Alternativer Reinigungsdienst

Mehr Lohn und mehr Wertschätzung

05:41 Minuten
Julia Seeliger Geschäftsführerin der Reinigungsfirma "Klara Grün"
Guter Dinge: Geschäftsführerin Julia Seeliger will ihre Mitarbeiterinnen so bezahlen, dass die Rente nach 40 Jahren Vollzeit zum Leben reicht. © Deutschlandfunk Kultur / Manfred Götzke
Von Manfred Götzke  · 19.07.2022
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Auch bei Reinigungsfirmen sind alternative Beschäftigungsformen möglich. Zwei Berliner Unternehmerinnen versuchen, fairere Arbeitsbedingungen zu schaffen, und bezahlen mehr als üblich. Anderswo ist man schon über den Mindestlohn froh.
Dass Christiane Hartmann seit drei Jahren bei einer etwas anderen Reinigungsfirma arbeitet, spürt sie schon an ihren Händen: "Ich arbeite ohne Handschuhe und das hat schon etwas zu sagen, oder?" Bei einer anderen Reinigungsfirma sei sie im Hautschutzprogramm gewesen, weil ihre Hände vom Putzen so verätzt waren.

Selbst hergestellte Putzmittel

Ohne Handschuhe und ohne kaputte Hände ein Bad putzen: Das kann die 56-Jährige erst, seit sie bei „Klara Grün“ arbeitet, einer Reinigungsfirma, die so ziemlich alles anders macht als der Rest der Branche.
Die Putzmittel zum Beispiel, stellt die Firma selbst her, erzählt Hartmann, während sie die Kacheln im Bad abwischt. "Wir benutzen Zitronensäure, Natron, Wasserstoffperoxid für die Toilette und Essig. Alles, was der Haushalt hergibt."
Heute reinigt Hartmann für "Klara Grün" in einer Altbauwohnung im Berliner Prenzlauer Berg. Es gibt lichtkunstartige LED-Lampen neben bunten Kinderzeichnungen, im Arbeitszimmer die neusten Computer.

Harte Arbeit wie auf dem Bau

"Erstmal gibt man uns viel mehr Zeit als bei einer großen Reinigungsfirma, man wird menschlich behandelt", sagt Hartmann über ihre Arbeitgeberinnen. "Man hat keinen Ansprechpartner bei einer großen Firma." Bei "Klara Grün" gibt es den aber, als wäre es eine große Familie.

„Von der Hand in den Mund – wenn Arbeit kaum zum Leben reicht" - unter diesem Titel beschäftigen wir uns in diesem Jahr in unseren Programmen mit der Lage der Arbeitswelt. Hier können Sie die Beiträge hören und lesen.

Hartmann nimmt die Zeitschriften und Malsachen vom Wohnzimmertischen im Schachbrettmuster, wischt gründlich über die Fläche - ein anderes Arbeiten und besser bezahlt: "Es ist auf jeden Fall mehr, die wollen jetzt unseren Lohn anheben auf mindestens 14,50 Euro", sagt die Reinigungskraft.
"Wir arbeiten genauso hart wie jeder Bauarbeiter." Wenn man das 30 Jahre lang getan habe, sei es mit dem Rücken, den Knochen und Händen vorbei.
Im Niedriglohnsektor zählt schließlich jeder Euro, sagt die zweifache Mutter, während sie sich den Staubsauger holt. An ihre Rente will sie gar nicht denken. Das wären nach 35 Jahren gerade mal 700 Euro. "Hätte man von vorneherein bei 'Klara Grün' gearbeitet, dann hätte man eine etwas höhere Rente gehabt."

Jeder Euro zählt

Etwa 32 Euro pro Stunde zahlt die Kundin. Sie findet das völlig in Ordnung. Eine Putzfrau schwarz zu bezahlen, käme für sie nicht infrage.
"Ich wollte nicht, dass für meine Bequemlichkeit jemand anders mies behandelt oder mies bezahlt wird", sagt sie. "WIr haben das Privileg und dann möchte ich nicht jemanden für einen Appel und ein Ei ausbeuten."

Social Business im Niedriglohnsektor

Fünf Kilometer weiter, südlich am Treptower Park, empfängt mich Julia Seeliger, eine der beiden Gründerinnen von "Klara Grün". Ein Großraumbüro, mit der Standardeinrichtung eines Startups. In der Mitte steht ein riesiger Glastisch auf einem Perserteppich, eine Regalwand aus Weinkisten mit allerlei Dingen aus der Geschichte des Putzens.
"Wir haben uns überlegt, wie sieht Reinigung gut aus und haben das umgesetzt", sagt Seeliger, die eigentlich aus der Gebäudereinigung kommt. Die Unternehmensgründung war eher Zufall.

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"Klara Grün haben wir eher aus der Not heraus gegründet, weil Luise, meine Mitgründerin, keine Reinigungskraft gefunden hat, die sich anstellen lassen wollte", erzählt Seeliger. Drei Millionen Menschen arbeiteten in Reinigungsberufen illegal, was ein großes Problem sei.
"Social Business" im Niedriglohnsektor nennen sie ihr Unternehmen. Das Ziel, das sie anstreben: Sie wollen ihren Mitarbeiterinnen so viel pro Stunde zahlen, dass die dann nach 40 Jahren Vollzeit eine auskömmliche Rente bekämen. Gut 15 Euro wären das.
"Wir wollen immer einen Schritt oder zwei über dem Mindestlohn sein, aber auch über dem Tariflohn, weil wir festgestellt haben, dass man von beiden Löhnen eigentlich nicht leben kann ohne Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen."
Das wollen die Unternehmerinnen verändern.

Rezepte von Oma

Wir gehen in den Keller. Seeliger will mir zeigen, wie sie hier ihre Reinigungsmittel herstellen. In einem kleinen Kellerraum räumt ein Mitarbeiter gebrauchte Putzlappen in die Waschmaschine. Alles wird hier mehrfach verwendet. In zehn Liter Kanistern, die Zutaten für die Putzmittel.
"Das sind alles Rezepte, die unsere Großmütter irgendwann einmal erfunden haben", sagt die Geschäftsfrau. Alles wird in gebrauchte Gläser abgefüllt, Plastik fällt hier nicht an. Deswegen wollen sie ihre Bio-Reinigungsmittel auch nicht verkaufen.

Die Geschäfte laufen gut

Klar, was sie hier machen ist zeitaufwändiger und teurer als die üblichen Reinigungsunternehmen. Doch es läuft, sagt Seeliger, sie könnten sich vor Kunden kaum retten - egal ob große Unternehmen oder Familien.*
"Hier wird keiner reich, aber das ist bei Sozialunternehmerinnen immer so", sagt sie. "Dafür fühlen sich viele in unserem Team gewertschätzt, weil ihre Themen gehört werden."
Bei den Kunden läuft es momentan so gut, dass "Klara Grün" einen Aufnahmestopp hat. Denn sogar die faire Reinigungsfirma findet gerade keine Fachkräfte mehr.
(*) Wir haben den Namen eines Unternehmens entfernt.
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