Provokante Arbeiten
Das einst oft skandalträchtige Londoner Künstlerpaar Gilbert & George präsentiert in der Berliner Galerie "Arndt & Partner" einmal mehr großformatige Fotoarbeiten - dominiert vom "Union Jack" und von Ausschnitten aus Stadtszenen, kombiniert mit Medaillen und Bäumen. Die Schau ist eine ominöse Collage mit einer Mixtur aus skurril Plakativem und schrägem Ornament.
Im eleganten, der eine im beigen, der andere im grauen Anzug, mit dezent davon abgesetzten Krawatten und braunen Schuhen, so haben die beiden auf einer kleinen Ledercouch zum Interview Platz genommen. Ganz so, wie man sie kennt, in der Kunstwelt und darüber hinaus.
Der kleine, auf Grund seiner Südtiroler Herkunft auch heute noch eher gebrochen Englisch sprechende Gilbert Prousch und der aus der Grafschaft Devon stammende, hochgewachsene George Passmore - das sind zwei Männer und eine Inszenierung.
"Wir hatten zunächst Schwierigkeiten, einen Galeristen zu finden. Und unsere Werke zu verkaufen. Also überlegten wir uns eines Tages, als lebende Skulpturen bei der Vernissage aufzukreuzen. Den ganzen Abend standen wir da - starr wie Statuen. Wir haben allen anderen Künstlern die Show gestohlen! Und später kam jemand auf uns zu und sagte: Ich bin Konrad Fischer, ich werde euch in Düsseldorf vorstellen. Und das war der Händler, mit dem jeder Künstler in der Welt etwas zu tun haben wollte. Das war es – wir hatten es geschafft – seitdem haben wir nicht mehr zurückgeblickt."
Ergänzt ihn sein Partner Gilbert. Bei ihrem Studium an der Londoner St. Martin School of Art haben sich die beiden 1967 kennen und wohl auch lieben gelernt. Sie wuchsen zusammen zu einer lebendigen Skulptur, wie sie sich auch heute noch bezeichnen. Einer Skulptur, die wie eine Medaille, zwei Seiten hat. Auf der einen das britisch biedere Pärchen, das ein mehr als geregeltes Leben führt. Das jeden Morgen um halb sechs aufsteht, dann Stunden mit der Kamera und am Computer arbeitet und jeden Abend ins selbe Restaurant geht – um das gleiche Gericht zu essen. Nur eine kleine Marotte leisten sie sich da – der eine nimmt einen anderen Weg, als der andere. Sonst keine Besonderheiten – keine Partys, keine Vernissagen, kein Kino, keine Musik – nichts
Auf der anderen Seite machen die beiden alles Mögliche und Unmögliche zu Kunst. Dass sie sich zu Beginn ihrer Karriere beim Trinken filmten, wirkte noch harmlos. Schockierender war es, als in ihren großformatigen Bildern Blut, Urin, Sperma und Kot zu sehen war. So präsentierten sich die beiden splitternackt und verletzlich – neben einem vergrößerten Abbild ihrer Exkremente.
"Wissen sie, manche Menschen sind normal. Manche etwas verrückt. Wir wollen eben beides zugleich sein. Wir leben einfach, beschränken uns und sind zugleich frei. Und das erreicht man nur, wenn man so ein normales Leben führt. Denn wenn man so "normal" lebt, so unspektakulär, dann ist da soviel Raum für Kreativität."
