Proteste der "gilets jaunes"

"Von Verschwörungstheorien infiziert"

08.12.2018, Frankreich, Paris: ©PHOTOPQR/LE PARISIEN ; Paris (75), le 8 decembre 2018. Manifestation des gilets jaunes dans le quartier des Champs Elysées. Demonstration of yellow vests for the fourth week throughout France. Many police interventions took place to unblock the roads. Foto: Philippe De Poulpiquet/MAXPPP/dpa Protest der "gilets jaunes" in Paris.
Protest der "gilets jaunes" in Paris. © MAXPPP
Gila Lustiger im Gespräch mit Britta Bürger · 08.12.2018
Die "Gelbwesten" haben am vierten Samstag in Folge in Frankreich demonstriert. Die Schriftstellerin Gila Lustiger war auf Pariser Straßen dabei und sprach stundenlang mit den Protestierenden. Was sie dort zu hören bekam, hat sie ziemlich aufgewühlt.
Die Schriftstellerin Gila Lustiger sagt, sie sei mit zwei befreundeten Journalistinnen losgegangen und habe vier Stunden lang mit Teilnehmern der "Gelbwesten"-Proteste gesprochen und sich ihre Sorgen angehört. "Es gibt viele, die am Ende des Monats nichts mehr übrig haben, also nicht die 'soziale Misere', sondern der 'kleine Mann', der merkt, dass er immer weniger für seinen Lebensunterhalt hat. Viele Enttäuschte und viele wütende Bürger."

Politische Klasse hat sich von Macron abgewandt

Das Fazit ihrer Eindrücke von den Aussagen auf der Straße sei, "dass Macron irgendwie an allem Schuld ist. Er und sein Frau sind die Feindbilder." Was sie erschrocken und auch empört habe sei, dass die ganze politische Klasse nicht zum Präsidenten stehe. Von der extremen Linken und der extremen Rechten sei das nicht zu erwarten. Dass diese versuchten, aus den Protesten Nutzen zu ziehen, sei nachvollziehbar und logisch. Auch seien die Vorwürfe fehlender Volksnähe zum Teil angebracht. Aber dass die demokratischen Kräfte, die linke und die rechte Mitte, nicht zu der Regierung, zum Präsidenten, stehen, könne sie nicht nachvollziehen.
"Auf der Straße wird ihm nicht nur die Legitimität abgesprochen. Ich habe Menschen gehört, die ihm den Tod an den Hals gewünscht haben. Diese Radikalisierung fand ich sehr erschreckend."
Gila LUSTIGER, Deutschland, Schriftstellerin, am 11.10.2017 Frankfurter Buchmesse 2017 vom 11.10. - 15.10.2017 in Frankfurt am Main / Deutschland. *** Gila funnier Germany Writer at 11 10 2017 Frankfurt Book Fair 2017 of 11 10 15 10 2017 in Frankfurt at Main Germany
Die Schriftstellerin Gila Lustiger auf der Frankfurter Buchmesse.
Die Schriftstellerin Gila Lustiger ist sehr besorgt über die französischen Zustände. © imago stock&people

Verschwörungstheorien bei den Protestierenden

Sie habe im Laufe des Nachmittags mit etwa 20 oder 30 vermummten jungen Männern aus verschiedenen Städten gesprochen, sagt Lustiger. "Alle zogen die gleichen Verschwörungstheorien heran, hatten also die gleichen Informationsquellen. Das sind eigentlich nur Facebook und soziale Netzwerke. Sowas kann sehr leicht infiltriert werden und da gibt es leicht Fake News. Alle sprachen über eine 'Weltlobby', über die Finanzwelt, die die Fäden zieht und dass Macron nur ein Handlanger fremder Kräfte ist. Es zirkulieren gefährliche Verschwörungstheorien und die Leute, die ich traf, sind davon infiziert."

Warum schweigt Macron?

Sie wisse nicht warum Macron sich bisher so in Schweigen hüllt. "Ich weiß nicht ob er überfordert ist oder Angst hat oder ob das Strategie ist. Aber die richtige Methode ist das bestimmt nicht." Viele hätten Macron ja Arroganz vorgeworfen und sein Diskurs komme auch durchaus arrogant herüber. "Macron ist nicht volksnah. Er spricht nicht die Sprache des 'kleinen Mannes' und er hat sich nicht viel Mühe gemacht, seine Reformen zu erklären."
08.12.2018, Frankreich, Paris: ©PHOTOPQR/LE PARISIEN ; Manifestation du mouvement gilets jaunes sur les champs Elysées à Paris le 8 décembre 2018 photo LP/Yann Foreix Demonstration of yellow vests for the fourth week throughout France. Many police interventions took place to unblock the roads. Foto: Yann Foreix/MAXPPP/dpa
Ein Teilnehmer der "Gelbwesten"-Proteste in Paris.
Ein Teilnehmer der "Gelbwesten"-Proteste in Paris.© MAXPPP

Ablehnung demokratischer Institutionen

Viele Demonstranten hätten gesagt, dass sie das Parlament, den Senat, die Regierung abschaffen wollten, so Lustiger. "Um dann nur noch alles über Volksentscheide zu regeln. Da wird es einem schon ganz schön unheimlich. Und wenn man etwas länger mit den Leuten auf der Straße redet, dann kommt immer irgendwann auch eine Zivilisationskritik und mit ihr der Rassismus." Wenn der Gesprächspartner sich sicher fühle, fange er an von Überfremdung zu reden und davon, dass die Integration gescheitert sei.
"Ich will nicht alarmistisch sein, aber man sieht so einen Zivilisationsunmut. Sie sind mit allem unzufrieden und wollen nur noch zerstören. Sie haben aber keine Alternative!"
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