Queen-Elizabeth-Nationalpark in Uganda

Der Kampf zwischen Bauern und Elefanten

30:08 Minuten
Eine Herde afrikanischer Elefanten im Queen-Elizabeth-Nationalpark in Uganda.
Die Elefanten im Queen-Elizabeth-Nationalpark in Uganda ernähren sich immer seltener vom Savannengras, dafür immer mehr von der Ernte der Bauern. © imago images / Westend61
Von Simone Schlindwein · 26.07.2020
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Der afrikanische Elefant könnte bald aussterben. Naturschutzgebiete sollen das Überleben der Tiere sichern. In Uganda klappt das so gut, dass dort immer seltener die Dickhäuter bedroht sind, dafür immer öfter die Bauern in ihrer Existenz. Verkehrte Welt?
Sobald die Sonne über der afrikanischen Savanne untergeht, macht sich Januaro Twinomuhangi auf den Weg. In Gummistiefeln stapft er den Hang hinunter. Der Schein der Taschenlampe leuchtet ihm den Weg durch die Maisfelder. Der alte Mann ist der Vorsteher des ugandischen Dorfes Katara. Er organisiert die nächtlichen Patrouillen. Hier in Westuganda, am Rande des Queen-Elizabeth-Nationalparks, schlafen die Bauern selten. Sie müssen ihre Ernte vor den Elefanten schützen.
"Sie kommen – man kann sie schon hören. Da knacken Zweige. In einigen Minuten sind sie sicher da."
Twinomuhangi telefoniert mit den Dorfbewohnern. Sie sollen sich beeilen, sagt er. Sein Sohn Andrew Nasasira, der ihn begleitet, nickt. Beide sind in Alarmstimmung. Während der kleine runzlige Mann im Schein der Lampe den Boden nach Spuren absucht, übersetzt sein Sohn.
"Wir sind jetzt auf den Äckern. Sie reichen bis dort an die Grenze des Parks. Hier wachsen Zwiebeln, Nüsse, aber auch Hirse – die mögen die Elefanten besonders gerne. Wir hatten Glück, bislang wurde nichts zerstört. Wenn die Elefanten kommen und wir verscheuchen sie, dann werden sie aggressiv und zertrampeln einfach alles. Hier zum Beispiel sehen wir die abgebrochenen Zweige eines Kaffeestrauchs. Sie können uns auch angreifen. Oft werden Leute verletzt oder sie brechen sich ein Bein, wenn sie davonlaufen."

Elefantenpopulation hat sich in nur zwei Jahren verdoppelt

Im Queen-Elizabeth-Nationalpark hat sich die Elefantenpopulation in nur zwei Jahren verdoppelt: von 2000 auf 4000 Tiere. Das Engagement internationaler Nichtregierungsorganisationen im Kampf gegen den Elfenbeinhandel zeigt Erfolge. Doch für Dorfvorsteher Twinomuhangi ist dies eine Katastrophe. Denn die Elefanten ernähren sich aus bislang unbekannten Gründen immer seltener vom Savannengras, dafür immer mehr von den Erträgen der Bauern.
Der Vollmond geht auf und taucht die Savanne in silbriges Licht. Immer mehr Dorfbewohner kommen den Hügel hinabgestiefelt. Sie tragen Speere, Macheten, Trompeten und Trommeln. Eine Frau schleppt Fackeln und Streichhölzer an. Die Waffen seien zur Selbstverteidigung, erklärt der Dorfvorsteher. Die Instrumente und Fackeln, um die Tiere zu vertreiben.
"Elefanten sind schlaue Tiere. Es ist wie im Krieg, nur zwischen Mensch und Tier. Sie beobachten uns und wir sie. Sie kommen dann, wenn sie sich sicher fühlen."
Zwölf Dorfbewohner hocken am Fuß des Hangs auf einem Felsvorsprung auf der Lauer, lauschen.
"Sie sind da unten."
"Siehst du sie?"
"Sie rennen davon, sie laufen dort hoch!"
"Leuchte mit der Taschenlampe!"
"Sie laufen auf die andere Seite, sie entkommen!"
"Sie sind nicht weit, sie sind hungrig!"
Die Elefanten traben in Richtung Kaffeeplantage. Dorfvorsteher Twinomuhangi spurtet hinterher. Die Kaffeebohnen sind ihre wichtigste Einkommensquelle. Sie verkaufen die Erträge an eine Rösterei, davon bezahlen sie die Schulgebühren für ihre Kinder. Im Schein der Taschenlampe findet Twinomuhangi abgebrochene Zweige und Dung auf der Erde. Doch von den Elefanten ist nichts mehr zu sehen. Er hockt sich gähnend ins Gebüsch. Solange die Ernte nicht eingeholt ist, schläft hier niemand, berichtet er. Die Bauern in dieser Region Ugandas leben am Existenzminimum. Die Geburtenrate ist eine der höchsten der Welt. Viele Familien haben im Schnitt bis zu zehn Kinder. Ihr Ackerland reicht kaum aus, um Überschüsse zu produzieren. Hier, am Rande des Nationalparks, gibt es sowieso nicht genug davon.

