Protestkultur in München

Politik ist machbar, Herr Nachbar!

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Der Journalist und Autor Alex Rühle © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Alex Rühle im Gespräch mit Ute Welty · 21.02.2015
In München haben die Satire-Aktionen der Gruppe "Goldgrund" dazu geführt, dass ein von Abriss bedrohtes Häuser-Ensemble gerettet wird. Witzig-böse Satire von Kulturschaffenden kann etwas bewirken, meint der Mit-Initiator Alex Rühle.
In München haben die Satire-Aktionen der Gruppe GOLDGRUND dazu geführt, dass ein von Abriss bedrohtes Häuser-Ensemble von der Stadt künftig als Flüchtlingsunterkunft und Begegnungszentrum genutzt werden soll.
"Es ist kaum zu fassen, sie waren lernfähig", sagte Rühle im Deutschlandradio Kultur über die Münchner Stadtverwaltung. Der aktuelle Erfolg der im März 2013 begonnenen "ersten Guerrilla-Sanierung der Geschichte", bei der GOLDGRUND-Aktivisten und professionelle Handwerker gemeinsam mit weiteren Mitstreitern an die Renovierung eines Hauses in der Münchner Müllerstraße zeigten, dass ein von der Stadt als "unrenovierbar" zum Abriss freigegebenes Haus für nur 5.000 Euro pro Wohnung zu einer wiedervermietbaren Standartwohnung renoviert werden konnte, zeige, dass sich fehlerhafte stadtpolitische Entscheidungen verändern ließen, so der der Politikaktivist und Journalist, der im März 2012 anlässlich der rasant steigenden Miet- und Immobilienpreisen in Großstädten gemeinsam mit dem Filmemacher Christian Ganzer, dem Kleinkunstveranstalter und Kulturmanger Till Hofmann unter dem Namen "GOLDGRUND Immobilien Organisation" eine fiktive Immobilen-Firma samt geplantem Edel-Stadtquartier als Satire-Aktion erfand und damit eine Reihe von Aktionen gegen die Baupolitik der Stadt München und Immobilienhaie startete, um die Auswüchse der Gentrifizierung anzuprangern.
"Man kann doch Dinge machen, wenn man sich zusammentut"
Als großen Erfolg wertete Rühle, dass der Münchner Stadtrat im Januar tatsächlich beschloss, die Häuser Müllerstraße 2 bis 6 zu erhalten und dort ein Begegnungszentrum für Flüchtlinge und Münchner einzurichten, das von einer Sozialgenossenschaft getragen wird. "Dort wollten die noch vor ein paar Wochen die Häuser abreißen, und jetzt warten wir darauf, dass sie uns die Schlüssel geben!"
Nicht herkömmliche "ausgeleierte" Protestformen, sondern die satirischen Aktionen der Gruppe hätten erfolgreich gezeigt, "dass einiges im Argen liegt", sagte Rühle weiter. "Am Anfang haben wir gesagt, wir verwandeln uns dem Feind an", erklärte Rühle die Strategien von GOLDGRUND: Mimikry und satirischer Überspitzung hätten zum Erfolg geführt: "Wir haben behauptet, dass wir einen der letzten schönen Plätze in der Stadt bebauen, die Münchner Freiheit. Und da hat´s dann gerappelt in der Stadt." Erstaunlich sei gewesen, dass die absurde Übertreibung geglaubt worden sei, dies zeige aber "was hier los ist in der Stadt inzwischen, was alles tatsächlich möglich ist." Lediglich 16 Prozent Familien lebten nur noch im Inneren Stadtring, gleichzeitig habe die Stadt 1700 leerstehende kommunale Wohnungen und habe Wohnraum wie den in der Müllerstraße abreißen wollen. "Man kann eben doch Dinge machen, wenn man sich zusammentut", würdigte Rühle das Engagement der verschiedenen Akteure für das nun entstehende neue Flüchtlingszentrum.