Diesen Raum nutzen die beiden also exzessiv. Sie nehmen sich die Freiheit auf spielerisch naive, sowie provokant kitschige Weise Religion, Sexualität und Konventionen zu thematisieren. Mit den meist poppigen Farben wirkt das auf den ersten Blick manchmal recht glatt - wie oberflächlich kalkulierter Kunstkrawall. Doch auf den zweiten erweisen sich die Arbeiten oft als irritierend mehrdeutig, meint Gilbert
"Also wir wollen zuerst den Betrachter fesseln, so dass er sich auf unsere Bilder, auf das was darin verborgen liegt einlässt. Denn wir wollen nicht, dass nur Kunststudenten unsere Werke interpretieren können. Jeder soll etwas damit anfangen können! "
Viel herauslesen kann man zum Beispiel auch aus den jetzt in der Galerie Arndt und Partner gezeigten Jack Freak Pictures – Auszüge ihrer aktuellen Bildserie, die insgesamt mehr als 150 Teile umfasst. Einmal mehr haben die großen, aus vielen kleinen rasterartig angeordneten Bildern bestehenden Werke eine fast sakrale Wirkung. Zudem erinnern manche Motive an die Ornamente alter Kirchenfenster – wobei es sich beim näheren Hinsehen oft um zersplitterte, verzerrte Formen handelt – eine Auseinandersetzung mit der Kirche, die diese ein Stück weit auseinandernimmt
"Man sollte die Höhe von Kirchtürmen beschränken und an die anderen Gebäude anpassen. Sonst ist das doch ein Werbevorteil für die Kirchen. Stellen sie sich nur vor, was würde für eine Aufregung herrschen. Wenn Gordons Gin mit einer Flasche werben würde, die genauso hoch in den Himmel ragt, wie eine Kirche. Undenkbar."
Auch wenn der katholisch erzogene Gilbert und der Methodistisch geprägte George nicht immer so humorvoll reden über das Thema Religion, wenn klar wird, wie sehr sie das Thema bis heute beschäftigt: ihre Kunst ist mehr als Katholizismus Kritik. So taucht – ganz dem Titel der aktuellen Bildserie entsprechend – in den Jack Freak Pictures der Union Jack auf.
Mal taucht die britische Nationalflagge mit Medaillen gespickter Ornamentartiger Hintergrund, mal dient sie als Harnisch martialischer Weltraumkrieger. Daneben die Freaks, vielarmige und -äugige Monster, zu spiddeligen Insekten mutierte menschliche Wesen. Ausgehend von diversen Selbstportraits, haben Gilbert und George hier Zerrbilder ihrer Selbst geschaffen. Schräge Spiegeleien eines Lebens als Skulptur. Der Verkörperung einer Idee, die von der Masche zum gut verkauften Markenzeichen wurde und doch auch als Kunst zu werten ist.
Der kleine, auf Grund seiner Südtiroler Herkunft auch heute noch eher gebrochen Englisch sprechende Gilbert Prousch und der aus der Grafschaft Devon stammende, hochgewachsene George Passmore - das sind zwei Männer und eine Inszenierung.
"Wir hatten zunächst Schwierigkeiten, einen Galeristen zu finden. Und unsere Werke zu verkaufen. Also überlegten wir uns eines Tages, als lebende Skulpturen bei der Vernissage aufzukreuzen. Den ganzen Abend standen wir da - starr wie Statuen. Wir haben allen anderen Künstlern die Show gestohlen! Und später kam jemand auf uns zu und sagte: Ich bin Konrad Fischer, ich werde euch in Düsseldorf vorstellen. Und das war der Händler, mit dem jeder Künstler in der Welt etwas zu tun haben wollte. Das war es – wir hatten es geschafft – seitdem haben wir nicht mehr zurückgeblickt."
