Psychologie in der Coronakrise

Zwischen Vertrauen und Sorge

07:34 Minuten
Ein Stand in New York, an dem bunte Masken als Mundschutz verkauft werden.
Das Angebot farbenfroher Masken soll während der Coronapandemie zumindest die Stimmung heben. © picture-alliance/Bildbyran/Zuma Press
Cornelia Betsch im Gespräch mit Ute Welty · 18.04.2020
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Es sind vor allem wirtschaftliche Sorgen, die viele Menschen gerade beschäftigen, sagt die Psychologin Cornelia Betsch. Die Angst um die eigene Gesundheit habe inzwischen nachgelassen. Die meisten Leute seien in der Coronakrise gut informiert.
Ute Welty: Menschen werden krank, Menschen haben Angst, Menschen verlieren ihren Job. Die Folgen von Corona sind so unglaublich weitreichend, dass sie sich in wenigen Worten kaum beschreiben lassen. Psychologin Cornelia Betsch und ihr Team von der Universität in Erfurt kümmern sich vor allem darum, wie gut die Deutschen über das Coronavirus Bescheid wissen und wie sie sich schützen.
Frau Betsch, Sie befragen seit Anfang März in einer repräsentativen Stichprobe etwa tausend Menschen in Deutschland über deren psychische Stimmungslage. Was hat sich denn verändert seit Beginn der Krise?
Cornelia Betsch: Erst mal ist wichtig zu sagen, wir befragen jede Woche tausend andere Menschen, es ist ein sogenannter Querschnitt und ein Schnappschuss, sodass wir eben jede Woche gucken können, wie ist im Moment das Bild. Was wir da sehen konnten Anfang März: Da war die Risikowahrnehmung und die Akzeptanz auch von den Maßnahmen nicht sehr gut, und dann, als die Maßnahmen einsetzten, hat sich das sprunghaft verändert. Jetzt pendelt sich das auf einem zwar hohen, aber doch etwas niedrigeren Niveau ein. Man könnte sagen, die Risikowahrnehmung ist stabil, aber die Akzeptanz der Maßnahmen geht langsam zurück.
Die Psychologin Cornelia Betsch
Die Psychologin Cornelia Betsch untersucht gerade, was den Menschen Sorge bereitet und wie sie informiert sind. © picture-alliance/dpa/Martin Schutt
Welty: Was sind aktuell denn die größten Sorgen?
Betsch: Insgesamt kann man sagen, am Anfang war die Sorge sehr groß, dass die Gesellschaft egoistischer werden könnte, das ist zurückgegangen. Im Moment sind immer noch die wirtschaftlichen Sorgen die größten Sorgen. Das war von Anfang an relativ ausgeprägt, das ist dann noch mal schlimmer geworden.
Welty: Und die Sorge um die eigene Gesundheit?
Betsch: Die Sorge um die eigene Gesundheit, auch, dass man jemanden verlieren könnte, den man liebt, oder auch, dass das Gesundheitssystem überlastet werden könnte, das sind alles Sorgen, die langsam zurückgehen.

Jüngere Leute informieren sich weniger

Welty: Reagieren ältere Menschen anders als jüngere?
Betsch: Ältere Menschen haben sehr gut verstanden, dass wenn sie diese Erkrankung bekommen, dass sie für sie schwerwiegender ist. Was wir vor allem am Anfang auch beobachtet haben, war, dass die Wahrnehmung der Erkrankungswahrscheinlichkeit niedriger war, also sie dachten, ich krieg es wahrscheinlich nicht, aber wenn ich es kriege, wird es schlimmer.
Wir haben uns da sehr viele Gedanken darüber gemacht, gehen dem jetzt auch noch mal gesondert nach. Es könnte sein, dass ältere Menschen eben denken, ich hab auch nicht so viel Kontakt zu anderen Leuten, und deswegen erkranke ich vielleicht auch nicht. Das ist aber im Moment eher eine Arbeitsthese, das können wir nicht genau sagen. Letztendlich wissen sie stärker, dass sie gefährdet sind, und halten sich auch eher an die Maßnahmen.
Welty: Das ist bei Jüngeren nicht unbedingt der Fall, die halten sich häufig nicht an die empfohlenen Regeln wie Abstand und Händewaschen, so heißt es zumindest oft. Können Ihre Befragungen das bestätigen?
Betsch: Wir haben jetzt gerade noch andere Auswertungen gemacht, vor allem die ersten vier Wochen noch mal genauer angeguckt. Da sehen wir doch eindeutig, dass es ein Cluster gibt, die wenig wissen und die auch wenig tun. Dieses Cluster wurde im Laufe der Zeit immer kleiner, das werden wir uns sicherlich jetzt auch noch mal für die aktuelleren Wochen anschauen, aber in dieser Gruppe befinden sich vor allem jüngere Leute.
Welty: Mehr Männer oder mehr Frauen?
Betsch: Das kann ich gerade nicht so genau sagen.