Dickhäuter machen sich gern über Kaffeeplantagen her

In dieser Nacht haben die Menschen von Katara Glück, die Herde kommt nicht zurück. Doch am nächsten Morgen finden die Bewohner des Nachbardorfes Bihingo ihre Äcker zertrampelt. Richard Akureeba steht auf seinem Kürbisfeld und guckt betrübt.
"Letzte Nacht habe ich draußen vor meiner Hütte verbracht. Die Elefanten kamen gegen 5.30 Uhr, wie fast jede Nacht. Das sind gefährliche Tiere. In nur zwei Minuten haben sie alle meine Kürbisse gefressen oder zertrampelt. Ich habe Steine geworfen und sie geschlagen. Es waren zwei. Sie sind dann davongerannt. Das Problem ist: Nachts sollten wir eigentlich schlafen, denn wir arbeiten tagsüber sehr hart."
Um ihre Ernte zu schützen, haben die Bewohner von Bihingo mit Unterstützung einer lokalen NGO einen Bienenzaun errichtet. Er steht zwischen Feldern und Nationalpark. Elefanten haben Angst vor Bienen, deswegen wurden entlang der Parkgrenze über hundert Bienenstöcke aufgestellt, die durch einen feinen Draht miteinander verbunden sind. Berührt ein Elefant den Draht, werden die Holzkisten geschüttelt und die Bienen aufgescheucht. In der vergangenen Nacht hat dies aber nicht funktioniert. Akureeba schnappt sich seinen Räucherapparat, der immer griffbereit bei ihm im Hof liegt, und marschiert den Hang hinunter in Richtung Bienenzaun.
Einige Bienen wurden aufgescheucht. Akureeba will nachsehen, wie die Elefanten den Zaun ungehindert überwinden konnten.
"Die Elefanten riechen die Bienenstöcke und fürchten die Bienen. Auch wenn diese viel kleiner sind als die Elefanten. Doch es ist effektiv. Die Elefanten meiden die Bienen, sie marschieren dann den ganzen Weg hier entlang bis zu der Stelle, wo keine Bienenstöcke mehr stehen. Wir und die Nachbardörfer benötigen unbedingt mehr Bienenkisten – wir haben nur einen Kilometer bislang, aber das ist nicht genug".
Ein Mann hält eine Honigwaabe in den Händen.
Die Bienenzäune schützen die Einheimischen nicht nur vor den Elefanten - durch den Honig verdienen sie auch noch Geld hinzu.© Deutschlandradio / Simone Schlindwein
Mit der Imkerei verdient die Gemeinde zudem Geld. Die Erträge aus dem Honigverkauf landen auf einem Gemeinschaftskonto. Davon können die Einheimischen zum Beispiel einen Kredit beantragen, um Gartengeräte oder weitere Bienenstöcke anzuschaffen. Die sind bitter nötig, meint Akureeba. Das Projekt "Bienenzaun" wurde durch internationale Spendengelder finanziert. Doch es läuft jetzt aus. Abgesehen davon profitieren die Bauern hier wenig von dem Wildtiertourismus, klagt Akureeba.

