Protest gegen AfD-Vorsitz im Kulturausschuss

"Wir schicken ein Signal"

Holocaust-Mahnmal in Berlin
Das Holocaust-Mahnmal in Berlin © picture alliance/dpa/Foto: Christophe Gateau
Elisabeth Motschmann im Gespräch mit Dieter Kassel  · 28.09.2017
Kunstschaffende und Abgeordnete haben einen offenen Brief an den Ältestenrat des Bundestages geschrieben, um einen AfD-Vorsitz des Kulturausschusses zu verhindern. Einer Partei, die das Holocaust-Mahnmal als Schande bezeichne, könne man diesen Posten nicht überlassen, so CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann.
Dieter Kassel: Um zu verhindern, dass künftig ein AfD-Abgeordneter den Vorsitz des Kulturausschusses des Deutschen Bundestags übernehmen könnte, haben 20 Kulturschaffende und fünf Abgeordnete von SPD, CDU, CSU, Die Linke und Bündnis90/Die Grünen einen offenen Brief an den Ältestenrat geschrieben. Aufseiten der Kultur haben unter anderem Iris Berben, Klaus Staeck, die Theatermacher Ulrich Khuon und Shermin Langhoff, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger und noch einige andere unterschrieben. Es haben Vertreter der genannten Parteien eben auch unterschrieben, und für die CDU hat das die Abgeordnete Elisabeth Motschmann getan. Schönen guten Morgen, Frau Motschmann!
Elisabeth Motschmann: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Warum machen Sie sich denn solche Sorgen darum, dass jemand von der AfD die Leitung des Kulturausschusses übernehmen könnte?
Motschmann: Ich arbeite mein ganzes Leben im Kulturbereich. Ich war acht Jahre Staatsrätin für Kultur in Bremen und bin auch jetzt in dem Ausschuss und im Unterausschuss Auswärtige Kulturpolitik. Das heißt, ich weiß ganz genau, dass die AfD kein Ansprechpartner für die Kulturszene wäre. Die würden sich ganz schwer tun, überhaupt mit einem Vertreter der AfD zu reden. Warum? Unter anderem ist ja auch die ganze Holocaust-Gedenkkultur verortet im Kulturausschuss, also unser Mahnmal in Berlin, die Stelen – ich selbst bin ja auch im Kuratorium des Jüdischen Gedenkmahnmals –, das kann man nicht jemandem überlassen, der sagt, das ist eine Schande für unser Land. Und von daher, und auch alle anderen im Bereich Theater, im Bereich Museum, wo es immer wieder ja auch um das Verhältnis zu Israel, zur jüdischen Kultur, zu unseren jüdischen Wurzeln geht, oder inzwischen ja auch zu muslimischen Kulturbeiträgen, da haben wir ja auch viele inzwischen im ganzen Land verstreut. Das können AfD-Vertreter schwerlich machen, so wie sie sich aufgestellt haben und artikuliert haben vor der Wahl.
Kassel: Das, was Sie gerade in Ihren Worten beschrieben haben, steht ja so auch in diesem Brief konkret drin, der gar nicht allzu lang ist. Aber in diesem Brief steht auch folgendes Zitat: "Gerade in Zeiten massiver Umbrüche, die Kraft der Kultur für den Erhalt unserer demokratischen Werte stärken und die Freiheit von Kunst und Medien garantieren, das wollen wir", also die Unterzeichner, auch Sie. Aber wenn Sie das wollen, warum wollen Sie denn quasi die demokratischen Rechte und die Freiheiten der AfD einschränken?

"Wir hebeln ja erst mal nicht demokratische Rechte aus"

