Puff - und alles ist weg

Von Kerstin Zilm |
In der Nacht auf den 15. November 2008 rast einer der vielen Waldbrände Kaliforniens über die Hügel nordöstlich von Los Angeles. Innerhalb weniger Stunden zerstören die Flammen eine Wohnanlage für mobile Häuser fast vollständig. 1600 Bewohner werden evakuiert, von 600 Heimen sind 500 bis auf Schutt, Asche und verbeulte Stahlgerippe niedergebrannt.
Ein enger Wohncontainer, der durch dünne braune Sperrholzwände in drei Mini-Büros geteilt ist. Die Fenster sind nicht zu öffnen, unter der niedrigen Decke steht die Luft. Im mittleren Segment telefoniert Parkmanagerin Ginny Harmon. Die kleine Frau im schwarzen T-Shirt mit schulterlangem stufig geschnittenen roten Haar und getönten Brillengläsern sitzt eingezwängt zwischen ihrem Schreibtisch und der Container-Rückwand.

Auf ihrem Tisch stapeln sich Grundrisspläne, Quittungen und handgeschriebene Notizen zwischen Taschenrechner, Telefon und Computertastatur. An den Wänden kleben Rechnungen, Listen und noch mehr gelbe Notizzettel. Auf einem schwarzen Plastik-Klappstuhl vor dem Schreibtisch sitzt eine Frau um die 70 in weißem Frottee-Jogginganzug, lange graue Haare im Nacken zusammengebunden, die Lippen blutrot geschminkt. Ihre gefalteten Hände mit sorgfältig passend zu den Lippen lackierten Fingernägeln liegen im Schoß. Kaum legt Ginny den Hörer auf, wendet sie sich der Besucherin zu und deutet schulterzuckend auf den Schreibtisch und das Telefon.

Ginny Harmon: " Warum versuchen wir nicht, Dir einen neuen Termin zu geben. Grade bin ich sehr beschäftigt, wie Du siehst, Hon. Ich versuche nicht, dich loszuwerden. Ehrlich!"

Die Managerin spricht alle, mit denen sie redet, entweder mit dem Vornamen an oder mit "Hon", kurz für "Honey". Gleichzeitig verdeutlicht sie mit stahlhartem Blick durch die Brillengläser, dass es keine Widerrede gibt, wenn sie eine Entscheidung getroffen hat. Bevor die Besucherin etwas sagen kann, greift Ginny schon wieder zum Telefonhörer.

Die grauhaarige zierliche Dame schiebt sich vorbei an der Sperrholzwand zum Nachbarkabuff, in dem die Sekretärin sitzt. Sie stößt dabei an die Ablage hinter der Wand. Ein mit Weihnachtspapier beklebter Schuhkarton für ausgehende Post droht von einem Stapel Werbematerial zu rutschen. Die Besucherin hält ihn fest und stützt sich mit der anderen Hand an einem der zwei Klappstühle ab, die neben der Eingangstür stehen. Ein Mann in dunkler Anzughose und weiß-blau gestreiftem Hemd sitzt auf dem Stuhl daneben. Besorgt breitet er seine Arme aus, während er einen geöffneten Laptop auf seinen Knien balanciert.

Die Managerin legt den Telefonhörer auf, nimmt leicht seufzend einen Stapel Papiere, liest und macht Notizen auf einem gelben Block. Rund um die Uhr ist Ginny Harmon damit beschäftigt, Bewohnern zu helfen, die sieben Monate nach dem verheerenden Feuer zurückkommen wollen in die Wohnsiedlung. Sie will nicht über die Katastrophe sprechen, die in der Nacht vom 14. November fast 500 der 600 Heime zerstörte, die sie in ihrer Obhut hat. Noch weniger darüber, dass auch sie fast alles verloren hat:

Ginny Harmon: "Jemand hat Schmuck für mich aus dem Haus geholt. Das war's. Ich hatte die Kleidung, die ich am Leibe trug. Mehr nicht. Aber - was passiert ist, ist passiert. Man muss vorwärts schauen. Das Leben geht weiter. Ich denk mehr an die anderen als an mich. Es geht nicht um mich, sondern um die Bewohner des Parks."

Die Managerin zieht unter den Papieren auf ihrem Schreibtisch einen Grundriss hervor, sucht nach einem Stift und beginnt, mit dem Mann am anderen Ende der Leitung zu diskutieren, wie ein neues mobiles Haus für dessen gehbehinderte 82-jährige Mutter maßgeschneidert werden kann.

