"Quartett"

Von Hans-Ulrich Pönack · 23.01.2013
Als zurzeit ältester Jungfilmer der Kinowelt hat Oscar-Preisträger Dustin Hoffman eine wunderbare Seniorenkomödie abgeliefert: In einer schmucken Residenz in der englischen Provinz leben betagte Opernsänger und Musiker - mit vielen emotionalen Turbulenzen.
Sie sind, wie es so zutreffend heißt, in die Jahre gekommen. Waren einst kurz verheiratet, dann trat sie zurück, um ihrer Karriere Vorrang zu geben. Heute begegnen sie sich im Alter wieder, in der Seniorenresidenz "Beecham House". Er gibt sich immer noch verletzt, sie möchte nur noch Frieden und späte endgültige Gemeinsamkeit. Es knistert dann tatsächlich wieder zwischen den beiden.

Und - es spielt noch ein großer Komponist eine wichtige Rolle: Giuseppe Verdi (1813 – 1901). Erschüttert von den tragischen Schicksalen einst erfolgreicher Gesangstars, die ihr Alter in bitterer Armut verbringen mussten, hatte er 1896 in Mailand die Residenz "La Casa di Riposo per Musicisti gegründet, die heute als 'Casa Verdi' bekannt und berühmt ist. Hier können etwa 60 Sänger und Musiker ihren Ruhestand frei von finanziellen Sorgen verbringen. Das Haus ist dank kluger Geldanlagen nach wie vor in Betrieb. 1984 wurde es durch den Dokumentarfilm "Il Bacio di Tosca" des Schweizer Regisseurs Daniel Schmid weit über die Grenzen Italiens hinaus (und auch bei uns, ARTE sei Dank) bekannt. Dieser Dokumentarfilm war für Dustin Hoffman Auslöser für seinen ersten Regie-Film.

Hoffman dürfte der derzeit älteste Jungfilmer in der Kinowelt sein. Der charmant gebliebene 75-jährige Hollywoodstar adaptierte das 1999 in London uraufgeführte Bühnenstück "Quartet" des britischen Theater- und Filmautors Ronald Harwood für die Leinwand. In "Quartett" geht es um Verdi-Atmosphäre im "Beecham House", einer schmucken Residenz in der englischen Provinz, eingebettet in einen wundervollen Park.

Hier leben betagte Opernsänger und Musiker, die aus ihrem jetzigen Zuhause eine Dauer-Oper machen. Überall erklingt Musik, wird gesungen. Und gestritten. Die Eitelkeiten der Diven. Da kann die (falsche) Konfitüre auf dem Frühstückstisch schon mal zu einem kleinen Drama führen ebenso wie ein neckisches Wort im Vorübergehen.

Kurzum: Hier ist eine äußerst illustre Gesellschaft beisammen, die gerade für den nächsten Galaabend probt. Unter Leitung des ebenso exzentrischen wie lautstarken "Regisseurs" Cedric Livingstone (Michael Gambon). Es gilt mal wieder, genügend Überlebensgeld für ihr Haus einzuspielen. Da kommt es gerade zupass, dass die berühmte Sopranistin Jean Horton (die zweifache Oscar-Preisträgerin Maggie Smith, einmal mehr ganz ladylike) eintrifft. Was allerdings beim sensiblen, in sich gekehrten und nur als Lehrer bei jungen Hip-Hop-Besuchsschülern sich öffnenden Reggie (der unvergleichliche Sir Tom Courtenay ) nicht auf Zustimmung stößt. Ganz im Gegenteil!

Unser Paar von einst also, das nun wieder aufeinandertrifft: Viel emotionales, turbulentes Kuddelmuddel ist plötzlich im musikalischen britischen Ländle annonciert. Sehr zur Freude der Zuschauer.

Dustin Hoffman gibt sich nicht als großspuriger Impressario, sondern setzt seine Protagonisten, die sich teilweise auch aus professionellen Musikern zusammensetzen, eher sanft in be- und verzaubernde Posen und respektvolle Possen - mit sehr viel Zuneigung, Charme, Herzlichkeit.

Einen Akteur will ich noch herausheben: Billy Connolly - ein potenter Komödiant, ein brillanter Mime, der wie ein zweiter "Monty Python" John Cleese ausschaut. Groß, listig, es faustdick "hinter den Ohren" habend.

Dustin Hoffman ist also nicht nur vor der Kamera ein As, sondern nun auch als Spielleiter dahinter. "Quartett" ist ein herrliches Vergnügen um spannende, olle Alte.

Großbritannien 2012 - Originaltitel: "Quartet", Regie: Dustin Hoffman, Darsteller: Maggie Smith, Michael Gambon, Billy Connolly, Sheridan Smith, Pauline Collins, Tom Courtenay, Andrew Sachs, David Ryall - 98 Minuten

Filmhomepage - "Quartett"

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