Protest durch übertriebene Anpassung
Seine Bilder mit glatzköpfigen Männern machten Fang Lijun bekannt. Nun präsentiert die Kunsthalle Bielefeld diese und andere Werke des chinesischen Künstlers unter dem Titel "Fang Lijun. Sea and Sky" in einer Ausstellung.
Der Begriff "Zynischer Realismus" ist eine zweischneidige Bezeichnung für das Werk Fang Lijuns. Er selbst akzeptiert sie für seine durchaus realistisch gemalten, glatzköpfigen Figuren, die mal im Wasser schwimmen, ihre schreienden Köpfe bei Massenaufläufen emporrecken oder mal über den grauen Wolken schweben wie die aufgehende Morgensonne. Andererseits sind diese Figuren wiederum auch ironisch überspitzt, sie sind gähnende, sich langweilende Querulanten, die nichts mehr zu tun haben wollen mit den Märchen der chinesisch-sozialistischen Politik, sie haben sich gleichsam aus der tristen Realität verabschiedet.
"Bei diesem Begriff des ‚Zynischen Realismus’ gibt es immer wieder viele Missverständnisse. Für eine bestimmte Zeit ist er für meine Arbeit und die anderer Künstler in China durchaus zutreffend. Wogegen ich mich wende ist, dass mein gesamtes Werk dadurch kategorisiert wird. Für die Zeit unmittelbar nach 1989 ist es aber eine gute Umschreibung, die auch jeder aufgegriffen hat, weil sie den speziellen Weg beschreibt, den wir gegangen sind."
Die Zeit nach 1989, das meint die Zeit nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni, das die chinesische Gesellschaft verändert hat. Fang Lijun, der zuvor kaum bekannt war, avancierte in den frühen 90er-Jahren daraufhin zu den am meisten gezeigten chinesischen Künstlern in westlichen Museen.
Das Zweischneidige des Begriffs "Zynischer Realismus" liegt darin, dass gewisse chinesische Kritiker damit plötzlich all jene Künstler bezeichneten, die sich nach 1989 in Richtung Westen orientierten, dort ausstellten und teilweise auch dorthin übersiedelten. Auch Fang Lijun wurde und wird vorgeworfen, eigentlich nur für den westlichen Markt zu produzieren, dahinter schlummert der Vorwurf der Anpassung, des Opportunismus und des Verrats von Traditionen. Diese ungemütliche Interpretation muss man sich hinzudenken, wenn man die Entwicklung seines Werkes betrachtet.
"Der 4. Juni hatte einen großen Einfluss auf die gesamte zeitgenössische Kunst in China, und nicht nur auf sie, sondern auch auf Wissenschaftler und alle Intellektuellen. Es gab einen großen Umschwung vom Idealismus der sozialistischen Jahre hin zu einem Realismus in den Ansichten, wie es wirklich um das Land und seine politische Praxis bestellt war. Alle haben das gespürt, nicht nur ich. Ich selbst war damals Student, ja, und auch ich war natürlich betroffen von dieser Kunsterziehung nach dem traditionellen Weg, und ich folgte auch dem klassischen Weg der Lehre an der Kunstschule. Aber nach dem 4. Juni wurde ich mir meiner Unselbständigkeit schnell bewusst. In den Künstlergruppen, die sich damals zusammenfanden, haben wir uns viel darüber ausgetauscht, wie wir unsere eigene Form der künstlerischen Existenz finden könnten."
Fangs charakteristische Glatzköpfe, für die sein Werk inzwischen auch im Westen berühmt ist, bieten so etwas wie eine eingängige Formel für einen inneren Widerstand gegen die Staatsmacht, der sich nicht im wütenden Protest äußert, sondern in einer Art übertriebener Anpassung.
Fang erzählt, wie an seiner Kunstfachschule alle Studenten aufgefordert wurden, sich die Haare kurz zu schneiden, um den Regeln des Anstands und der Tradition zu folgen. Daraufhin hätten er und seine Freunde sich die Köpfe gleich ganz kahl geschoren, um die Vorgaben ins Boshaft-Groteske zu übersteigern.
Mit der Zeit verbanden sich die Darstellungen dieser Glatzköpfe in Fangs Werk mit gewissen landschaftlichen Darstellungen aus seinem Frühwerk, wo vereinzelte Figuren vor kahlen Landschaften eine Mischung aus Spiritualität und Einsamkeit verkörpern, die durchaus als eine Form des Individualismus verstanden werden konnte, und zwar, zum Erstaunen des Künstlers selbst, durchaus auch in der Tradition einer westlichen Romantik.
"Die Frage ist für mich sehr interessant, weil ich oft versucht habe, meine Arbeit von diesen Elementen einer europäischen Tradition zu trennen. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich meine Arbeiten ansehe, wie selbstverständlich sich diese europäischen Anteile darin ergeben, sie sind offenbar Teil von mir. Das Erbe westlicher Kultur war und ist in China sehr präsent, schon deshalb ist es schwer für mich, das ganz auszublenden. So vermischt es sich in mir und meinem Werk, auch gerade viele deutsche Künstler sind Teil meiner Inspiration. Also habe ich mir irgendwann abgewöhnt, Ost und West sauber voneinander zu trennen."
Am Ende dürfte das den Ausschlag für das immense Interesse des westlichen Kunstmarktes an seinen Bildern gegeben haben. Manches an Fangs Bildkompositionen kommt einem bekannt vor, man denkt an Einflüsse von Edvard Munch oder Caspar David Friedrich.
Aber auch wenn Fang seinen Ruhm im Westen berechtigterweise genießt: Diese Wiedererkennungseffekte verstellen im Zweifelsfall eher den Blick auf seine höchst vielschichtigen Bilder und ihre philosophischen Botschaften, die sich nicht auf einen bloß dissidentischen Status reduzieren lassen. Wer die aufschlussreich gehängte Ausstellung in Bielefeld besucht, sollte sich Zeit nehmen und wird feststellen, dass einen die Bilder von Fang Lijun nicht so schnell wieder loslassen.
"Bei diesem Begriff des ‚Zynischen Realismus’ gibt es immer wieder viele Missverständnisse. Für eine bestimmte Zeit ist er für meine Arbeit und die anderer Künstler in China durchaus zutreffend. Wogegen ich mich wende ist, dass mein gesamtes Werk dadurch kategorisiert wird. Für die Zeit unmittelbar nach 1989 ist es aber eine gute Umschreibung, die auch jeder aufgegriffen hat, weil sie den speziellen Weg beschreibt, den wir gegangen sind."
Die Zeit nach 1989, das meint die Zeit nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni, das die chinesische Gesellschaft verändert hat. Fang Lijun, der zuvor kaum bekannt war, avancierte in den frühen 90er-Jahren daraufhin zu den am meisten gezeigten chinesischen Künstlern in westlichen Museen.
Das Zweischneidige des Begriffs "Zynischer Realismus" liegt darin, dass gewisse chinesische Kritiker damit plötzlich all jene Künstler bezeichneten, die sich nach 1989 in Richtung Westen orientierten, dort ausstellten und teilweise auch dorthin übersiedelten. Auch Fang Lijun wurde und wird vorgeworfen, eigentlich nur für den westlichen Markt zu produzieren, dahinter schlummert der Vorwurf der Anpassung, des Opportunismus und des Verrats von Traditionen. Diese ungemütliche Interpretation muss man sich hinzudenken, wenn man die Entwicklung seines Werkes betrachtet.
"Der 4. Juni hatte einen großen Einfluss auf die gesamte zeitgenössische Kunst in China, und nicht nur auf sie, sondern auch auf Wissenschaftler und alle Intellektuellen. Es gab einen großen Umschwung vom Idealismus der sozialistischen Jahre hin zu einem Realismus in den Ansichten, wie es wirklich um das Land und seine politische Praxis bestellt war. Alle haben das gespürt, nicht nur ich. Ich selbst war damals Student, ja, und auch ich war natürlich betroffen von dieser Kunsterziehung nach dem traditionellen Weg, und ich folgte auch dem klassischen Weg der Lehre an der Kunstschule. Aber nach dem 4. Juni wurde ich mir meiner Unselbständigkeit schnell bewusst. In den Künstlergruppen, die sich damals zusammenfanden, haben wir uns viel darüber ausgetauscht, wie wir unsere eigene Form der künstlerischen Existenz finden könnten."
Fangs charakteristische Glatzköpfe, für die sein Werk inzwischen auch im Westen berühmt ist, bieten so etwas wie eine eingängige Formel für einen inneren Widerstand gegen die Staatsmacht, der sich nicht im wütenden Protest äußert, sondern in einer Art übertriebener Anpassung.
Fang erzählt, wie an seiner Kunstfachschule alle Studenten aufgefordert wurden, sich die Haare kurz zu schneiden, um den Regeln des Anstands und der Tradition zu folgen. Daraufhin hätten er und seine Freunde sich die Köpfe gleich ganz kahl geschoren, um die Vorgaben ins Boshaft-Groteske zu übersteigern.
Mit der Zeit verbanden sich die Darstellungen dieser Glatzköpfe in Fangs Werk mit gewissen landschaftlichen Darstellungen aus seinem Frühwerk, wo vereinzelte Figuren vor kahlen Landschaften eine Mischung aus Spiritualität und Einsamkeit verkörpern, die durchaus als eine Form des Individualismus verstanden werden konnte, und zwar, zum Erstaunen des Künstlers selbst, durchaus auch in der Tradition einer westlichen Romantik.
"Die Frage ist für mich sehr interessant, weil ich oft versucht habe, meine Arbeit von diesen Elementen einer europäischen Tradition zu trennen. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich meine Arbeiten ansehe, wie selbstverständlich sich diese europäischen Anteile darin ergeben, sie sind offenbar Teil von mir. Das Erbe westlicher Kultur war und ist in China sehr präsent, schon deshalb ist es schwer für mich, das ganz auszublenden. So vermischt es sich in mir und meinem Werk, auch gerade viele deutsche Künstler sind Teil meiner Inspiration. Also habe ich mir irgendwann abgewöhnt, Ost und West sauber voneinander zu trennen."
Am Ende dürfte das den Ausschlag für das immense Interesse des westlichen Kunstmarktes an seinen Bildern gegeben haben. Manches an Fangs Bildkompositionen kommt einem bekannt vor, man denkt an Einflüsse von Edvard Munch oder Caspar David Friedrich.
Aber auch wenn Fang seinen Ruhm im Westen berechtigterweise genießt: Diese Wiedererkennungseffekte verstellen im Zweifelsfall eher den Blick auf seine höchst vielschichtigen Bilder und ihre philosophischen Botschaften, die sich nicht auf einen bloß dissidentischen Status reduzieren lassen. Wer die aufschlussreich gehängte Ausstellung in Bielefeld besucht, sollte sich Zeit nehmen und wird feststellen, dass einen die Bilder von Fang Lijun nicht so schnell wieder loslassen.