Psychotherapeutische Behandlung der Schizophrenie

Von Ulfried Geuter · 28.12.2008
Bei Schizophrenie leiden die Betroffenen unter Halluzinationen. Sie hören zum Beispiel Stimmen, sie fühlen sich verfolgt oder verlieren den Bezug zur Wirklichkeit. Sie wissen etwa nicht mehr, ob die Gedanken in ihrem Kopf von ihnen oder von einem anderen Menschen kommen. Nun wird der Ruf nach einer psychotherapeutischen Behandlung anstatt mit Psychopharmaka lauter.
Je früher man eine heranschleichende Schizophrenie erkennt und je früher man sie behandelt, desto mehr kann der Ausbruch der vollen Erkrankung verzögert werden und desto geringer sind später die Beschwerden. Das ist die Erfahrung von sieben Früherkennungszentren für Schizophrenie, die es heute in Deutschland gibt. Eines davon leitet der Psychiater Andreas Bechdolf an der Universitätsklinik in Köln. Dort geht man in der Behandlungsmethode neue Wege. Lange Zeit nämlich galten in der Psychiatrie Medikamente, sogenannte Neuroleptika, als einziges Mittel der Behandlung. Von den Fachleuten lehnt niemand sie rundweg ab. Bechdolf allerdings meint, dass die Patienten im Frühstadium in jedem Fall eine Psychotherapie erhalten sollten, in der sie sich damit auseinandersetzen, was sie über sich und über die Welt um sich herum denken:

"Dass man eng diese Menschen beobachtet, Psychotherapie einsetzt, das kann man auf jeden Fall empfehlen, und diese pharmakologischen Interventionen, insbesondere die Antipsychotika-Gabe nur macht, wenn es doch schon sehr Psychose-nahe Symptome gibt, die zu einer Behinderung führen, dazu, dass die Betroffenen nicht mehr zur Schule gehen können oder nicht mehr arbeiten können."

Im Frühstadium der Entwicklung einer Schizophrenie erleben die Patienten einen Wahn oder eine Halluzination teilweise noch als ihnen fremd. Sie kennen sowohl ihr normales Erleben wie auch das Stimmen-Hören oder den Wahn. Später sind sie hingegen ganz und gar davon überzeugt, dass beispielsweise Gott ihnen etwas einflüstert oder dass sie verfolgt werden. Dann sind sie für eine Psychotherapie, in der man sich mit den Symptomen auseinandersetzt, weniger zugänglich.

Aber auch dann kann Psychotherapie noch etwas bewirken, sagt die Marburger Psychologin Tania Lincoln. Sie hat alle Studien ausgewertet, in denen Forscher die Effektivität von Psychotherapie bei der Behandlung von Schizophrenie überprüften:

"Da ist ein ganz schöner Wandel im Gang... Man hat ja sogar früher gesagt, man würde den Wahn noch schlimmer machen, wenn man ... mit Betroffenen über den Wahn redet. Das hat sich definitiv als falsch erwiesen. Es gibt inzwischen psychologische Ansätze, wo direkt mit dem Wahn gearbeitet wird, und da zeigt sich, dass man den Wahn schon zum Teil reduzieren kann."

In der Kognitiven Verhaltenstherapie redet der Therapeut mit dem Patienten darüber, was für oder gegen eine wahnhafte Überzeugung spricht. Das heiße aber nicht zu versuchen, jemandem seinen Wahn einfach auszureden, sagt Tania Lincoln, sondern auch zu verstehen, wie er zu ihm gekommen ist:

"Das ist aber nicht alles. Sondern dann kommt schon eine Phase, wo man sich die Anhaltspunkte anguckt und jemanden ermutigt, auch mal konkret etwas auszuprobieren, also zum Beispiel Verhaltensexperimente macht, wenn jemand meint, sie wird verfolgt, dass man bestimmte Überzeugungen austestet und guckt: Wie viele Leute gucken Sie denn gerade an? Wie viele Leute gucken mich an? Also richtig auf der konkreten Ebene."

Dazu allerdings muss ein Patient auch bereit und fähig sein. Chronisch schwer Schizophrene leiden nicht nur an Wahn oder Halluzinationen, sie werden dumpf, gefühllos, bewegungsarm und ziehen sich in sich selbst zurück. Psychiater sprechen von "Negativsymptomatik”. Sie ist schwer zu verändern. Einige Zeit setzte man große Hoffnungen in neue Medikamente. Aber erst kürzlich stellte in England das für Therapiebewertungen zuständige Nationale Institut fest, es gebe keine Belege dafür, dass bei diesen Symptomen irgendwelche Medikamente helfen würden. Allerdings heißt es in der Expertise des Instituts, dass künstlerische und körperbezogene Psychotherapie den Patienten helfen könne. Der Psychiater Frank Röhricht aus London verdeutlicht, was darunter zu verstehen ist:

"Der Patient erlernt zum Beispiel, dass die körperliche Handlung eine Handlung ist, die er selbst initiiert hat. Die er nicht nur initiiert hat, sondern die er auch selbst ausführt. Das lässt sich am besten am konkreten Leibgeschehen mit dem Patienten erarbeiten... Ein Beispiel ... wäre ... das spiegelnde Verhalten, bei dem der Patient ... aufgefordert wird, eine bestimmte sehr simple einfache Körperbewegung auszuführen, die vom Therapeuten ... widergespiegelt wird."

Indem der Therapeut die Bewegungen des Patienten so nachmacht, als würde dieser sich in einem Spiegel sehen, lernt der Patient, dass seine Bewegung aus seinem Körper kommt. Das bahnt den Bezug zu sich selbst. Allen Patienten empfiehlt Frank Röhricht allerdings, Medikamente einzunehmen. Dass aber auch verschiedene Arten der Psychotherapie in verschiedenen Stadien einer Schizophrenie hilfreich sind, hätten Fachleute vor einigen Jahren noch nicht für möglich gehalten.