Es klopft an die Sperrholzwand zwischen der Managerin und dem hintersten Teil des Containers. Um die Ecke schaut ein freundliches Gesicht. Buchhalterin Linda Babel gibt winkend Zeichen, zu ihr zu kommen. Die korpulente Mittfünfzigerin mit grauem Kurzhaarschnitt, Jeans und ausgeleierter roter Baumwolljacke über einem weißen T-Shirt deutet auf einen Klappstuhl neben ihrem Schreibtisch. Dann zeigt sie auf die verkohlte Mondlandschaft vor dem Fenster: unter wolkenlos blauem Himmel, vor einer kahlen Hügelkette ragen aus braun-grauer platt gewalzter Erde vereinzelte kniehohe Backsteinmauern, Treppengeländer und kohlenschwarze Baumskelette hervor.

Linda Babel: "Es war wunderschön, Bäume, viel Grün, Blumen, Häuser. Wir hatten Bingo-Abende, einmal im Monat einen Kino-Abend, im Freizeitclub haben die alten Damen Karten gespielt. Es war wie eine große Familie. Ich hatte ein schönes Zuhause, hatte angebaut, einen großen Fischteich im Garten, einen Orangenbaum, einen Zitronen- und einen Limonenbaum. Einfach schön."

Linda nimmt ein Fotoalbum aus dem Regal. Darin sind Bilder von jedem der abgebrannten Wohnmobile. Sie sehen aus wie Dokumente eines Kriegsgebiets nach einem Bombenanschlag: grau-braune Schutt- und Aschehaufen, ausgebrannte Autogerippe, verbogener Stahl. Wenn Linda von der Feuernacht erzählt, werden ihre Augen groß, als würde sie den Schrecken wieder spüren, der sie überkam, als über 20 Meter hohe Flammen mit mehr als 100 Kilometer Geschwindigkeit über die Hügel rasten, Eukalyptusbäume und Eichenwälder in Sekunden vernichteten und auf die Wohnanlage zurollten. Sie legt das Photoalbum zur Seite und dreht sich zum Computer, klickt auf die "YouTube"-Seite, tippt "Oakridge Park" ein und "Feuer". Dann klickt sie auf das erste Video.

Der Bildschirm füllt sich mit schwarzen Rauchschwaden vor gelb-rot glühendem Hintergrund und Silhouetten der Bergkette. Tannen- und Laub-Bäume biegen sich bis ihre Spitzen fast den Boden berühren. Ein Amateur filmt die Szene von der anderen Seite der Autobahn, an der die Wohnsiedlung liegt. Durch das Bild fahren Dutzende Löschfahrzeuge.

Linda Babel: "Als ich versuchte, rauszugehen, wehte es so stark, dass ich die Tür zu meinem kleinen Wohnwagen nicht öffnen konnte. Ich hab mich an der Seite festgehalten, hatte Angst umzufallen. So einen Wind hab ich noch nie erlebt! Ich hab den Hund in den Wohnwagen gepackt, fuhr zu Freunden, damit die mit mir zurückkommen und mein Auto holen. Zu spät. Wir kamen nicht mehr rein."

Seither lebt Linda mit ihrem Hund Button in ihrem Wohnwagen auf einem Campingplatz rund 20 Kilometer entfernt. Sie wartet sehnsüchtig darauf, dass die Aufräumarbeiten in der Siedlung komplett abgeschlossen sind, Strom und Gas zuverlässig funktionieren. Dann erst kann sie in ihr neues Heim ziehen - ein Zwei-Zimmer-Mobil mit Garten, in dem Button endlich wieder frei herumlaufen kann. Es steht in dem Teil der Siedlung, der das Feuer unbeschadet überstanden hat. Der ehemalige Besitzer lebt inzwischen in einem Altersheim. Linda wartet wie die meisten Bewohner der Siedlung auch noch auf die Entscheidung ihrer Versicherung, wie viel Schadensersatz sie bekommen wird. Sie weiss, sie ist besser dran, als die, die nichts mehr haben und ihre Mobilheime nicht versicherten.

Linda Babel: "Was ich noch habe? Ein paar Sachen im Wohnwagen, Bücher. Kochbücher. Krimskrams. Nicht viel. Wir haben gesucht, aber im Schutt waren nur ein paar Münzen, und die waren ziemlich geschmolzen. Ich hab Hosen gekauft, Schuhe, sowas. Im Wohnwagen ist nicht viel Platz. Er ist knapp neun Meter von Stoss-Stange zu Stoss-Stange. Man rafft sich auf und fängt von vorne an."

Sekretärin Suzan Ugert kommt die fünf Schritte von ihrem Schreibtisch an der Eingangstür in den hinteren Teil des Containerbüros. Sie könnte Lindas jüngere Schwester sein, ist auch korpulent, trägt einen grauen Kurzhaarschnitt, eine Brille und über Jeans eine weite, hellblaue Blümchenbluse. Suzan will zu ihrem Haus fahren. Es steht im unversehrten Viertel des Parks und hat abgesehen von starken Rauchspuren und zerbrochenen Fenstern keinen Schaden genommen. Suzan und ihr Mann müssen wie alle Parkbewohner mit der Rückkehr warten, bis Aufräumtrupps und Gebäude-Inspektoren die Genehmigung dafür geben. Derzeit wohnen sie auf demselben Campingplatz wie Linda in einem gemieteten Wohnwagen. Auch ihnen wird es zu eng. Suzan hat am ganzen Körper blaue Flecken, weil sie im Büro und zu Hause ständig irgendwo anstößt

Die Fahrt führt über die schmale Straße, auf der in der Feuernacht rund 1600 Bewohner unversehrt aus dem Wohnpark in Sicherheit flüchten, während in die andere Richtung Löschfahrzeuge rasen. Vereinzelte Briefkästen, Treppengeländer und Backsteinmauern lassen nur erahnen, wo bis vor wenigen Monaten eng nebeneinander hunderte Wohnmobil-Häuser standen

Suzan deutet auf das Grundstück, auf dem Lindas Mobilhaus mit Anbau stand. Wo ein großer Orangenbaum vor einer Garage dicke Früchte trug, ragt aus trockener Erde neben einem sorgfältig gereinigten Betonweg nur noch ein komplett verkohlter Baumstumpf. Vom großen Fischteich keine Spur. Etwa 50 Meter weiter: ein großes Becken mit weißen und blau-türkisen Kacheln. Die Überreste des Schwimmbads mit Whirlpool. Daneben steht eine gelbe Planierraupe.

Suzan: "Hier war das Clubhaus, 1400 Quadratmeter. Dienstag abends kamen 300 Leute zum Bingo-Spielen, montags war Kartenabend für die Herren, nachmittags spielten die Damen. Am ersten Tag als wir zurück kommen konnten, haben alle geweint. Eine solche Verwüstung!"

Urplötzlich verändert sich die Aussicht. Von grau-brauner Mondlandschaft in saftiges Grün: Eichen, Buchen, Zitrusbäume voller Blätter; kräftig blühende Azaleenbüsche und perfekt gepflegte Rasenflächen zwischen hellblau, gelb und hellgrün gestrichenen Häusern. Sie sehen aus wie kleine Bungalows einer Heile-Welt-Vorstadt aus einem US-Film der 50er-Jahre. Es ist das Viertel, an dem der Wind das Flammenmeer vorbei leitet. Hier wird verständlich, warum die Bewohner ihren Park liebevoll "Beverly Hills der Mobilheim-Anlagen" nennen. Und nicht mit den Hausbesitzern in den Siedlungen auf der anderen Seite der Autobahn tauschen wollen.

Genau an der Grenze zwischen Heile-Welt-Viertel und Mondlandschaft hält Suzan an. Tränen stehen in ihren Augen. Sie schaut auf ihr Haus - ein weißer Bungalow mit braunen Fensterläden und braunem Dach, einer Backsteintreppe mit schmiedeeisernem Geländer zum Eingang. Mit schwerem Schritt geht sie langsam die vier Stufen zur Haustür hoch, hält sich tastend am Treppengeländer fest, dreht sich auf der obersten Stufe um, schaut über verbrannte Erde in die Weite und versucht ein Lächeln.

Suzan: "Dort war ein Haus, das abgebrannt ist, zwei Häuser bis zu der Mauer dort. Ich hatte nie einen Blick auf den Freeway. Jetzt sehe ich ihn vom Wohnzimmerfenster aus. Ich will das nicht."

Die Eingangstür führt direkt ins Wohnzimmer - ein dunkler tiefer Raum mit niedriger Decke. Die Wände sind verkleidet mit PVC-Tropenholz-Imitat. Auf dem Boden liegen raue Sperrholzplatten, alle Zimmer sind leer geräumt, Schrankwände, Küchenzeile und Badezimmerkacheln vom Reinigungstrupp glänzend gewischt.
Suzan: "All unsere Möbel sind weg. Wegen des Rauchs. Als wir zum ersten Mal zurück kamen war alles schwarz. Es kam unter den Türen durch. Die Feuerwehr kam durch das Fenster hier hinten, die Hintertür war abgeschlossen, sie haben zwei Fenster zerbrochen, sind nach vorne gelaufen, man sah ihre großen Fußspuren auf dem Teppich, sie haben kontrolliert, ob noch jemand hier ist."

Suzan streicht zärtlich über die Wände und die Küchenzeile. Sie ist dankbar dafür, dass sie und ihr Mann mit ihrer Katze unversehrt vor den Flammen fliehen konnten und dafür, dass sie abgesehen von Plastik-Gartenmöbeln, die auf der Terrasse schmolzen und Pflanzen, die verbrannten, nichts verloren haben. Trotzdem steigen ihr immer wieder Tränen in die Augen, wenn sie sich in ihrem Haus umschaut.

Suzan: "Ich weiß, dass wir Glück haben, aber - zum Beispiel Linda: da war alles weg. Ich dagegen musste zusehen, wie sie meine Schränke durchwühlt und alles weggeschmissen haben. Vom Obst bis zu den Möbeln. Ich hab ein Haus, persönliche Sachen, Bilder, aber es ist nicht dasselbe. Es wird nie mehr sein wie früher."

Suzan steht wieder auf der Vordertreppe. Sie hat sich beruhigt: Die kaputte Waschmaschine wird wie versprochen abgeholt. Wieder kann sie etwas von ihrer Liste abhaken. Suzan atmet schwer durch, zeigt auf den kleinen Vorhof, den sie mit ihrem Mann vor zwei Jahren mit Backsteinen ausgelegt hat. Das Pflaster war beige. Jetzt ist es pink bis dunkelrot gebrannt. Es ist Zeit für sie, zurück ins Büro zu fahren. Sie hat keinen Grund, zu bleiben. Bevor Suzan losfährt, möchte sie noch eine Erkenntnis weitergeben, zu der sie nach dem Überleben eines starken Erdbebens und eines zerstörerischen Feuers gekommen ist:

"Ich hatte eine Auflaufform aus Österreich. Bei jedem Umzug hab ich sie persönlich an den neuen Platz getragen. Hab sie nie benutzt. Sie war von meiner Ur-, Ur-, Urgroßmutter. Nach dem Erdbeben war sie kaputt - eine Million Teile. Ich dachte - es reicht! Was Du nicht benutzt, behältst du nicht."

Auf der anderen Straßenseite sind zwei Männer aus einem Auto ausgestiegen. Der jüngere von ihnen, ein rothaariger drahtiger Mittsechziger in Jeans und grasgrünem Poloshirt rollt einen Gartenschlauch aus, richtet den Wasserstrahl auf vier Obstbäume, die neben einem intakten, moosgrünen Haus stehen. Bob und Art kommen jeden Tag, um die Zierbirnen zu gießen. Sie sind alles, was von ihrem Besitz übrig geblieben ist. Gartenschlauch, Wasser und moosgrünes Haus gehören der Nachbarin. Wo das Drei-Zimmer-Wohnmobil der beiden stand - umrankt von einem preisgekrönten Garten aus duftendem Jasmin sowie pink-, lila- und golden blühenden Bougainvilleas ist jetzt ein braunes Feld mit Blick über die Mondlandschaft zum Freeway. Ein Schild steckt in der Erde: "Ein neues Haus von Pacific Valley Home" - Bob, grau-weißes Toupet, wasserblaue Augen, ein blau-weiß-rot quergestreiftes Poloshirt zu weißen Shorts, leicht gebeugter, schmächtiger Oberkörper schwärmt vom neuen zu Hause, das in wenigen Wochen in drei Teilen angeliefert werden soll.

Bob: "Es wird wirklich ein 'Oh-mein-Gott-Haus'. Alle, die den Grundriss sehen, sagen 'Oh, mein Gott'. Es ist weitläufig, wir haben zwei große Schlafzimmer. Ich werde wieder Pflanzen kaufen. Im Oktober ist alles wieder da. Bestimmt!"

Das Paar weiß noch nicht, wie viel ihnen die Versicherung zahlt. Ihr Antrag wird bearbeitet. Das neue Heim kostet 175.000 Dollar. Die Anzahlung kommt von ihrem Ersparten. Bob und Art wollen nicht mehr lange warten. Das Leben in einer Einzimmerwohnung wird zum Härtetest ihrer mehr als 30-jährigen Beziehung.

Bob: "Wir haben eine sehr kleine Wohnung. Es waren Höllenmonate. Wir sind mehr als 200 Quadratmeter gewohnt!"

Art hat den Gartenschlauch sauber aufgerollt und an der Wand des Nachbarhauses befestigt. Er kommt langsam zum Auto und deutet in die Ferne, auf einen Flecken in der Erde in der Nähe der hintersten Zierbirne. "Dort war die Küche", erklärt er.

Art: "Ich hatte gerade das Haus komplett neu gestrichen, drinnen und draußen. Am Abend hatten wir die Küche fertig renoviert. Wir haben dort nicht mal eine Tasse Kaffe getrunken. Alles weg!"

Galgenhumor verbindet die beiden Männer, deren Haut von jahrzehntelangem Leben unter der heißen Sonne Kaliforniens ledern gegerbt ist. Der ältere, Bob, ist etwas wehmütiger, schwärmt mit melancholischem Blick von seiner kostbaren Sammlung handbemalter Tonwaren in Delfter Blau, die in den Flammen schmolz. Er lacht wieder, als Art von der Feuernacht erzählt, von dem Moment um kurz nach eins, als Feuerwehrmänner in voller Montur mit Schläuchen in der Hand die Haustür eintraten, er aufwachte und sah, dass seine Schlafzimmerwand brannte.

Art: "Ich war nackt. Schnappte meinen Hund und rannte los. Gott sei Dank, hatten wir am Tag vorher die Wäsche gemacht und die Klamotten lagen schön zusammengelegt auf dem Trockner. Ich hab mir eine Jeans genommen, den Hund ins Auto geworfen, die Hose angezogen, bin noch mal zurück, hab noch ein paar Sachen geschnappt. Das war's. Sein Auto ist verbrannt und unser Golfwagen. Dies Auto und ein anderes haben wir rausgekriegt. Der Rest - Puff - alles weg!"

Beide sind still geworden, schauen mit hängenden Schultern stumm auf die Bäume, die platte Erde, auf das Maklerschild. Art wirft den Kopf nach hinten und damit eine schwere Locke aus der Stirn. Er klopft dem kleineren Freund auf den Rücken und lächelt ihn aufmunternd an.

Art: "Hey, wir sind rausgekommen und leben. Der Rest ist nur Zeug. Zeug kann mit anderem Zeug ersetzt werden."

Der Ältere wirkt weiter niedergeschlagen, hält die Augen gesenkt auf die Straße, knetet seine Hände, stützt sich dann am Auto ab, sieht plötzlich sehr müde aus und zeigt schwach auf das unversehrte Viertel.

Bob: "Alle diese Häuser haben nichts abgekriegt. Es begann mit unserem Haus. Der Wind blies das Feuer in unsere Richtung. Das Nachbarhaus - unberührt. Aber es bringt nichts, deshalb zu weinen. Man muss vorwärts schauen. Aber: Ich vermisse es! Meine Familie will mir ein paar Teller in Delfter Blau zuschicken. Meine Sammlung war 10.000 Dollar wert."
Bob atmet einmal tief ein, wischt sich über die Augen, wendet sich ab und geht wortlos zu den Bäumen. Art schaut ihm ein paar Sekunden nach, dann folgt er dem Freund. Nach ein paar Schritten dreht er sich kurz um, winkt, lächelt von einem Ohr zum anderen, wendet sich wieder dem Freund zu und legt ihm einen Arm um die Schultern.

Zurück im Büro sitzt die grauhaarige Dame im weißen Jogginganzug mit dem blutroten Lippenstift wieder auf einem Klappstuhl. Jetzt bei Sekretärin Suzan. Sie ist gekommen, um sich die Farben für ihr neues Haus genehmigen zu lassen.

Salbeigrüne Fassade mit silbergrauen Zierleisten, dazu dunkelgelbe Fenster- und Türrahmen haben sich Virginia Todhunter und ihr Mann ausgesucht. Das neue Haus wird genau dort aufgebaut, wo ihr altes nieder brannte: am Fuß der Hügel, am Rand des Eukalyptuswaldes, von dem außer ein paar Stümpfen nichts mehr zu sehen ist. Es wird eine größere Küche haben. Dann kann das Ehepaar, das im Januar seine Goldene Hochzeit feierte, beim Frühstück durch ein großes Fenster auf die von der Morgensonne beschienenen Berge schauen. Virginia streicht sich elegant eine graue Strähne aus der Stirn, beschreibt mit ausladenden Handbewegungen und leuchtenden Augen das neue Haus. Sie will nirgendwo anders leben, seit sie vor sieben Jahren in den Park gezogen sind. Trotz der drohenden Erdbeben und Waldbrände.

Virginia: " Ich habe keine Angst, das stört mich nicht. Ich liebe es seit wir ankamen. Weil es abseits vom Rummel ist und ruhig. Ich bin jeden Tag im Park spazieren gegangen. Alle waren freundlich. Ich war Kassenwart der Einwohnergesellschaft. Mein Mann wollte anderswo wohnen, also haben wir uns umgesehen. Je mehr wir angeschaut haben, desto deutlicher wurde - das Beste ist es, zurück zu kommen. Hier bekommen wir das Meiste für unser Geld."

Auf dem Schreibtisch von Managerin Ginny Harmon liegt nun ausgebreitet über Papierstapel, Computertastatur, Taschenrechner und Telefon ein Grundrissplan. Mit ihr darüber gebeugt ist der Mann im blau-weiß gestreiften Hemd, der vorher mit seinem geöffneten Laptop auf dem Schoss auf einen Termin wartete. Bob Baranek arbeitet für die Wohnpark-Verwaltung am Entwurf für das neue Clubhaus. Der große, athletisch gebaute, braungebrannte Architekt mit dichten schwarzen Locken markiert mit einem gelben Leuchtstift die geplanten Verbesserungen.

Bob Baranek: "Es wird dieselben Umrisse haben. Aber es wird den großartigen Blick auf die Berge nutzen. Vorher war an der Wand zu den Bergen die Bühne des Gemeinschaftsraums. Dort kommt jetzt eine Glasfront hin. Außerdem planen wir einen größeren Fitnessraum, einige Kamine, einen Medienraum mit bequemen Stühlen, sogar einen kleinen Konferenzraum für unsere Bewohner."

Die Managerin macht sich während der Architekt spricht Notizen, schaut abwechselnd über ihren Brillenrand auf den Entwurf und zu Bob Baranek, dann wieder auf ihren gelben Block. Zwischendurch spielt sie nervös mit dem goldenen Anhänger ihrer Halskette und ihrer Armbanduhr.

Ginny: " Der Park leistet gute Arbeit. Sie arbeiten wie verrückt daran, dass alles fertig wird, sodass die Bewohner zurück kommen können. Es wird schöner sein als früher, mit mehr Angeboten für die Menschen. Alle freuen sich darauf. Es wird wieder schön werden. Viele Bäume, die verbrannt waren, werden wieder grün. Es sieht gut aus!" "

Suzan kommt um die Ecke, reicht Ginny einen Pappkarton mit aufgeklebten Farbquadraten, von denen drei umrandet sind und erinnert die Managerin daran, dass Virginia Todhunter auf ihre Entscheidung wartet. Die Managerin nickt, faltet den Grundriss zur Seite, sodass ihre Computertastatur freiliegt und beginnt zu tippen. Dem Architekten bedeutet sie mit einer Handbewegung, sich auf den Klappstuhl vor ihrem Schreibtisch zu setzen und zu warten.

Ginny: "Sie wollen zurückkommen in den Oakridge Park, manche sind um die Achtzig. Ich muss sie bewundern. Sie haben lange hier gelebt. Es ist ihr Zuhause. Und es sind die Menschen, die wichtig sind. Ohne Menschen hat man nichts."
Über die Autobahn im Rücken des Bürocontainers rast der Feierabendverkehr. Abendsonne taucht die kahle Bergkette gegenüber in goldenen Glanz und die Mondlandschaft des Parks in sanftes Licht. In diesem Moment scheint es möglich, dass die Bewohner von Oakridge mit ihrem unerschütterlichen Humor und Optimismus, mit Pioniergeist und Gemeinschaftssinn ihr fast ausgelöschtes zu Hause wieder aufbauen - besser und schöner als es je gewesen ist.