Puzzle aus mehr als 36.000 Steinen
In Skandinavien grassiert der Opernvirus: 2005 eröffnete in Kopenhagen ein neues Opernhaus seine Pforten, zuvor hatten Göteborg und Helsinki sich neue Arenen für Singspiele zugelegt. Jetzt ist Oslo an der Reihe: Vier Milliarden Kronen kostet die neue Oper, umgerechnet etwa 490 Millionen Euro. Schon sehr deutlich wächst die Oper von Bjørkvika derzeit aus dem Boden, am Wasser gelegen, unweit der Innenstadt Oslos.
Von außen sieht es aus wie ein Glaskubus, der durch eine schiefe Ebene unterbrochen ist, die sich einmal quer durch das Gebäude zieht. Vorne liegt ein riesiger Platz, an den Seiten des Gebäudes wird die Querstrebe zum breiten Laufsteg, der bis aufs Dach führt. Im Hintergrund liegt die Innenstadt von Oslo, rauscht der Verkehr der Autobahn. Doch ab 2010 soll die Trasse in einem Tunnel verschwinden. Dann können die Zuschauer ihren Blick in Ruhe über die Fjordlandschaft schweifen lassen. Statt eines Balkons für die Herrschenden - wie in früheren Zeiten - gibt es dann eine riesige Dachterrasse für alle, erklärt Tarald Lundevall vom norwegischen Architektenbüro Snøhetta das Konzept:
"In alten Zeiten hatten die Kirche oder das Königshaus die Macht und sie drückten das durch monumentale Elemente an ihren Bauwerken aus – meist durch die maskuline Markierung von Monumentalität in der Vertikalen. Wir haben diskutiert, welche Kräfte heutzutage monumentalen Ausdruck verdienen. Und da kamen wir darauf, dass in Skandinavien und Norwegen der Begriff des Gemeinwohls besonders wichtig ist. Und das wollten wir an ein Konzept knüpfen, in dem wir statt der Vertikalen eine horizontale Fläche schaffen, die für alle zugänglich ist."
Im Inneren ist vom Konzept der Architekten bereits einiges zu erkennen. Im Foyer fällt der Blick auf die spitz zulaufende Fensterfront, die bis unter die Decke mit Gerüsten zugebaut ist. Über eine niedrige Treppe tragen Handwerker Teile der Wandverkleidung aus dunkler Eiche in den Zuschauersaal. Der ist in der klassischen italienischen Hufeisenform gehalten – eine Form, die sich seit mehr als 300 Jahren bewährt hat, sagt Tarald Lundevall:
"Oper und Ballett sind visuelle Kunstformen, das unterscheidet einen Opernsaal von einem Konzertsaal. Hier wollen wir die Zuschauer so nah wie möglich an der Bühne haben, maximal 25 Meter entfernt. Das können wir am Vergleich der Philharmonie von Scharoun in Berlin deutlich machen. Dort soll man sich zurücklehnen und sich auf die Musik konzentrieren können, der Bau geht kubistisch in die Breite. In Oslo aber wollen wir Tänzer, Sänger und ihre Kostüme ganz genau sehen, die optimale Form ist daher der Zylinder oder eine Kugel."
Mit diesem Konzept konnten sich Lundevall und seine Kollegen vor sieben Jahren gegen mehr als 200 Entwürfe aus der ganzen Welt durchsetzen. Internationale Aufmerksamkeit hatte das norwegische Büro jedoch schon früher erregt. In den 90er Jahren zeichnete Snøhetta die Pläne für die neue Bibliothek von Alexandria, auch das Gebäude der norwegischen Botschaft in Berlin stammt aus seiner Feder. Dass sie jedoch bei einem so wichtigen nationalen Projekt die Nase vorn hatten, freut Lundevall ganz besonders. Ob das mit einem speziellen norwegischen Stil zutun hat, da ist sich der Architekt jedoch nicht sicher:
"Seit sich der nordische Funktionalismus in den 30er Jahren entwickelt hat, mit Alvar Aalto als Frontfigur, hatten nordische Architekten einen Hang zu leichten, hellen Materialien, gern Holz und natürliche Stoffe. Heute lesen skandinavische Architekten die gleichen Zeitschriften wie ihre Kollegen in Carracas, Singapur oder Barcelona, reisen an die gleichen Orte und führen die gleichen Diskussionen. Ob sie die alten Traditionen weiterleben lassen, ist fraglich. Aber es ist möglich, dass wir das im Unterbewusstsein haben - mehr als andere."
