Publizist Schumacher über Habecks Social-Media-Ausstieg

"Wollen wir Twitter den Trumps und all den anderen Vollpfosten überlassen?"

Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, kommt zur Jahresauftakt-Klausur des Bundesvorstandes in Frankfurt / Oder.
Robert Habeck hat seine Social-Media-Accounts gelöscht. © dpa / pa / Patrick Pleul
Hajo Schumacher im Gespräch mit Nicole Dittmer · 07.01.2019
"Bye bye, Twitter und Facebook": Mit diesen Worten verabschiedete sich Grünen-Chef Robert Habeck aus den sozialen Medien. Grund ist der Datendiebstahl, aber auch ein umstrittenes Wahlkampfvideo. Publizist Hajo Schumacher findet die Entscheidung falsch.
Grünen-Chef Robert Habeck gibt seine Accounts bei Facebook und Twitter auf. In seinem Blog erklärte er unter der Überschrift "Bye bye, Twitter und Facebook" ausführlich die Gründe für seinen Ausstieg: "Ein Jahresanfang, der in digitaler Hinsicht doppelt daneben war. Erst der Angriff auf die privatesten Daten meiner Familien, die via Twitter öffentlich wurden. Dann noch einmal über Twitter ein Fehler meinerseits – und zwar der gleiche zum zweiten Mal: Wie dumm muss man sein, einen Fehler zweimal zu begehen?"

Der Grünen-Chef hatte in einem am Sonntag veröffentlichten Video erklärt, seine Partei werde alles dafür tun, damit Thüringen "ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land" werde. Die Formulierung löste Irritationen aus, auch weil die Grünen in dem Bundesland derzeit mitregieren. Bereits kurz vor der Landtagswahl in Bayern im Oktober hatte Habeck ein irritierendes Video veröffentlicht.
Der Publizist Hajo Schumacher sieht den Schritt kritisch. "Ich bin mir nicht sicher, ob Robert Habeck die richtige Entscheidung getroffen hat, um zu sagen: Twitter ist schuld."

"Die Polarisierungsfalle ist die Pest unseres Jahrhunderts"

Er hätte es besser gefunden, wenn der Grünen-Chef gesagt hätte, dass er aus seinen Fehlern gelernt habe und versuche, ein besserer Twitterer zu werden, betonte der Journalist: "Wenn sich eher Vernunftbegabte wie Robert Habeck von Twitter verabschieden, dann überlässt man den Falschen das Feld."
Portrait von Hajo Schumacher vor dem Mikrofon im Studio.
Hajo Schumacher sieht in Twitter eine "Emotionsbeschleunigungsmaschine".© Deutschlandradio / Malte E. Kollenberg
Twitter sei eine "Emotionsbeschleunigungsmaschine". Auch deshalb halte er es für wichtig, einige Grundregeln beim Twittern zu beachten. So sollte der erste, nahliegende Affekt unterdrückt werden - "vielleicht sogar, wenn man das schafft in unserer schnellebigen Zeit, mal eine Nacht drüber zu schlafen." Außerdem sollte nicht nach zwei, drei Flaschen Wein getwittert werden - genauso wenig nach Streit mit Partner oder Kindern.
Heute gebe es wegen Twitter und der Nutzung durch den US-Präsidenten Trump eine ganz neue Form der politischen Auseinandersetzung, "weil Zwischentöne in der Kürze und in der Geschwindigkeit flöten gehen". Die Polarisierungsfalle sei "die Pest unseres Jahrhunderts", sagt Schumacher - und fragt: "Wollen wir dieses Medium Twitter den Trumps und all den Vollpfosten überlassen, die da unterwegs sind?"
(mhn)
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