Leute vor Ort verdienen kaum Geld am Wildtiertourismus

"Wenn mein Sohn eine Anstellung im Park hätte, würde ich sagen – gut, die Tiere haben meine Ernte zerstört, aber immerhin hat mein Sohn einen Job! Es wäre echt gut, wenn der Park hier die Leute aus den lokalen Gemeinden anheuern würde. Dann würden wir auch profitieren. Doch hier in unserer Gemeinde wurde niemand angestellt."
Der drahtige Mann marschiert den Bienenzaun entlang. Rechts oberhalb am Hang sieht man Lehmhütten und Maisfelder. Links, unten im Tal erstreckt sich die Savanne mit Büschen und Akazien. Am Ende des Zauns befindet sich eine Baustelle: Ziegelsteine, Holzlatten, Wellbleche. Ein Investor baut hier eine Lodge.
Rund um den Park wurden 5-Sterne Safari-Lodges errichtet. Touristen aus Europa und den USA bezahlen bis zu 360 Dollar pro Nacht. 40 Dollar kostet eine Tageskarte. Der Wildtier-Tourismus ist die größte Einnahmequelle für Ugandas Staatshaushalt, mehr als der Export von Kaffee, Tee, Baumwolle und Gold zusammen.
Laut Gesetz müssen in den noblen Lodges ein Drittel der Angestellten aus den umliegenden Dörfern stammen. Auch die Parkverwaltung ist verpflichtet, einen Teil der Ranger vor Ort anzuheuern. Doch dies geschehe nur selten, so Akureeba.
"Es ist sehr schwer, einen Job im Park zu bekommen. Wenn die Parkchefs aus dem Hauptquartier kommen, dann sehen wir schon an ihren Namen, dass sie nicht von hier sind. Und wenn sie uns dann nicht kennen, dann geben sie dir den Job nicht, selbst wenn man sich bewirbt. Wenn der Bezirksvorsitzende ein gutes Wort einlegt – dann hat man vielleicht eine Chance. Aber hier aus dieser Gegend – niemand."
Inmitten der Baustelle ein Zementblock mit Gravierung, ungefähr einen Meter hoch und tief im Boden verankert: der Grenzstein, den die Parkverwaltung vor 15 Jahren gesetzt hat. Akureeba erinnert sich noch genau.
"Das hier ist der Grenzstein. Er markiert für unsere Gemeinde den Beginn des Nationalparks, auch auf der Karte. Bevor die Geologen der Regierung kamen, lag die unbefestigte Grenze dort unten. Doch die Geologen haben den Grenzstein dann einfach hierher versetzt und auf der Karte die Grenze hier verzeichnet. Diese Grenze ist jetzt also für immer verewigt. Dabei war das einmal das Land unserer Großeltern. Aber jetzt riskieren wir nach den Gesetzen, verhaftet und als Wilderer angeklagt zu werden, wenn wir diese Grenze überqueren. Wir dürfen den Park nur mit Erlaubnis der Parkverwaltung betreten."

Ahnen der Einheimischen wurden zum Ackerbau gezwungen

Britische Kolonialherren gründeten den Nationalpark 1952. Sie haben damals die Gebiete abgesteckt, um nach jahrhundertelanger Jagd auf Elfenbein die letzten noch verbliebenden Elefanten zu retten. Die Briten haben damals schon der lokalen Bevölkerung das Jagen verboten, erzählt Akureeba. Dabei stammen sie von der Banyaruguru-Ethnie, die traditionell Jäger waren.
Unsere Ahnen wurden zum Ackerbau gezwungen und die Jagd unter Strafe gestellt, ärgert sich der alte Bauer. Bis heute sind die Briten die größten Unterstützer für Ugandas Wildschutzgebiete. Der Direktor der Uganda-Wildtier-Stiftung UCF sei ein ehemaliger britischer Elitesoldat mit guten Kontakten zum Königshaus. Er habe entschieden, mehr Geld für die Wilderei-Bekämpfung zu geben – und Gemeindeprojekte wie die Bienenzäune einzustellen.
"Bevor der Park eingegrenzt wurde, sind viele Menschen in den Park gegangen, um Elefanten zu jagen und zu töten. Sie haben das Elfenbein verkauft, um Geld zu machen. Aber wir haben jetzt Gesetze, die das verbieten, und diese sind harsch. Seitdem werden die Elefanten immer mehr und mehr. Heute gehen nur noch wenige jagen. Von 100 Menschen wagen es vielleicht zwei. Die Wildtiere aus dem Park – auch die Elefanten – sind gefährlich für uns. Erst vor vier Tagen war ich auf Patrouille und da kam sogar ein Löwe bis zu uns ins Dorf."
Wer von Bauer Akureebas kleinem Dorf die einzig geteerte Überlandstraße weiterfährt, dem eröffnet sich eine atemberaubende Landschaft: der sogenannte Albertine-Graben, eine Verwerfung in Ostafrika, wo der Kontinent aufbricht. In Serpentinen quält sich der Autofahrer den steilen Hang hinunter. Unten im Graben ist es heiß, die Luft flimmert. Rechts neben der Straße ein Schild: Hier beginnt der Queen Elisabeth Nationalpark. Linkerhand eine Elefantenherde mit zwei Jungtieren.

