Quadratur des Kreises
Das Buch will den Leserinnen und Lesern die Scheu vor der Mathematik nehmen. Es will ein bei den meisten vorhandenes Schultrauma kurieren und uns Laien klarmachen, dass Mathematik faszinierend und spannend ist und eben nicht staubtrocken und langweilig. Es basiert auf den hundert Texten der wöchentlichen Kolumne "Fünf Minuten Mathematik" in der Tageszeitung "Die Welt".
"Zur Lektüre eingeladen sind alle, die sich über diejenigen Aspekte der zeitgenössischen Mathematik informieren wollen, die man auch ohne Spezialkenntnisse verstehen kann", so heißt es im Vorwort der "Fünf Minuten Mathematik". Das Buch will den Leserinnen und Lesern die Scheu vor der Mathematik nehmen. Es will ein bei den meisten vorhandenes Schultrauma kurieren und uns Laien klar machen, dass Mathematik faszinierend und spannend ist und eben nicht staubtrocken und langweilig.
Um es kurz zu machen: Diesem großen Anspruch wird das Buch nicht gerecht. Es basiert auf den hundert Texten der wöchentlichen Kolumne "Fünf Minuten Mathematik" in der Tageszeitung "Die Welt". Doch was in der Zeitung mit kurzweiligen, pfiffigen Texten weitestgehend funktioniert hat, geht im Buch leider recht gründlich daneben. Dass im Buch mehr Platz zur Verfügung steht als in einer Zeitungsspalte hat den Texten nicht gut getan. Der Autor bläht sie auf, ergänzt sie um viele Formeln und Grafiken. Doch damit geht der Charakter der Kolumnen verloren. Aus pfiffigen Texten wurden jetzt stark komprimierte Vorlesungen.
Dem Autor Erhard Behrends, Mathematik-Professor an der Freien Universität Berlin nimmt man das Bemühen ab, sein Fach einem breiten Publikum ansprechend präsentieren zu wollen. Er ist seit vielen Jahren sehr engagiert, die Mathematik zu popularisieren - und der Erfolg der Kolumne im Wissenschaftsteil der "Welt" gibt ihm recht. Aber im Buch wimmelt es plötzlich von Formeln und Fachbegriffen. "Quotient" ist noch eher harmlos, aber schon Sätze wie "wieviele k-elementige Teilmengen kann man aus einer n-elementigen Teilmenge herausnehmen" hätten kein Lektorat überleben dürfen. Allzu oft flüchtet der Autor vor der Alltagssprache in den Fachjargon - sicher in dem Bemühen, möglichst präzise zu sein. Mathematik verpflichtet... Doch damit ist es mehr ein Buch für Insider: für Menschen, die in der Schule oder in Ausbildung und Beruf mit Mathematik zu tun haben oder hatten. Für all jene ist es ein witziges Buch, das vieles in Erinnerung ruft und uns zeigt, was Mathematik mit Lottospielen, Computertomographen und CD-Spielern zu tun hat.
So alltagsnah die meisten der in den hundert Texten behandelten Beispiele auch sind, so alltagsfern ist oft ihre Erklärung. Dass die sprichwörtliche Quadratur des Kreises mathematisch eben unmöglich ist, bekommt der Leser nicht in fünf Minuten, sondern auf fünf Seiten dargelegt. Doch auch mit vier Skizzen und sechs Formeln dürfte es ein Mathematik-Laie nicht wirklich verstanden haben.
Das mathematische Niveau der Zahlenspielereien und mathematischen Phänomene ist sehr gemischt. So darf die berühmte Geschichte des großen deutschen Mathematikers Carl Friedrich Gauß nicht fehlen, der als Schüler die Aufgabe des Lehrers, die Zahlen von 1 bis 100 zu addieren in Sekundenschnelle gelöst hatte: Gauß hatte erkannt, dass 1+100=101 ist, ebenso 2+99=101, 3+98=101 usw. bis 50+51=101. Es gibt also 50 Zahlenpaare, die jeweils 101 ergeben, die Summe der Zahlen von 1 bis 100 beträgt also 5050.
Auch dass bei großen Zahlen unsere Vorstellung versagt, werden wir Ehrhard Behrends abnehmen. Er belegt es mit dem berühmten Reis auf dem Schachbrett. Auf das erste Feld kommt ein Reiskorn. Nun wird die Zahl der Reiskörner von Feld zu Feld verdoppelt: Von 1 auf 2, dann auf 4, auf 8, 16, 32 etc. Beim 64. Feld auf dem Schachbrett angelegt bräuchte man so viele Reiskörner, dass ganz Deutschland unter einer 50 cm dicken Reisschicht verschwände. Auf dem Buchtitel zeigt eine Fotomontage ein im Reisgebirge versinkendes Brandenburger Tor.
Doch wie im Internet übertragene Daten verschlüsselt werden, werden Laien kaum nachvollziehen können. Denn auch da kommen im entscheidenden Moment etliche Formeln ins Spiel, an denen Menschen ohne Vorkenntnisse scheitern müssen. Zwischen den vielen Formeln finden sich aber immer wieder wunderbare Texte, die den Lesern in einer klaren, einfachen Sprache Grundlagen der Mathematik vermitteln. So erklärt Ehrhard Behrends die Axiome, auf denen die Mathematik beruht - gleichsam ihre Spielregeln. Doch diese grandiosen Momente erlebt man beim Lesen zu selten. Ganz schnell fällt der Text zurück in Fachbegriffe und Formelwust - und lässt den Leser nicht mehr staunen, sondern nur noch stöhnen.