Ergänzt ihn sein Partner Gilbert. Bei ihrem Studium an der Londoner St. Martin School of Art haben sich die beiden 1967 kennen und wohl auch lieben gelernt. Sie wuchsen zusammen zu einer lebendigen Skulptur, wie sie sich auch heute noch bezeichnen. Einer Skulptur, die wie eine Medaille, zwei Seiten hat. Auf der einen das britisch biedere Pärchen, das ein mehr als geregeltes Leben führt. Das jeden Morgen um halb sechs aufsteht, dann Stunden mit der Kamera und am Computer arbeitet und jeden Abend ins selbe Restaurant geht – um das gleiche Gericht zu essen. Nur eine kleine Marotte leisten sie sich da – der eine nimmt einen anderen Weg, als der andere. Sonst keine Besonderheiten – keine Partys, keine Vernissagen, kein Kino, keine Musik – nichts
Auf der anderen Seite machen die beiden alles Mögliche und Unmögliche zu Kunst. Dass sie sich zu Beginn ihrer Karriere beim Trinken filmten, wirkte noch harmlos. Schockierender war es, als in ihren großformatigen Bildern Blut, Urin, Sperma und Kot zu sehen war. So präsentierten sich die beiden splitternackt und verletzlich – neben einem vergrößerten Abbild ihrer Exkremente.
"Wissen sie, manche Menschen sind normal. Manche etwas verrückt. Wir wollen eben beides zugleich sein. Wir leben einfach, beschränken uns und sind zugleich frei. Und das erreicht man nur, wenn man so ein normales Leben führt. Denn wenn man so "normal" lebt, so unspektakulär, dann ist da soviel Raum für Kreativität."
Diesen Raum nutzen die beiden also exzessiv. Sie nehmen sich die Freiheit auf spielerisch naive, sowie provokant kitschige Weise Religion, Sexualität und Konventionen zu thematisieren. Mit den meist poppigen Farben wirkt das auf den ersten Blick manchmal recht glatt - wie oberflächlich kalkulierter Kunstkrawall. Doch auf den zweiten erweisen sich die Arbeiten oft als irritierend mehrdeutig, meint Gilbert
"Also wir wollen zuerst den Betrachter fesseln, so dass er sich auf unsere Bilder, auf das was darin verborgen liegt einlässt. Denn wir wollen nicht, dass nur Kunststudenten unsere Werke interpretieren können. Jeder soll etwas damit anfangen können! "
Viel herauslesen kann man zum Beispiel auch aus den jetzt in der Galerie Arndt und Partner gezeigten Jack Freak Pictures – Auszüge ihrer aktuellen Bildserie, die insgesamt mehr als 150 Teile umfasst. Einmal mehr haben die großen, aus vielen kleinen rasterartig angeordneten Bildern bestehenden Werke eine fast sakrale Wirkung. Zudem erinnern manche Motive an die Ornamente alter Kirchenfenster – wobei es sich beim näheren Hinsehen oft um zersplitterte, verzerrte Formen handelt – eine Auseinandersetzung mit der Kirche, die diese ein Stück weit auseinandernimmt
"Man sollte die Höhe von Kirchtürmen beschränken und an die anderen Gebäude anpassen. Sonst ist das doch ein Werbevorteil für die Kirchen. Stellen sie sich nur vor, was würde für eine Aufregung herrschen. Wenn Gordons Gin mit einer Flasche werben würde, die genauso hoch in den Himmel ragt, wie eine Kirche. Undenkbar."
Auch wenn der katholisch erzogene Gilbert und der Methodistisch geprägte George nicht immer so humorvoll reden über das Thema Religion, wenn klar wird, wie sehr sie das Thema bis heute beschäftigt: ihre Kunst ist mehr als Katholizismus Kritik. So taucht – ganz dem Titel der aktuellen Bildserie entsprechend – in den Jack Freak Pictures der Union Jack auf.
Mal taucht die britische Nationalflagge mit Medaillen gespickter Ornamentartiger Hintergrund, mal dient sie als Harnisch martialischer Weltraumkrieger. Daneben die Freaks, vielarmige und -äugige Monster, zu spiddeligen Insekten mutierte menschliche Wesen. Ausgehend von diversen Selbstportraits, haben Gilbert und George hier Zerrbilder ihrer Selbst geschaffen. Schräge Spiegeleien eines Lebens als Skulptur. Der Verkörperung einer Idee, die von der Masche zum gut verkauften Markenzeichen wurde und doch auch als Kunst zu werten ist.