Ranger tragen Kalaschnikows und schusssichere Westen

Einige Kilometer die Straße in den Park hinein: das Hauptquartier der Parkverwaltung. Büroräume, Unterkünfte für die Angestellten, ein Fuhrpark mit Patrouillenfahrzeugen für die Ranger. Sie tragen knallgrüne Uniformen und Kalaschnikows. Eduard Asalu, ugandischer Direktor des Queen-Elizabeth-Nationalparks, trägt eine schicke grüne Uniform mit goldenen Schulterhalftern. In dieser paramilitärischen Einrichtung der Wildtier-Schutzbehörde hat er quasi den Rang eines Generals – und führt Krieg gegen Wilderei und Elfenbeinhandel. Ziemlich erfolgreich.
"Wir haben mittlerweile einen enormen Anstieg der Elefantenpopulation. In fast jeder Herde sehen wir nun auch Nachwuchs. Das ist ein Indikator, dass sich die Population erholt. Das ist das Ergebnis der Maßnahmen, die wir unternommen haben. Seitdem wurde kein einziger Elefant mehr von Wilderern getötet."
Eine dieser Maßnahmen ist das sogenannte MIKES-Programm. Mit dem Geld werden vor allem die Ausrüstungen der Wildtierschützer und ihre Trainings bezahlt. 2001 wurde das Programm im Rahmen des Washingtoner Artenschutzabkommens aufgelegt und seit mehr als fünf Jahren von der Europäischen Union finanziert. All dies habe geholfen, um die Wilderei zu stoppen, so Asalu.
"Das MIKES-Projekt zielt darauf ab, diejenigen Wilderer, die Elefanten töten, zu stoppen. Wir wurden in Strafverfolgung ausgebildet und haben unsere Ausrüstung bekommen. Darunter waren vor allem Fahrzeuge und Motorräder. Wir sehen Erfolge. Deswegen sind wir unseren Partnern so dankbar. Die Briten und Amerikaner haben ihre Soldaten hierher geschickt, um unsere Ranger zu trainieren. Wir haben Walkie-Talkies bekommen, Kameras, Computer. Ich denke, wir sind kampfbereit. Wir haben genug Ausrüstung, wer jetzt auch immer Chaos in den Park bringen möchte – wir werden damit fertig.
Ranger laden im Queen-Elizabeth-Nationalpark einen Elefanten-Stoßzahn, der Wilderern abgenommen wurde, auf die Ladefläche ihres Jeeps.
Wilderern abgenommen: Ranger im Queen-Elizabeth-Nationalpark mit Elefanten-Stoßzahn.© Ronald Ssekandi / Xinhua Afrika / Imago
Die militärischen Maßnahmen im Wildtierschutz, die in vielen afrikanischen Ländern unternommen werden, scheinen zu wirken. Heute ist Uganda nur noch ein Transitland für Elfenbein aus dem Kongo, dem Südsudan oder der Zentralafrikanischen Republik. Vor zwei Monaten wurden an Ugandas Grenze 800 Stoßzähne beschlagnahmt, über 20 Vietnamesen festgenommen. Die Hauptabnehmer von Elfenbein sind die asiatischen Länder, vor allem China. Doch vor zwei Jahren hat auch die Volksrepublik das Artenschutzabkommen unterzeichnet. Auch dies habe zum Schutz der Elefanten in Uganda beigetragen, so Asalu.
"2016 hatten wir ein großes Problem mit der Wilderei für Elfenbein. Nicht nur mit Speeren, sondern mit Gewehren. Durch das MIKES-Projekt konnten wir dann unsere Ranger losschicken, die den Elefantenherden gefolgt sind. Wer auch immer die Elefanten jagen wollte, traf auf unsere Ranger. Jetzt haben wir Frieden. Wir sitzen hier jetzt monatelang, ohne einen einzigen Schuss zu hören. Früher hörten wir sie täglich. Das war eine wirklich schlechte Situation."

