Prozess gegen ukrainische Kampfpilotin

"Schuldig" - aber noch kein Urteil

Die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko in russischer Haft.
Die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko in russischer Haft. © Valery Matytsin/imago/ITAR-TASS
Von Gesine Dornblüth · 21.03.2016
Im Sommer 2014 wurde die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko verhaftet und später vor ein russisches Gericht gestellt. Nun haben die Richter erklärt, dass sie Sawtschenko der Beihilfe zum Mord für schuldig halten. Das abschließende Urteil steht aber noch aus.
Sie habe den Aufenthaltsort der Fernsehmitarbeiter im Sommer 2014 an das ukrainische Militär weitergegeben, und sie habe absichtlich gehandelt, aus Hass und Feindseligkeit heraus, wird Richter Leonid Stepanenko in russischen Medien zitiert. Außerdem sei sie anschließend illegal nach Russland eingereist.

Staatsanwaltschaft fordert 23 Jahre Haft

Die Verlesung des Urteils dauert an. Das Strafmaß wird vermutlich erst am Dienstag bekannt gegeben. Die Staatsanwaltschaft hat 23 Jahre Haft für die ukrainische Kampfpilotin gefordert.
Die Urteilsverkündung stößt auf großes internationales Interesse. Russische und ausländische Fernsehteams stehen vor dem Gerichtsgebäude. Im Saal haben nur rund etwa zwei Dutzend Menschen Platz. In Videoübertragungen im Internet ist Sawtschenko im Glaskäfig zu sehen, wie so oft in einem T-Shirt mit ukrainischer Symbolik, bewacht von einem maskierten Mann. Die 34-jährige beteuert ihre Unschuld und hat am letzten Verhandlungstag angekündigt, das Urteil nicht anzuerkennen. Ein Dolmetscher verlas ihre Erklärung.
"Einen Schuldspruch werde ich nicht anfechten. Ich will, dass die gesamte demokratische zivilisierte Welt begreift, dass Russland ein Drittweltland mit einem totalitären Regime und einem diktatorischen Despoten ist, das Menschenrechte und internationales Recht mit den Füßen tritt."
Ihre Verteidigung argumentiert, Sawtschenko sei zu dem Zeitpunkt, als die russischen Fernsehmitarbeiter getötet wurden, bereits in Gefangenschaft prorussischer Separatisten gewesen. Sie hätten die Ukrainerin dann nach Russland entführt.

Nowaja Gaseta: "Keine Beweise für Sawtschenkos Schuld"

Viktoria Makarenko ist Reporterin der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" und hat weite Teile des Prozesses im Gerichtssaal verfolgt.
"Meiner Ansicht nach gibt es weder direkte noch indirekte Beweise für Sawtschenkos Schuld. Ich habe auch die Anklageschrift gelesen. Ich hatte darin aussagekräftige Dokumente erwartet. Aber es sind nichts als Worte."
Die Angeklagte, die 2014, bereits in russischer Haft, in das ukrainische Parlament gewählt wurde, hat mehrfach mit einem Hungerstreik gegen das Verfahren protestiert.
Zahlreiche westliche Politiker haben sich für eine Freilassung Sawtschenkos eingesetzt, darunter Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und US-Vizepräsident Joe Biden. Russlands Präsident Wladimir Putin indes ließ US-Präsident Barack Obama in einem Telefonat vor einer Woche wissen, dass Russland derlei Forderungen als Einmischung in die russische Gerichtsbarkeit verstehe und zurückweise.

Hoffnung auf Tausch russische Soldaten als Tausch

In der Ukraine ist Sawtschenko längst zu einer Ikone des Widerstands gegen die russische Aggression geworden. In vielen Ländern finden heute Solidaritätsaktionen statt. In Moskau wurden vor zwei Wochen mehr als dreißig Demonstranten vorübergehend festgenommen, als sie einen Freispruch Sawtschenkos forderten. Die Mehrheit der Russen aber glaube an die Schuld der Ukrainerin, meint die Journalistin Viktoria Makarenko.
"Die Leute halten sie für eine Mörderin, die unsere Journalisten umgebracht hat. Und sie denken, sie sei zu uns nach Russland gekommen, um noch mehr Russen zu töten."
Sawtschenkos Anwälte hoffen auf einen Austausch ihrer Mandantin mit russischen Soldaten, die in der Ukraine gefangen sind.
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