bekommen die Ware. Nur ich kann auch verstehen, dass jetzt eine Verunsicherung einkehrt. Und jetzt beginnt genau das, was normalerweise der Finanzminister gar nicht zulassen darf, dass Masse vernichtet wird. Wenn wir dann eben zunehmend in den Prüfungsmühlen sind, dann wird es sich möglicherweise nicht mehr um 15, sondern vielleicht um 17 Millionen handeln, das muss er einfach wissen. Mir scheint, dass hier das nicht mehr auf der Sachebene läuft, sondern mittlerweile auf ner hohen politischen Schiene, ich hab’s gestern mal so bezeichnet: Wir sind mittlerweile in der Champions League angekommen anscheinend, was Politik anbelangt. Hier muss jetzt eine Entscheidung her. Und was mich wundert, die Kanzlerin lässt sich überhaupt nicht hören und sehen, dass hier mal ein Machtwort gesprochen wird in der Form, das tut schon sehr weh und das werden auch die Mitarbeiter registrieren.
Degenhardt: Der Quelle-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ernst Sindel. Vielen Dank für das Gespräch!
Sindel: Danke!