Publizist Peter Merseburger

"Das Antiautoritäre hat mich gereizt"

33:40 Minuten
Der deutsche Journalist und Schriftsteller Peter Merseburger, aufgenommen am 12.10.2007 auf dem Blauen Sofa auf der Internationalen Frankfurter Buchmesse.
Peter Merseburger schrieb nach Biografien über Brandt, Heuss und Augstein nun auch ein Buch über sein eigenes Leben. © picture alliance / dpa-Zentralbild / Arno Burgi
Moderation: Annette Riedel · 02.03.2021
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Korrespondent für den "Spiegel", Chefredakteur des NDR, Moderator von "Panorama", Autor zahlreicher Biografien: Peter Merseburgers Karriere hatte viele Stationen. Jetzt erscheinen seine "Erinnerungen eines politischen Zeitgenossen".
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs macht sich der 17-jährige Peter Merseburger Gedanken darüber, "was Information und Falschinformation bewirken kann". Der Wunsch entsteht, selbst Journalist zu werden.

Der Journalist und Autor Peter Merseburger ist am 15. Februar im Alter von 93 Jahren in Berlin gestorben. Der frühere ARD-Korrespondent gehörte zu den prägenden Köpfen der westdeutschen Medienlandschaft in der Nachkriegszeit. Seine Berichte und Kommentare lösten teils heftige politische Reaktionen im konservativen Lager aus. Vor einem Jahr sprach er in der Sendung Im Gespräch über sein Leben.

Über einen katholischen Pfarrer kommt er politisch näher mit der CDU in Kontakt, für deren Kandidaten Jakob Kaiser er 1946 in Zeitz in der sowjetischen Besatzungszone Wahlplakate klebt. Außerdem verteilt er Zeitungen aus West-Berlin, wofür er zwei Wochen ins Gefängnis muss: "Ohne Anklage, ohne Staatsanwalt, ohne alles. Wir wurden einfach weggesperrt, damit wir im Wahlkampf nichts mehr taten."

Lieber investigativ als langweilig

Als Student wechselt Merseburger später von Halle nach Marburg. An dieser "stockkonservativen Universität", wie er sie nennt, tritt er dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund bei. Nach Volontariat und verschiedenen Zeitungserfahrungen kommt er Anfang der 60er Jahre zum "Spiegel", eine sehr bewegte Zeit: "Haften geblieben ist mir natürlich der Mauerbau als der wichtigste Einschnitt und als Zäsur der Geschichte der Deutschlandpolitik."
Hier arbeitet er gern: "Vor allen Dingen das Antiautoritäre hat mich gereizt. Es kamen auch die ersten Versuche des investigativen Journalismus, Stichwort Bestechung von Abgeordneten bei der Wahl Bonns zur Bundeshauptstadt. Der Stil des 'Spiegel' beeindruckte mich, wenn ich das mit den deutschen langweiligen Tageszeitungen verglich."

"Panorama" als Bildungsfernsehen

Vom "Spiegel" wechselt Merseburger zum Fernsehen. 1967 wird er Redaktionsleiter und Moderator des Magazins "Panorama" beim NDR. "Wir hatten die höchsten Einschaltquoten von Magazinen, aber haben uns immer gefreut, dass darunter Leute waren, die uns nur eingeschaltet haben, um sich zu ärgern. Wir haben damals versucht, den Vätern zu erklären, warum ihre Söhne auf die Straße gehen und demonstrieren. Da sind wir zwischen verschiedene Feuer gekommen."
Zum wohl bemerkenswertesten Fall von Zensur im deutschen Fernsehen führt schließlich ein Beitrag über Abtreibung, der noch am Tag der geplanten Ausstrahlung von der Intendantenkonferenz abgelehnt wurde. Heute wäre so etwas seiner Ansicht nach nicht mehr möglich, jetzt könne man sich "mehr oder weniger zivil" über alles streiten: "Insofern ist das Gott sei Dank ein großer Unterschied zu diesen dramatischen 60-ern", ein Jahrzehnt, das er als Übergangszeit von der Autorität zur Liberalität sieht.

Aus den USA in die DDR

Nach fünf Jahren als Studioleiter in Washington kommt Merseburger 1982 für die ARD nach Ost-Berlin. Da erkennt er als erstes den Geruch seiner Kindheit wieder: "Die ganze DDR roch, als ich aus Amerika kam, einfach nach Braunkohle." Entscheidender war aber etwas anderes: "Nach diesem freien Amerika jetzt plötzlich in eine geschlossene Gesellschaft zu kommen, die auf der Straße mürrische, graue Gesichter zeigte, das war schon ein Riesenunterschied."
Mit 63 Jahren verlässt Peter Merseburger die ARD, seitdem schreibt er Bücher – vor allem Biografien bekannter Persönlichkeiten wie Kurt Schumacher, Willy Brandt, Theodor Heuss und Rudolf Augstein. Nun hat der inzwischen 92-jährige Publizist auch ein Buch über sein eigenes Leben geschrieben: "Aufbruch ins Ungewisse". Er habe festgestellt, "dass es viel schwieriger ist, eine Autobiografie zu schreiben, als Biografien über andere Menschen."
(mah)

Peter Merseburger: Aufbruch ins Ungewisse. Erinnerungen eines politischen Zeitgenossen
DVA, 464 Seiten, 26 Euro

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