Motschmann: Weil sie eben in dem Bereich keine Autorität haben, keine Sensibilität haben, keine Ansprechpartner sein können für die Kulturszene. Und wir hebeln ja erst mal nicht demokratische Rechte aus, sondern wir schicken ein Signal und sagen, an dieser Stelle muss man sehen, dass es anders kommt. Wobei es gar nicht so einfach wird, das umzusetzen für den Ältestenrat. Aber ich finde es auch ein total gutes Signal, initiiert von Michelle Müntefering, dass wir der Kulturszene signalisieren, wir nehmen jetzt nicht alles klaglos, schweigend hin, was möglicherweise da auf uns zu kommt. Sondern wir kämpfen, wir setzen uns ein für diejenigen, die in unserer Gesellschaft einen ganz wichtigen Beitrag leisten für die politische Kultur, für die Kunst, für das Weiterdenken in die Zukunft, und nicht für das rückwärtsgerichtete Denken, das die AfDler haben.
Kassel: Aber wenn das Denken der AfD komplett falsch ist, sollte es dann nicht möglich sein, sowohl den Kulturschaffenden als auch den Vertretern der anderen Parteien, das in einer offenen und klaren Diskussion mit denen zu klären? Ich meine, selbst wenn theoretisch ein AfD-Politiker den Vorsitz des Kulturausschusses hätte, hieße das ja nicht, dass das der Ausschuss der AfD ist.
Motschmann: Na ja, es geht im Wesentlichen auch um den Vorsitz. Mitglieder in einem Ausschuss werden… wird möglicherweise gar nicht zu verhindern sein, denn die Sitzverteilung wird ja nach mathematischen Verfahren ermittelt. Da gibt es verschiedene Methoden, können wir hier nicht erläutern. Aber mindestens Vorsitz, Stellvertreter sollten nicht an die AfD gehen. Ich bin sonst sehr der Meinung, die sollen jetzt zeigen, was sie können und sollen uns endlich mal Lösungen auch präsentieren und nicht nur Probleme auf den Tisch legen. Das wird ihre Aufgabe sein, daran wird man sie messen müssen. Und ob sie sich da überhaupt einordnen in unseren demokratischen Diskurs im Bundestag, das alles weiß ich nicht, und so kann ich nur hoffen, dass sie es tun. Aber nach dem, wie sie sich im Wahlkampf geriert haben, ist natürlich zu befürchten, dass der Stil weitergeht, und das kann nicht der Stil des Kulturausschusses sein.
Kassel: Nun haben 60 Prozent ungefähr der Wähler der AfD bei dieser Bundestagswahl gesagt, sie seien gar keine Anhänger dieser Partei, sondern hätten sie aus anderen Gründen gewählt, und noch mehr als 60 Prozent haben gesagt, ich hab die AfD gewählt, weil ich so unzufrieden bin mit den anderen Parteien. Und, das haben sie nicht wörtlich gesagt, aber das kann man, glaube ich, hineininterpretieren, mit dieser Wahlentscheidung die anderen Parteien ärgern wollte. Wenn jetzt die anderen Parteien die AfD so ganz anders behandeln als jede andere Partei im Bundestag, wird das diese Wähler nicht eher weiter anstacheln?
Motschmann: Genau das darf nicht passieren. Aber ich glaube, dass wir in dem Ausschuss ja wirklich gute Arbeit geleistet haben. Und wenn Sie denken an die Staatsministerin Grütters, die das jetzt macht, oder vorher Bernd Neumann, dann sind das ja hochangesehene Kulturpolitiker.
Kassel: Aber entschuldigen Sie, Frau Motschmann, wenn ich Sie da unterbreche. Ich bezweifle gar nicht, dass im Kulturausschuss und in anderen Bereichen gute Kulturarbeit geleistet wurde. Das wäre auch, wenn, eine ganz andere Diskussion. Die Frage ist ja nur, ist das Demokratie, wenn man sagt, wir haben eine Partei, die wir persönlich, also all die anderen Parteien oder fast alle, für sehr problematisch halten, und dann setzen wir die Geschäftsordnung des Bundestags außer Kraft und demokratische Regeln. Ist das demokratisch, ist das ein Rechtsstaat?

"Äußerungen, die können wir nicht so einfach hinnehmen"

Motschmann: Das kann man bezweifeln. Aber was haben wir denn gemacht? Wir haben einen Brief geschickt an den Ältestenrat und unsere Bedenken geäußert, die, glaube ich, gut begründet sind und die jeder versteht und auch die Kulturszene ja sofort verstanden hat. Und nun muss der Ältestenrat – wir können es ja nicht umsetzen, es muss ja dann von anderen umgesetzt werden – dieses Signal, das wir da geschickt haben, welche Problematik auf uns zukommt, finde ich schon mal sehr, sehr positiv. Und nun muss man gucken, wie man damit umgeht, man muss gucken, wie man mit den anderen Ausschüssen umgeht. Mir fehlt die Fantasie, zu sagen, in welchem Ausschuss Vorsitzende geeignet wären, aber da wird man natürlich dann normale Verfahren auch anwenden müssen. Und ob dies so umsetzbar ist, wie wir das da im Brief geschrieben haben, das wird sich zeigen. Aber vom Ansatz her, vom Signal her, von der Intention her ist dieses Signal, glaube ich, sehr, sehr richtig und wichtig, um auch der AfD zu signalisieren, was sie eigentlich für einen Schaden angerichtet haben, wenn sie einfach mal sagen, unsere Erinnerungskultur ist eine Schande oder dieses Mahnmal ist eine Schande. Das sind Äußerungen, die können wir nicht so einfach hinnehmen.
Kassel: Sagt Elisabeth Motschmann. Sie hat für die CDU einen Brief unterschrieben, den CDU, CSU, SPD, Grüne und Linke zusammen mit 20 Kulturschaffenden geschrieben haben an den Ältestenrat des Deutschen Bundestags, um zu verhindern, dass ein AfD-Politiker Vorsitzender des Kulturausschusses werden könnte. Frau Motschmann, vielen Dank für das Gespräch!
Motschmann: Sehr gern!
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