Putin-Besuch in Ungarn

Viktor Orbans "Pfauentanz" zwischen EU und Russland

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Viktor Orban und Wladimir Putin bei einem Treffen nahe Moskau im Januar 2014. © picture alliance / dpa / Yuri Kochetkov
Rudolf Ungvary im Gespräch mit Nana Brink  · 17.02.2015
Wenn heute Russlands Präsident Putin Ungarn besucht, wird es vor allem um Geld gehen, und das wiederum nutzt dem ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orban, meint der Schriftsteller Rudolf Ungvary. Gibt es einen Preisnachalss beim Gas, könne er bei der Bevölkerung punkten.
Der russische Präsident wolle mit seinem Ungarn-Besuch vor allem demonstrieren, dass Russland keineswegs weltweit isoliert sei, sagte Ungvary im Deutschlandradio Kultur. Umgekehrt verspreche sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban neben den russischen Milliarden für die Erweiterung eines Atomkraftwerkes auch einen möglichen Preisnachlass beim Gaspreis von Moskau.
Innenpolitischer Erfolg für Orban?
"Die Frage ist, wie kann sich das im Gaspreis niederschlagen", sagte Ungvary über Ungarns Haltung zu den EU-Sanktionen gegen Moskau. "Wie viel Geld wert ist das, diese Haltung von Orban." Darüber werde bei dem Besuch im wesentlichen die Rede sein. Wenn Putin der ungarischen Regierung einen niedrigeren Gaspreis anbiete, habe Orban einen innenpolitischen Erfolg erzielt. "Er kann der Bevölkerung beweisen, dass er der gute Führer ist", sagte der Publizist. Er wies darauf hin, dass Orban bei den EU-Sanktionen nur zähneknirschend mitmache.
Zersetzung der EU als Ziel
Für Putin sei die Zersetzung der EU ein wichtiges außenpolitisches Ziel. "Der ungarische Ministerpräsident ist dafür ein williger Partner", sagte Ungvary. Orban habe schon vor Jahren verkündet, dass seine Politik gegenüber der EU bloß "ein Pfauentanz" sei. "So tun wie ein kompromissbereiter Partner und dabei seine autoritären Ziele unbeirrt zu verwirklichen", beschrieb der Schriftstellers Orbans Politik. Die gesamte ungarische "Kleptokratie" gründe sich darauf, dass aus Brüssel Geld nach Ungarn fließe. Auf die Dauer scheine dies Orban offenbar nicht zu genügen. Durch die Erweiterung des Atomkraftwerkes würden nun neue russische Kredite nach Ungarn fließen. Mit diesem Geld werde sich nicht nur die Parteiklientel, sondern auch die oberste Führung bereichern können, sagte der Schriftsteller.

