Queen des R'n'Balkan

Von Katrin Wilke · 01.07.2008
Als Musikerin will sich Ruth-Maria Renner in kein gängiges Schema pressen lassen. Unter ihrem Künstlernamen Miss Platnum kombiniert die gebürtige Rumänin Soul und R'n'B, gewürzt mit einem Schuss Balkan-Flair.
Als Musikerin will sich Ruth-Maria Renner in kein gängiges Schema pressen lassen. Unter ihrem Künstlernamen Miss Platnum kombiniert sie Soul und R&B, gewürzt mit einem Schuss Balkan-Flair. Sie wuchs in Rumänien als Tochter zweier Meteorologen in einer Wetterstation in den Karpaten auf. Seit längerem ist Berlin ihre neue Heimat.

"Platin, weil es das edelste Edelmetall ist und weil ich fand, dass es gut zu der Musik passt und auch zu der Geschichte: Also so jemand, der aus Rumänien kommt und sich diese Story so erträumt hat. Und dann geht das alles so einigermaßen in Erfüllung."

Ganz unaufgeregt betrachtet die 27-jährige Sängerin das Erreichte: Ihre Songs rotieren im Radio, ihr Videoclip läuft auf MTV. Und wo immer sie mit ihrer siebenköpfigen Band auftritt, bekommt sie mit ihrem eigenwilligen Mix aus Soul, R&B und Balkan-Flair das Publikum im Handumdrehen zum Schwofen.

Und der Glamour, der durch ihren Künstlernamen schimmert? Keine Spur davon bei der "privaten" Miss Platnum, die eigentlich Ruth-Maria Renner heißt. Zum Treff in einem ihrer Lieblingscafés in Berlin-Kreuzberg, unweit vom Studio, taucht sie auffallend naturbelassen auf: in braune, legere Klamotten gewandet, keinerlei Schmuck, das dunkle Haar nicht kunstvoll hochtoupiert wie bei der Bühnen-Miss Platnum.

"Das merken ja immer die Journalisten schnell, wenn sie mich so sehen: Dann nicht mit Diademen und Pelzmantel hier anreite und am besten noch mit so nem Tross von Leuten oder so. Sondern ich bin ja ganz normal im Alltag und ganz entspannt und eher so ruhig."

Die Gelassenheit ist – genau wie ihre Sangeskraft – schon früh Ruths Halt. Als achtjährige Eigenbrötlerin unter toughen Schulkameraden in ihrer damals neuen Heimat Berlin. Und auch schon vorher in Rumänien, wo die Tochter zweier Meteorologen in einer entlegenen Wetterstation in den Karpaten aufwächst. Mit ihrem Bruder, zwei bis drei Nachbarskindern zum Spielen und Michael-Jackson-Kassetten, die sie bald auswendig kann.

Zermürbt vom Ceausescu-Regime, beschließen die Eltern 1988 die Flucht im Jahr in den Westen. Bislang hatte Ruth nur im stillen Kämmerlein gesungen. In Berlin beginnt sie, dieser Leidenschaft ernsthaft nachzugehen: Schul- und Kirchenchor, Auftritte in Musicals, Privatunterricht bei der New Yorker Sängerin Jocelyne B. Smith, allerhand Background-Vocal-Jobs bei renommierten Soul-, R&B- und HipHop-Bands. Schließlich ein erstes eigenes Album, doch die erhoffte Resonanz bleibt aus. Desillusionierung, hemmungslos durchzechte Nächte. Das Selbstbewusstsein kommt langsam wieder und mit ihm eine neue Perspektive.

"Ich dachte, ich muss was finden, was mich wirklich von den ganzen anderen Sängerinnen unterscheidet. Und da spielt natürlich meine rumänische Vergangenheit ne ganz große Rolle. Eigentlich weil ich jedes Jahr auch in Rumänien bin, weil ich jeden oder fast jeden Tag mit meinen Eltern auf Rumänisch spreche, diese Kultur und diese Mentalität irgendwie so in mir drin ist, dass ich gar nicht drüber nachgedacht habe."

Ruth-Maria Renner, die längst wie eine waschechte Berlinerin klingt, macht ihre Songs und Bühnenansagen allerdings auf Englisch. Mit gerolltem R und rumänischsprachigen Einsprengseln. Das gehört zur Kunstfigur Miss Platnum ebenso wie die Schürze, die sie und ihre zwei Begleitsängerinnen bei den Konzerten über dem sexy Bühnen-Outfit tragen. Dieses augenzwinkernde Spiel mit Kontrasten und Ambivalenzen findet sich in den Liedtexten wieder. Wie in der "Material-Girl"-Story, die im Song "Mercedes Benz" erzählt wird.

"Ich hab das selber gesehen, teilweise auch in meiner eigenen Familie, dass wirklich sehr auf Statussymbole abgefeiert wird. Man ackert und ackert und denkt sich: So, jetzt aber kauf ich mir den Mercedes, weil ich Bock darauf habe. Wenn’s einem dann gut geht – was solls?!"

"Es ist eben Realität, auch Klischee. Indem ich als Rumänin solche Themen aufgreife und ironisiere, versuche ich eigentlich, den Leuten zu zeigen: Ey, es ist nicht alles so, wie man das immer im Fernsehen sieht, sondern es sind auch ganz normale Menschen, die ine bestimmte Art von Humor haben. Und natürlich gehört es auch zu dieser rumänischen Mentalität: Auf der einen Seite ganz schwer und dramatisch zu sein und eine große Melancholie zu haben. Und auf der anderen Seite noch auf den Tisch hauen und trinken und feiern zu können."

Lacht und nimmt noch einen großen Schluck von ihrer extra-gezuckerten Ananas-Schorle. Miss Platnum, die eines Tages noch ein Restaurant eröffnen möchte, mag es gerade kulinarisch üppig. Und das sieht man ihr auch an. Dass ihr sogenannte "Idealmaße" suspekt sind, daraus macht sie auch in ihren Songs keinen Hehl.

"Frauen wie ich, die ganz selbstbewusst sind mit ihrem Körper und sich auch in Hot Pants stecken lassen und zeigen: Es geht auch anders. Man muss nicht, wenn man Größe 42 oder 44 hat, sich in nen Jutesack stecken oder so."

Auch als Musikerin lässt sich Miss Platnum in kein gängiges Format pressen. Sie folgt konsequent ihrem Instinkt. Und hat in der Band die Nase vorn, wie auch der Titel ihrer CD "Chefa" verrät.

"Irgendwann haben die wirklich angefangen, mich so zu nennen. Dann dachte ich: okay – vielleicht ist es ein guter Name, weil ... ich find's auch cool, wenn sich ne Frau eben so hinstellt und sagen kann: Ja, ich bin eben Chefin. Ich führ ja auch im Grunde genommen nen kleinen Betrieb. Das muss man halt auch manchmal versuchen zu zeigen, wo der Hammer hängt."