Fazit: Mathematik pfiffig Leuten wirklich verständlich zu machen, die keine Spezialkenntnisse haben, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Und die ist, wie auch in diesem Buch nachzulesen ist, unmöglich...
Rezensiert von Dirk Lorenzen
Erhard Behrends:
Fünf Minuten Mathematik,
Vieweg 2006,
256 Seiten, 22,90 Euro.
Um es kurz zu machen: Diesem großen Anspruch wird das Buch nicht gerecht. Es basiert auf den hundert Texten der wöchentlichen Kolumne "Fünf Minuten Mathematik" in der Tageszeitung "Die Welt". Doch was in der Zeitung mit kurzweiligen, pfiffigen Texten weitestgehend funktioniert hat, geht im Buch leider recht gründlich daneben. Dass im Buch mehr Platz zur Verfügung steht als in einer Zeitungsspalte hat den Texten nicht gut getan. Der Autor bläht sie auf, ergänzt sie um viele Formeln und Grafiken. Doch damit geht der Charakter der Kolumnen verloren. Aus pfiffigen Texten wurden jetzt stark komprimierte Vorlesungen.
Dem Autor Erhard Behrends, Mathematik-Professor an der Freien Universität Berlin nimmt man das Bemühen ab, sein Fach einem breiten Publikum ansprechend präsentieren zu wollen. Er ist seit vielen Jahren sehr engagiert, die Mathematik zu popularisieren - und der Erfolg der Kolumne im Wissenschaftsteil der "Welt" gibt ihm recht. Aber im Buch wimmelt es plötzlich von Formeln und Fachbegriffen. "Quotient" ist noch eher harmlos, aber schon Sätze wie "wieviele k-elementige Teilmengen kann man aus einer n-elementigen Teilmenge herausnehmen" hätten kein Lektorat überleben dürfen. Allzu oft flüchtet der Autor vor der Alltagssprache in den Fachjargon - sicher in dem Bemühen, möglichst präzise zu sein. Mathematik verpflichtet... Doch damit ist es mehr ein Buch für Insider: für Menschen, die in der Schule oder in Ausbildung und Beruf mit Mathematik zu tun haben oder hatten. Für all jene ist es ein witziges Buch, das vieles in Erinnerung ruft und uns zeigt, was Mathematik mit Lottospielen, Computertomographen und CD-Spielern zu tun hat.
So alltagsnah die meisten der in den hundert Texten behandelten Beispiele auch sind, so alltagsfern ist oft ihre Erklärung. Dass die sprichwörtliche Quadratur des Kreises mathematisch eben unmöglich ist, bekommt der Leser nicht in fünf Minuten, sondern auf fünf Seiten dargelegt. Doch auch mit vier Skizzen und sechs Formeln dürfte es ein Mathematik-Laie nicht wirklich verstanden haben.
Das mathematische Niveau der Zahlenspielereien und mathematischen Phänomene ist sehr gemischt. So darf die berühmte Geschichte des großen deutschen Mathematikers Carl Friedrich Gauß nicht fehlen, der als Schüler die Aufgabe des Lehrers, die Zahlen von 1 bis 100 zu addieren in Sekundenschnelle gelöst hatte: Gauß hatte erkannt, dass 1+100=101 ist, ebenso 2+99=101, 3+98=101 usw. bis 50+51=101. Es gibt also 50 Zahlenpaare, die jeweils 101 ergeben, die Summe der Zahlen von 1 bis 100 beträgt also 5050.
Auch dass bei großen Zahlen unsere Vorstellung versagt, werden wir Ehrhard Behrends abnehmen. Er belegt es mit dem berühmten Reis auf dem Schachbrett. Auf das erste Feld kommt ein Reiskorn. Nun wird die Zahl der Reiskörner von Feld zu Feld verdoppelt: Von 1 auf 2, dann auf 4, auf 8, 16, 32 etc. Beim 64. Feld auf dem Schachbrett angelegt bräuchte man so viele Reiskörner, dass ganz Deutschland unter einer 50 cm dicken Reisschicht verschwände. Auf dem Buchtitel zeigt eine Fotomontage ein im Reisgebirge versinkendes Brandenburger Tor.
Doch wie im Internet übertragene Daten verschlüsselt werden, werden Laien kaum nachvollziehen können. Denn auch da kommen im entscheidenden Moment etliche Formeln ins Spiel, an denen Menschen ohne Vorkenntnisse scheitern müssen. Zwischen den vielen Formeln finden sich aber immer wieder wunderbare Texte, die den Lesern in einer klaren, einfachen Sprache Grundlagen der Mathematik vermitteln. So erklärt Ehrhard Behrends die Axiome, auf denen die Mathematik beruht - gleichsam ihre Spielregeln. Doch diese grandiosen Momente erlebt man beim Lesen zu selten. Ganz schnell fällt der Text zurück in Fachbegriffe und Formelwust - und lässt den Leser nicht mehr staunen, sondern nur noch stöhnen.
Fazit: Mathematik pfiffig Leuten wirklich verständlich zu machen, die keine Spezialkenntnisse haben, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Und die ist, wie auch in diesem Buch nachzulesen ist, unmöglich...
Rezensiert von Dirk Lorenzen
Erhard Behrends:
Fünf Minuten Mathematik,
Vieweg 2006,
256 Seiten, 22,90 Euro.