Drohnen registrieren jeden, der den Park betritt

Die Ausbildung der Parkwächter erinnert an einen Anti-Terror-Einsatz. Eine israelische Sicherheitsfirma hat die Parkmitarbeiter in geheimdienstlicher Aufklärung geschult, eine eigene Abteilung dafür eingerichtet, sogar Drohnen geliefert. Die registrieren nun jeden Menschen, der illegal den Park betritt, auch denjenigen, der nur nach Feuerholz sucht. Asalu liest aus seiner Statistik: Seit Beginn der Ausbildung haben seine Ranger 458 illegale Eindringlinge festgenommen und angeklagt, darunter vor allem Fischer und Kuhhirten. Die meisten Jäger stellen im Park Fallen auf. Mehr als 600 wurden beschlagnahmt. Asalu rühmt sich, die Wilderei erfolgreich bekämpft zu haben. Doch es gibt auch eine Kehrseite und die macht nun dem Parkchef Kopfzerbrechen.
"Ich bin mittlerweile mehr besorgt um die Tiere, die die Felder der Bauern zerstören. Das bereitet mir jetzt schlaflose Nächte, nicht mehr die Wilderei für Elfenbein."
Die militärische Aufrüstung der Parkwächter hat immer öfter tödliche Folgen: Mit der Fall-Nummer CRB-575-2018 hat Ugandas Mordkommission im Juni vergangenen Jahres vier Vermisste registriert. Sie stammten aus dem Dorf Kyema am Rande des Parks. Einige hundert Lehmhütten mit Wellblechdach klammern sich an einen alten Vulkankrater. Die Erde ist steinig und nur wenig fruchtbar.
Die vier vermissten Männer aus Kyema stammen von der Ethnie der Banyanguru. Es sind arme Menschen, die kaum Ackerbau betreiben, sondern sich von Viehwirtschaft ernähren, seit Jahrtausenden schon. Die Jagd ist ein Teil ihrer Kultur. Melelkiad Kyomukama ist ein alter Mann mit Runzeln im Gesicht. Er sitzt mit seinem jüngsten Sohn und seinem Bruder vor seiner Hütte. Im Hintergrund spielen seine Enkelkinder im Schmutz. Es sind Waisenkinder. Er zeigt Fotos.
"Das ist mein ältester Sohn, der im Park erschossen wurde. Und das ist der zweitälteste, er ist auch vergangenes Jahr im Park umgekommen, er wurde beim Feuerholzsammeln von einem umstürzenden Baum erschlagen. Ich habe nun elf Enkelkinder zu versorgen."
Der Großvater hat kaum Geld, sie zu ernähren oder zu kleiden, geschweige denn, sie zur Schule zu schicken. Er sieht verzweifelt aus. Sein Bruder neben ihm ebenso. Auch er hat seinen ältesten Sohn bei dem Vorfall im Park verloren. Zwischen ihnen im Gras hockt Kyomukamas jüngster Sohn: der 22-jährige Jean Bosco Byamurama. Er hat diesen Tag als einziger überlebt. Sein Blick ist leer. Zitternd berichtet er vom 26. Juni, einem Dienstag:
"Wir sind vor Sonnenaufgang aufgestanden, wir waren zu fünft. Mein Bruder und mein Cousin sowie zwei Freunde. Als wir den Park erreicht hatten, haben wir Fallen aufgestellt. In einer der Fallen hat sich ein Büffel verfangen. Wir haben ihn getötet und zerlegt. Als wir gerade dabei waren, das Fleisch einzupacken, kamen die Ranger und haben auf uns geschossen. Alle sind gestorben, ich konnte mit der Kugel im Bein davonkommen. Sie haben sofort geschossen, keine Warnung, nichts. Sie haben direkt auf uns gezielt."