Auch die Zulieferindustrie für das neue Opernhaus von Oslo ist international, Unternehmen aus 17 Ländern sind beteiligt. Die 36.000 Marmor-Steinplatten etwa, die die begehbare Außenfläche bekleiden, kommen aus Italien, die Eiche an den Wänden im Hauptsaal stammt aus Deutschland. Besonders stolz ist Mette Nordhus vom staatlichen Bauherren "Statsbygg" auf die moderne Elektronik. In Zukunft wird ein Audio-Leitsystem sehbehinderte Zuschauer durch das Haus führen, die Übersetzung fremdsprachiger Opern in einem Display in der Rückenlehne des Vordermannes zu lesen sein. Auch die Luftfeuchtigkeit wird den unterschiedlichen Anforderungen angepasst:
"Im Saal soll es drei verschiedene Luftfreuchtigkeiten geben. 30 Prozent im Zuschauerbereicht, und 45 Prozent relative Feuchtigkeit im Orchestergraben. Das entspricht den Anforderungen der Instrumente. Auf der Bühne wird die relative Luftfeuchtigkeit irgendwo dazwischen liegen, so etwa 40 Prozent. Das wird durch kleine Ritzen überall im Saal geschaffen, die man weder sehen noch hören soll."
Die Probe aufs Exempel können die Norweger und ihre Gäste in gut einem Jahr machen: Am 12. April 2008 soll das Haus feierlich eröffnet werden, und zwar mit einer Adaption von Jules Vernes Roman "In 80 Tagen um die Welt" aus der Feder von Gisle Kverndokk. Der ist in norwegischen Opernkreisen kein Unbekannter, komponiert alles von Chorsätzen bis zu Orchesterwerken:
Vor sieben Jahren räumte der Komponist den angesehenen Medienpreis "Prix Italia" für seine Radio-Oper "Bokken Lasson – stumbling success" ab. Auch mit Musicals feierte der Norweger Erfolge. Mit "Sofies Welt" etwa vertonte Kverndokk den gleichnamigen Roman seines Landsmannes Jostein Gaarder über die Geschichte der Philosophie. Jetzt hofft der Direktor der Osloer Oper, Bjørn Simensen, dass er mit einem Libretto, das auf mit Kverndokks neuem Werk ebenfalls die Massen ansprechen kann.
"In alten Zeiten hatten die Kirche oder das Königshaus die Macht und sie drückten das durch monumentale Elemente an ihren Bauwerken aus – meist durch die maskuline Markierung von Monumentalität in der Vertikalen. Wir haben diskutiert, welche Kräfte heutzutage monumentalen Ausdruck verdienen. Und da kamen wir darauf, dass in Skandinavien und Norwegen der Begriff des Gemeinwohls besonders wichtig ist. Und das wollten wir an ein Konzept knüpfen, in dem wir statt der Vertikalen eine horizontale Fläche schaffen, die für alle zugänglich ist."
Im Inneren ist vom Konzept der Architekten bereits einiges zu erkennen. Im Foyer fällt der Blick auf die spitz zulaufende Fensterfront, die bis unter die Decke mit Gerüsten zugebaut ist. Über eine niedrige Treppe tragen Handwerker Teile der Wandverkleidung aus dunkler Eiche in den Zuschauersaal. Der ist in der klassischen italienischen Hufeisenform gehalten – eine Form, die sich seit mehr als 300 Jahren bewährt hat, sagt Tarald Lundevall:
"Oper und Ballett sind visuelle Kunstformen, das unterscheidet einen Opernsaal von einem Konzertsaal. Hier wollen wir die Zuschauer so nah wie möglich an der Bühne haben, maximal 25 Meter entfernt. Das können wir am Vergleich der Philharmonie von Scharoun in Berlin deutlich machen. Dort soll man sich zurücklehnen und sich auf die Musik konzentrieren können, der Bau geht kubistisch in die Breite. In Oslo aber wollen wir Tänzer, Sänger und ihre Kostüme ganz genau sehen, die optimale Form ist daher der Zylinder oder eine Kugel."