Einfluss von Medien und Influencern

Welty: Wie könnte man denn diese Gruppe der Nichteinsichtigen erreichen?
Betsch: Wir sehen insgesamt, dass die öffentlich-rechtlichen Medien eine sehr hohe Relevanz haben, sie werden häufig verwendet und denen wird auch sehr vertraut. Das sind also durchaus Kanäle, wo man die Botschaften gut loswerden kann, aber ich muss auch grundsätzlich schon noch mal sagen, dass das Befolgen der Maßnahmen sehr, sehr hoch ist. Sehr viele Leute wissen sehr, sehr gut Bescheid und halten sich auch daran. Das sind wirklich kleinere Gruppen, die sagen, ich mache da mal eine Ausnahme, oder die sich gar nicht dran halten.
Welty: Vielleicht müsste man aber auch noch viel mehr über die sozialen Medien gehen, über die sogenannten Influencer.
Betsch: Ich glaube, da passiert tatsächlich sehr viel. Wir sehen in den Daten erst mal nicht, dass irgendein Medium tatsächlich sich auf diese Verhaltensweisen stark auswirkt oder dass das irgendwie so systematisch sich zeigt. Aber natürlich, wenn man sich die sozialen Medien anguckt, werden die sowohl vom Bundesministerium als auch durch "Influencer" selber sehr klar genutzt, auch um unseren sozialen Kontakt, den wir jetzt doch irgendwie vermissen, aufrechtzuerhalten.
Da gibt es große Aktionen, die da laufen, die die Leute wieder zusammenbringen und die auch die Regeln verbreiten, gerade auch unter den jungen Leuten. Da hat sich sehr viel, ich würde mal sagen so grassroots-mäßig auch entwickelt. Auch jetzt vor dieser Empfehlung "Maske auf" zum Beispiel gab es ja eine Aktion in den sozialen Medien, die hieß #maskeauf, die sich dann einfach selbst entwickelt hat und dort verbreitet hat. Ich glaube, da passiert auch ziemlich viel Gutes.

Schwierige Hygiene in den Schulen

Welty: Neu untersucht haben Sie in dieser Woche die Frage der Schulöffnungen, welche Erkenntnis haben Sie da gewonnen?
Betsch: Die Befragung war im Kasten, bevor die Bundeskanzlerin am Mittwochabend vor das Mikrofon getreten ist, das heißt, da wussten die Leute noch nicht genau, was entschieden wird. Wir haben aber verschiedene Varianten abgefragt. Die, wie es jetzt ist – also Ältere gehen zuerst in die Schule –, ist relativ gut akzeptiert. 46 Prozent finden das gut, 30 Prozent lehnen das allerdings auch ab. Wir haben uns verschiedene Rotationsmöglichkeiten angeguckt, das wird immer wieder diskutiert.
Wenn dann die jüngeren Schüler in die Schule sollen, müssen die Lerngruppen verkleinert werden. Die können natürlich nicht alle gleichzeitig da sein, sondern dann gibt es halt verschiedene Varianten – Vormittag, Nachmittag oder A- oder B-Woche. Da sehen wir schon, dass so was wie A- oder B-Woche doch am seltensten abgelehnt wird, und so was wie Vor- und Nachmittag wird deutlich abgelehnt. Das sagen eben vor allem auch Familien mit kleineren Kindern, das ist für uns organisatorisch nicht machbar.
Ich denke, solche Dinge sollten die Politik oder auch die Verantwortlichen in den Schulen mit einbeziehen, denn die Familien müssen die Schulöffnungen mittragen. Sonst ist es schon schwierig, die Kinder dann zu betreuen, wenn die Eltern vielleicht noch arbeiten, aber solche Rotationssysteme stellen Familien da natürlich noch mal vor neue Herausforderungen. Das wäre das eine.
Das andere sind halt die Abstands- und Hygieneregeln. Wir haben gefragt: Trauen Sie Ihrem Kind zu, dass Ihr Kind das einhält? Da ist jetzt auch wenig überraschend, dass Eltern jüngerer Kinder, also sechs bis zehn Jahre, da denkt ein von drei Eltern, mein Kind schafft es vielleicht nicht. Aber auch bei den Eltern von den älteren Kindern, also 14- bis 18-Jährigen, denken das auch zehn Prozent.
Und wenn man sich jetzt Lerngruppen von 15 Kindern vorstellt, und irgendwie bei den Kleinen machen fünf von den 15 Kindern nicht mit bei den Abstands- und Hygieneregeln, oder bei den älteren Kindern eins von den zehn oder 15, dann wird einem sofort klar, das mag auf dem Papier wenig aussehen, aber wenn man sich das in der Gruppe vorstellt, dann wird das sehr schwierig.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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