Psychologe über onlinesüchtige Jugendliche

Abhängigkeit verzögert Entwicklung

Ein Junge sitzt mit einem Laptop auf seinem Bett und hat die Hände vor das Gesicht geschlagen.
Internet-Sucht: Computerspielen bis alles andere darunter leidet. © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Moderation: Liane von Billerbeck |
Online-Sucht äußert sich bei Jungen und Mädchen unterschiedlich, die Beeinträchtigungen seien aber ähnlich, sagt Psychologe Gallus Bischof. Wer ein, zwei Jahre dadurch versacke, dem fehle die Zeit für andere Entwicklungsaufgaben.
Nacht für Nacht beim Online-Computer-Spiel oder Stunden und Tage und Nächte im Social Media-Account, bis alles andere darunter leidet – das nennt man dann wohl Sucht, so wie man auch von Alkohol oder Drogen abhängig sein kann.
600 Forscher befassen sich derzeit beim Deutschen Suchtkongress in Hamburg mit Internet-Abhängigkeit von Kindern und Jugendlichen. Einer von ihnen ist Gallus Bischof von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck am Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.

Die Zeit fehlt für andere Entwicklungsaufgaben

Bischof sagt, Kriterien für Online-Sucht seien bestimmte Verhaltensweisen, etwa, dass zunehmend andere Interessen vernachlässigt werden; dass sich das Leben immer mehr um die Internet-Nutzung drehe; dass Patienten über Entzugserscheinungs-artige Symptome berichten. "Und wenn verschiedene dieser Symptome zusammen kommen, dann kann man von einer Sucht sprechen."
Wenn im Kindes- und Jugendalter "jemand eins, zwei Jahre mit Computerspielen und ähnlichem versackt, dann fehlt diese Zeit zur Bewältigung andere normativer Entwicklungsaufgaben", betont Bischof und verdeutlicht so die Folgen.

Sucht immer von Applikationen

Bischof betont, dass nicht das Internet an sich süchtig mache, sondern Applikationen. Bei Jungen seien das eher Online-Spiele, bei Mädchen eher soziale Medien. Die Beeinträchtigungen seien aber bei beiden Geschlechtern recht ähnlich.
Die Behandlung ziele darauf ab, dass sich die jungen Patienten von gewissen Applikation fernhalten, allerdings nicht auf eine komplette Internet-Abstinenz, schließlich braucht man das später auch im Beruf. Zudem gehe es darum, Medienkompetenz zu erwerben, und auch darum, ein Problembewusstsein zu entwickeln: Eine Sucht sei schließlich in der Regel ein Substitut für andere Probleme, die Menschen haben – auch an diesen Problemen werde in der Therapie gearbeitet.
(mf)
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