Mit diesem Konzept konnten sich Lundevall und seine Kollegen vor sieben Jahren gegen mehr als 200 Entwürfe aus der ganzen Welt durchsetzen. Internationale Aufmerksamkeit hatte das norwegische Büro jedoch schon früher erregt. In den 90er Jahren zeichnete Snøhetta die Pläne für die neue Bibliothek von Alexandria, auch das Gebäude der norwegischen Botschaft in Berlin stammt aus seiner Feder. Dass sie jedoch bei einem so wichtigen nationalen Projekt die Nase vorn hatten, freut Lundevall ganz besonders. Ob das mit einem speziellen norwegischen Stil zutun hat, da ist sich der Architekt jedoch nicht sicher:
"Seit sich der nordische Funktionalismus in den 30er Jahren entwickelt hat, mit Alvar Aalto als Frontfigur, hatten nordische Architekten einen Hang zu leichten, hellen Materialien, gern Holz und natürliche Stoffe. Heute lesen skandinavische Architekten die gleichen Zeitschriften wie ihre Kollegen in Carracas, Singapur oder Barcelona, reisen an die gleichen Orte und führen die gleichen Diskussionen. Ob sie die alten Traditionen weiterleben lassen, ist fraglich. Aber es ist möglich, dass wir das im Unterbewusstsein haben - mehr als andere."
Auch die Zulieferindustrie für das neue Opernhaus von Oslo ist international, Unternehmen aus 17 Ländern sind beteiligt. Die 36.000 Marmor-Steinplatten etwa, die die begehbare Außenfläche bekleiden, kommen aus Italien, die Eiche an den Wänden im Hauptsaal stammt aus Deutschland. Besonders stolz ist Mette Nordhus vom staatlichen Bauherren "Statsbygg" auf die moderne Elektronik. In Zukunft wird ein Audio-Leitsystem sehbehinderte Zuschauer durch das Haus führen, die Übersetzung fremdsprachiger Opern in einem Display in der Rückenlehne des Vordermannes zu lesen sein. Auch die Luftfeuchtigkeit wird den unterschiedlichen Anforderungen angepasst:
"Im Saal soll es drei verschiedene Luftfreuchtigkeiten geben. 30 Prozent im Zuschauerbereicht, und 45 Prozent relative Feuchtigkeit im Orchestergraben. Das entspricht den Anforderungen der Instrumente. Auf der Bühne wird die relative Luftfeuchtigkeit irgendwo dazwischen liegen, so etwa 40 Prozent. Das wird durch kleine Ritzen überall im Saal geschaffen, die man weder sehen noch hören soll."
Die Probe aufs Exempel können die Norweger und ihre Gäste in gut einem Jahr machen: Am 12. April 2008 soll das Haus feierlich eröffnet werden, und zwar mit einer Adaption von Jules Vernes Roman "In 80 Tagen um die Welt" aus der Feder von Gisle Kverndokk. Der ist in norwegischen Opernkreisen kein Unbekannter, komponiert alles von Chorsätzen bis zu Orchesterwerken:
Vor sieben Jahren räumte der Komponist den angesehenen Medienpreis "Prix Italia" für seine Radio-Oper "Bokken Lasson – stumbling success" ab. Auch mit Musicals feierte der Norweger Erfolge. Mit "Sofies Welt" etwa vertonte Kverndokk den gleichnamigen Roman seines Landsmannes Jostein Gaarder über die Geschichte der Philosophie. Jetzt hofft der Direktor der Osloer Oper, Bjørn Simensen, dass er mit einem Libretto, das auf mit Kverndokks neuem Werk ebenfalls die Massen ansprechen kann.
