Psychologie mit Theaterzauber

Von Roger Cahn |
Das prominente Duo aus Regisseur David Pountney und Dirigent Franz Welser-Möst wagt sich im Zürcher Opernhaus an "Die Frau ohne Schatten" des ebenso prominenten Duos Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal - und gewinnt.
Jeder Koch, der den Brocken "Die Frau ohne Schatten", im Opernjargon gerne "Frosch" genannt, zubereiten möchte, läuft Gefahr, ein ungenießbares oder zumindest schwer verdauliches Mahl zu servieren. Hofmannsthal und Strauss haben einfach viel zu viel in ihr Mammutwerk – eine Aufführung mit zwei notwendigen Pausen dauert immer über vier Stunden – verpackt: Märchen, Psychodrama, Mysterienspiel, Prüfungsoper sind nur einige der vielen Facetten. Da muss sich ein Regisseur entscheiden: Will ich ein märchenhaftes Spektakel auf die Bühne bringen oder mich auf die Personen und ihre Probleme konzentrieren?

Pountney entscheidet sich für Psychologie mit Theaterzauber: vier Figuren auf der Suche nach dem Menschsein. Dabei setzt er den Akzent auf die spannungsgeladene Beziehung zwischen Färber und Färberin. Eine zänkische Zicke, die den Konflikt sucht und ihren braven Mann so lange piesackt, bis dieser, zum Äußersten gereizt, zuschlägt. Dann ist plötzlich diese "Widerspenstige gezähmt". Das ist spannend zu verfolgen. Damit die Kaiserin nicht zu kurz kommt, interpretiert Pountney die Rolle der Amme als weiblicher Mephisto, der "seiner Fäustin" zum Schatten verhelfen möchte, nicht ohne sich Lohn für geleistete Dienste zu erhoffen. Einzig für den Kaiser fällt dem Regisseur nichts Schlüssiges ein. So bleibt diese Figur ziemlich farblos.

Auf Märchenstimmung wird völlig verzichtet, denn diesen Aspekt übernimmt die Musik. Und da zieht Franz Welser-Möst mit dem ihm bestens vertrauten Orchester der Oper Zürich alle Register seines Könnens. Er setzt ein glänzend besetztes Ensemble vorzüglich in Szene: Emily Magee als Kaiserin besticht durch facettenreiches Spielen und Singen, Michael Volle gibt den Färber mit vollem Bariton, Janice Baird mit ihrem leicht metallenen Sopran überzeugt vor allem als Zicke, Birgit Remmert zeigt die Vielschichtigkeit der Amme hervorragend, einzig Roberto Sacca als Kaiser fällt mit seinem Mozarttenor etwas ab. Da das Zürcher Opernhaus nicht allzu groß ist, muss beim "Frosch" für einmal nicht ständig laut "gequakt" werden. So kann man die Delikatessen der Musik in vollen Zügen genießen.

Fazit: "Frau ohne Schatten": FROSCH als kulinarisches Theater.