Leichen auf Parkgelände sind verschwunden

Byamurama zieht sein Hosenbein hoch. Die Schusswunde im Knie ist verheilt, doch er hinkt noch immer. Und auch die schmerzhaften Erinnerungen quälen den jungen Mann bis heute. Er kann nicht arbeiten, verdient kein Geld und benötigt dringend psychologische Behandlung, sagt Vater Kyomukama. Doch was den Vater und die ganze Dorfgemeinde besonders verärgert, ist die Art, wie die Parkverwaltung versucht hat, den Vorfall zu vertuschen, berichtet er.
"Nachdem mein Sohn verletzt nach Hause kam, sind wir zur Polizei. Nach viel Hin und Her hat die Polizei letztlich die Erlaubnis bekommen, in Begleitung von Rangern in den Park zu gehen und nach den Leichen zu sehen. Doch da war nichts mehr. Als hätten sie die Leichen weggebracht. Wir waren zuerst nicht einmal sicher, ob das der richtige Ort war, wo sie getötet wurden. Erst Tage später kamen Polizisten von der Mordkommission aus Kampala. Mit diesen sind wir wieder in den Park. Sie haben Blut gefunden und Proben genommen. Danach haben sie auch Blutproben von den Kindern genommen, um die DNA zu vergleichen. Aber dann haben wir nie wieder etwas davon gehört. Bis heute gibt es keine Anklage."
Die vier mutmaßlich getöteten Männer hinterließen insgesamt 27 Kinder. Die Großväter sind verzweifelt, wissen nicht, wie sie die Schulgebühren je bezahlen können. Hinzu kommt die Tatsache, dass sie ihre Söhne nicht beerdigen können, so der Bruder, Alfred Bagumah:
"Das Schlimmste ist wirklich, dass wir sie nicht beerdigen können. Die Leichen wurden irgendwo verscharrt, da bin ich sicher. Die Parkverwaltung hatte Angst, dass wir sie anklagen werden. Doch selbst wenn sie uns irgendwann entschädigen würden – ich würde es vorziehen, unsere Söhne zu beerdigen."

Parkchef streitet mutmaßliche Morde an Einheimischen ab

Zurück im Hauptquartier der Parkverwaltung bei General Asalu. Der nett dreinblickende ältere Mann wird nervös, als er auf die Vermissten angesprochen wird.
"Also, ja, also, die Verwandten der Toten und die Polizisten… die sind hierhergekommen und wir haben gesagt, gut, wenn ihr wisst, wo die Leute getötet wurden, dann lasst uns da hingehen. Selbst mit Drohnen haben wir nach den Leichen gesucht – wir haben sie nicht gefunden. Man muss dazu sagen: Wir hatten in den vergangenen Monaten auch Fälle von Entführungen im Park – wegen Lösegeld. Manche Leute ertrinken im Fluss beim illegalen Fischen und werden von Krokodilen gefressen. Wenn Hyänen kommen, dann bleiben nicht einmal mehr Knochen übrig.
Diejenigen, die bewaffnet in den Park kommen, kann man nicht einfach verhaften – nur wenn sie sich freiwillig ergeben. Dennoch würde ich sagen, dass diese Anschuldigungen nicht wahr sind, denn das Gesetz erlaubt uns nicht, zu töten. Diese Zwischenfälle sind meistens Unfälle und einige unserer Ranger wurden dafür verhaftet und sitzen im Gefängnis. Doch generell gilt: Solange jemand illegal in den Park kommt und sich nicht in unseren Büchern am Eingang registriert, für diese Menschen bin ich nicht verantwortlich."
Der Chef-Ranger des Queen-Elizabeth-Nationalparks Edward Asalu sitzt in seinem Büro am Schreibtisch zwischen Fähnchen und Fotos höherer Beamter und des Präsidenten.
Fühlt sich für Gewalt an Menschen, die illegal in den Nationalpark eindringen, nicht verantwortlich: Chef-Ranger Edward Asalu.© Deutschlandradio / Simone Schlindwein
Um den Konflikt zwischen Mensch und Tier zu lösen, lässt die Parkverwaltung nun entlang der Parkgrenze einen eigenen elektrischen Zaun errichten. Ingenieure heben tiefe Löcher aus, rühren Zement an, um die Masten für die Solaranlage im Boden zu verankern. Sie soll den Strom für den Zaun liefern, erklärt Ibrahim Njanga, Elektroingenieur der internationalen NGO "Space for Giants", die den Zaun finanziert.
"Der Zaun ist nicht sehr hoch und Elefanten sind bekanntlich sehr große Tiere. Deswegen befestigen wir hier einige Kabel. Wenn die Tiere anderthalb Meter entfernt sind und das Kabel berühren, bekommen sie einen starken Elektroschock und rennen weg. Der Schock ist nicht tödlich, es ist nur ein Impuls. Er rennt wahrscheinlich den Zaun entlang und versucht es weiter unten dort noch einmal und bekommt wieder einen Stromschlag."
Ranger beim Bau eines Zauns um den Queen-Elizabeth-Nationalpark.
Ugandas Wildflife Behörde baut einen Zaun um den Nationalpark – und zementiert damit die Landenteignung.© Deutschlandradio / Simone Schlindwein
15.000 Dollar kosten die ersten 20 Kilometer Elektrozaun – im Vergleich zu den Bienenstöcken ein teures Unterfangen. Und es bringt den Dorfbewohnern auch kein zusätzliches Einkommen wie die Honigproduktion. Dennoch versprechen sich die Dorfvorsteher viel davon: mehr Schlaf und eine sichere Ernte. Der Zaun markiert letztlich aber auch das Hoheitsgebiet des Parks. Die Landenteignung, die schon während der Kolonialzeit begann, wird endgültig.