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Es ist ein ziemliches Vabanquespiel, was der ungarische Premierminister Viktor Orbán gerade aufführt. Anfang Februar begrüßte Orbán die deutsche Bundeskanzlerin in Budapest, die hatte sich ja lange geweigert, dort hinzufahren. Letzten Freitag war Orbán in der Ukraine, und, um das diplomatische Dreieck komplett zu machen, heute empfängt der ungarische Regierungschef den russischen Präsidenten Putin. Welchen Reim soll man sich auf diese Art von Diplomatie machen? Will der Kleinstaat Ungarn, Mitglied der EU, mit dem einst doch so verhassten großen sozialistischen Bruder gemeinsame Sache machen oder sucht der russische Zar weitere Verbündete? Der ungarische Schriftsteller Rudolf Ungvary ist ein regimekritischer Bürger seines Landes und beobachtet und kommentiert das Verhältnis beider Länder seit Langem. Guten Morgen, Herr Ungvary!
Rudolf Ungvary: Guten Morgen!
Brink: Wie ordnen Sie diesen Besuch auf vor dem Hintergrund der ja sehr instabilen Waffenruhe in der Ostukraine ein?
Ungvary: Ja, da geht es um gewisse Ziele. Mit Ungarn hat der ungarische Führer in erster Linie ein propagandistisches Ziel, und Putin schließt sich an und dazu, und der Konflikt mit der Ukraine hat nämlich nicht einfach das Vertrauen der Westmächte gegenüber Russland zertrümmert, sondern auch die europäische Ordnung nach dem Kalten Krieg in Frage gestellt. Laut der Jahresausgabe des Internationalen Instituts für Strategische Studien besteht keine wirkliche Hoffnung, dass jedwede Beschwichtigungspläne der EU-Kernstaaten gegenüber Russland überhaupt wirklich in Erfüllung gehen werden.
Und vor diesem Hintergrund gab Putin bei den letzten Verhandlungen in Minsk in einer Form nach, die im Grunde als ein Sieg erscheint. Tatsächlich hat er nämlich in nichts nachgegeben. Und für Putin sollte durch den Ungarn-Besuch dieses Ergebnis im Grunde genommen gefestigt werden. Er will vor aller Welt demonstrieren, dass Russland weitaus nicht in diesem Maße isoliert ist, als man annimmt. Er besucht also nicht bloß für eine Suppe Gulasch den Orbán. Die Suppe ist eher für den ungarischen Führer wichtig. Putins Ziel ist nämlich neben der Sicherung von Russlands Einflussraum in den Nachbarstaaten auch die Zersetzung der EU.
Williger Partner Orban
Brink: Das wollte ich gerade fragen. Versucht Putin einen Schulterschluss mit den Ungarn mit dem Ziel, einen Keil in die EU zu treiben?
Ungvary: Ganz eindeutig. Er ist nämlich dazu, also der ungarische Ministerpräsident, wirklich ein williger Partner. Er verkündete ja schon vor Jahren, dass seine Politik der EU gegenüber bloß „ein Pfauentanz" ist – so tun wie ein kompromissbereiter Partner, und dabei seine autoritären Ziele unbeirrt zu verwirklichen.
Brink: Aber ist das nicht ein unglaublich gefährliches Spiel für die Ungarn, die die EU ja dringend brauchen?
Ungvary: Also wissen Sie, in einer Demokratie bringt man sehr langsam grundsätzliche Entschlüsse. Man versucht ununterbrochen, Kompromisse zu schließen und zu beschwichtigen. Und das passiert auch jetzt mit Orbán. Und Orbán will hier im Grunde genommen, was die Finanzen anbelangt, seine Pläne durch Russland schmieden. Und das sind finanzielle Pläne, da kann man politisch nicht viel vorwerfen. Ungarn ist zwar Mitglied der EU, und die gesamte ungarische Kleptokratie gründet sich ja auf eine Unterstützungsmenge von Geldern, die aus der Gemeinschaft nach Ungarn fließen. Aber für die Dauer scheint dies nicht genügend zu sein, und deshalb wurde der Vertrag abgeschlossen für die Erweiterung des ungarischen Atomkraftwerkes durch Russland.
Brink: Ja, das sind immerhin zehn Milliarden.
Ungvary: Ja. Gerade dort liegt der Hase im Pfeffer. Die Erweiterung – durch diese Erweiterung werden auch russische Kredite nach Ungarn strömen, und diese unglaubliche Menge von Geld, 2000 Milliarden Forint, werden nicht nur für die Bereicherung der Parteiklientel, sondern auch für die oberste Führung dienen. Und dies ist gerade Orbáns fette Suppe. Der ungarische Ministerpräsident wird zwar nie so reich werden, wie dies Putin geschafft hat – er hat ja ein Vermögen ungefähr von 200 Milliarden Euro –, aber in einem Land wie Ungarn, das in politischer Hinsicht langsam, aber sicher symbolisch sich zwischen der äußeren Mongolei und Ostturkmenistan befinden wird, genügen die zufließenden 2000 Milliarden Forint aus dem Atomkraftwerk für das persönliche Portemonnaie.
Brink: Aber das sind ja ziemlich herbe Vorwürfe, die Sie da Ihrem Land machen oder zumindest der politischen Elite, dass man sich sozusagen verkauft an die Russen?
Ungvary: Ja, was Bereicherung anbelangt, läuft der Geist der beiden Staatsführer in gleicher Art und Weise.
Es geht ums Geld
Brink: Also, will man sich dann in Ungarn über Russland unabhängiger machen von der EU? Ist das dann neben der Bereicherung das größere Ziel?
Ungvary: So ausgesprochen kann natürlich das nicht – nämlich Orbán weiß ja auch genau, welche Grenzen er hat, und wie gesagt, für die EU-Gelder braucht er ebenfalls. Es geht im Grunde trotz politischer Sympathien im Grunde genommen um Geld. Es ist nämlich unbekannt hinsichtlich dieses Besuchs, und zwar sehr, eine ganz bestimmte Sache: Der ungarische Führer ist nämlich zusammen mit einigen anderen EU-Staaten gegen Sanktionen gegen Russland. Die große Frage ist also, wie viel Wert hat diese Haltung von Orbán für Putin, welche sich –
Brink: Also bislang hat sie ja gehalten. Also er hat sich zwar kritisch geäußert über die Sanktionen, aber er ist nicht ausgestiegen.
Ungvary: Ja, aber trotzdem steht er irgendwie neben Putin, und im Grunde genommen weiß ja jeder, dass er zu jenen gehört, die diese Sanktionen nur zähneknirschend mitmacht. Und die Frage ist, wie kann sich das im Gaspreis niederschlagen. Wie viel Geld wert ist das, diese Haltung von Orbán –
Brink: Also Sie meinen einen Preisnachlass sozusagen?
Ungvary: Ja, natürlich! Genau davon wird die Rede im Wesentlichen sein bei diesem Treffen, nämlich dieses Geld, wenn das weniger ist, dann hat Orbán einen innenpolitischen Erfolg. Er kann der Bevölkerung beweisen, dass er der gute Führer ist.
Brink: Wenn wir jetzt noch mal ein größeres Bild aufmachen – sortieren sich hier gerade neue Koalitionen in den ideologischen Grenzen des Kalten Krieges?
Ungvary: Vorläufig ist bloß Ungarn dasjenige Land, welches aus der Reihe tanzen will, und das hat seine schrecklichen historischen Gründe. Und das große Problem ist, da dieses Land sich innerhalb der EU befindet, dass Orbán dieser Führer typische, sein System und seine Ideologie exportieren kann, ungehindert. Und besonders die europäische Rechte ist noch gar nicht erwacht, und versteht das noch gar nicht, dass der Export des Orbánschen illiberalen Unterdrückungssystem auch ihren Kragen gefährdet, nicht nur die der Linken und Liberalen. Bis das nicht klar ist, bis dann geht diese Beschwichtigung und Kompromissbereitschaft seitens der EU weiter.
Brink: Der ungarische Schriftsteller Rudolf Ungvary! Schönen Dank für das Gespräch. Und wir haben uns unterhalten über den Besuch von Putin heute in Budapest bei Premierminister Viktor Orbán. Schönen Dank!
Ungvary: Bitte schön, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema