Publizist über die AfD

"Jeder soll eine Chance bekommen"

Alexander Kissler, deutscher Literatur- und Medienwissenschaftler, Kulturjournalist, Moderator und Sachbuchautor.
Alexander Kissler, deutscher Literatur- und Medienwissenschaftler, Kulturjournalist, Moderator und Sachbuchautor. © picture alliance / dpa / Erwin Elsner
Alexander Kissler im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 25.09.2017
Die Medien hätten im Umgang mit der AfD eine "gewisse Lernschuld", kritisiert der Publizist Alexander Kissler. Er plädiert dafür, der Partei mit mehr Gelassenheit zu begegnen - und auf die Stabilität der deutschen Demokratie zu vertrauen.
Für mehr "demokratische Gelassenheit" im Umgang mit der AfD plädiert der Publizist und Buchautor Alexander Kissler vom Magazin "Cicero".
Seine Hoffnung sei, dass die Struktur des Bundestages eine gewisses disziplinierende Funktion auf die AfD-Vertreter ausüben werde, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. "Es wird nicht jeder Abgeordnete der AfD zu jedem Anlass seine mitunter auch kruden Thesen vertreten können."
Polizisten stehen am 24.09.2017 in Berlin vor Demonstranten, die gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD) demonstrieren. Im Hintergrund ist der Fernsehturm zu sehen.
Demonstrieren? Ignorieren? Tolerieren? An der Frage des "richtigen" Umgangs mit der AfD scheiden sich in Deutschland die Geister.© dpa / Paul Zinken
Außerdem glaube er an die demokratische Grundverfasstheit der Bundesrepublik, betont er. "Die Deutschen bestehen aus mündigen Demokraten. Wer gegen den Comment verstößt, wer am Ende gar strafrechtlich relevante Taten oder Aussagen tätigt, der hat mit den Konsequenzen zu rechen." Und falls die AfD sich nur mit selbst beschäftige und eine Spaltung und ein Eklat den anderen folge, seien die Bürger auch mündig genug, die AfD wieder aus dem Bundestag herauszuwählen.

"Das Spiel beginnt im Bundestag bei Null"

Kissler warnt ferner davor, die knapp 13 Prozent Wähler, die der AfD bei der Bundestagswahl ihre Stimme gegeben haben, pauschal als Nazis oder Neofaschisten zu verunglimpfen. Das heiße auf der anderen Seite nicht, dass man jedem Mandats- und Funktionsträger der AfD einen "Persilschein demokratischer Unbedenklichkeit" ausstellen könne. "Aber ich plädiere dafür: Jeder soll eine Chance bekommen", so der Journalist. "Das Spiel beginnt im Bundestag bei Null."
Den etablierten Medien attestiert Kissler im Umgang mit der AfD eine gewisse Lernschuld: "Man hat, glaube ich, damals auch schon, als es noch die Lucke-AfD war, zu schnell einen zu breiten Keil herausgeholt und damit alles vom Diskursacker geprügelt, was nicht bei fünf auf dem Baum der rechten Gesinnung war", kritisiert er. Insofern solle man sich die Argumente genau anschauen und gleichzeitig Grenzen beachten, die nicht überschritten werden dürften. "Lassen wir uns überraschen!"
(uko)
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