Streit zwischen Gemeinde und Parkverwaltung

Doch auch mit dem Elektrozaun gibt es Probleme. Denn er soll mitten durch die Baumwellfelder eines Dorfes gehen. Medard Akampurira, Dorfvorsteher von Nyakahita, sitzt darum mit einem Vertreter des Parks unter einem Akazienbaum. Auf Plastikstühlen wollen die beiden über die Grenzziehung sprechen. Die Stimmung ist angespannt. Der Parkmitarbeiter hat zwei bewaffnete Ranger mitgebracht. Mit ihren Kalaschnikows sitzen sie etwas abseits, wirken gelangweilt. Dennoch macht das Eindruck und wirkt einschüchternd. Zwischen dem Park und der Gemeinde gibt es seit langem Streit, erklärt Dorfvorsteher Akampurira.
"Es war im Juli 2017, als die Bauern sich gegen ein Nilpferd verteidigt haben, das aus dem Park auf unsere Äcker vorgedrungen war. Dann kamen die Ranger und haben einen Mann angeschossen. Ich habe dessen Namen vergessen. Wir haben ihn ins Krankenhaus gebracht und dort starb er nach vier Tagen."
Akampurira zeigt Fotos auf seinem Handy. Man sieht einen Mann mit Schusswunde, der zwischen den Kaffeesträuchern auf dem Boden liegt. Parkvertreter Jackson Maate streitet alles ab. Seine Ranger hätten nicht gezielt geschossen.
"Es stimmt nicht, dass wir Menschen erschießen. Hier im Park gibt es sehr gefährliche Tiere: Löwen, Elefanten, Nilpferde und Büffel – diese sind für Menschen sehr gefährlich. Wir von der Wildtierschutzbehörde bringen keine Menschen um. Es gibt hier aber rund um den Park Gemeinden und Wilderer. Und man sieht auf dem Foto, der Verletzte liegt in einer Kaffeeplantage – wir Ranger patrouillieren nicht auf den Äckern der Bauern. Wenn Wildtiere die Felder der Bauern verwüsten, dann kommen wir und schießen nur in die Luft, damit die Elefanten abhauen."
Maate argumentiert, er habe mehrfach die Leute in den umliegenden Gemeinden gewarnt, in den Park zu gehen. Auch Dorfvorsteher Akampurira warnt stets vor dem unerlaubten Eintritt. Doch das nutze nichts:
"Viele gehen in den Park, weil die Armut sie dazu nötigt. Sie jagen, um das Fleisch zu verkaufen. Sie suchen Feuerholz oder Heilkräuter. Letztes Jahr wurden hier acht Menschen erschossen deswegen. Erst als der Präsident im September kam und das Töten verurteilt hat, hat sich das geändert: Seitdem verhaften die Ranger die Leute und stellen sie vor Gericht. Dennoch: Die Ranger sind nun gut ausgebildet und jeder hat eine Waffe. Die Tötungen haben zugenommen, seitdem die Briten die Ranger trainiert haben. Wir fragen uns oft: Haben die Briten ihnen beigebracht, uns zu töten?"
Während die Sonne langsam über der Savanne untergeht, beginnen die Menschen rund um den Nationalpark zu singen und zu tanzen – als Motivation für eine weitere schlaflose Nacht, um trotz aller Gefahren und Risiken ihre Ernte vor den Elefanten zu schützen.

Der Beitrag ist eine Wiederholung vom 28.04.2019.

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