Prominente Ostdeutsche
Das erst, vor mittlerweile 15 Jahren erschienene "Wer war wer in der DDR?" gab vor allem Auskunft über Personen, die in den 40er bis 60er Jahren sowie zu Wendezeiten aktiv waren. Die nun erschienene Neuauflage bezieht einen weiteren Personenkreis mit ein und listet auch Menschen wie Kai Pflaume oder Michael Ballack auf, die nur ihre Kindheit in der DDR verbrachten.
Vor 15 Jahren erschien das erste "Wer war wer in der DDR?" und war nach einem Monat ausverkauft. So stark war das Interesse an dem gerade untergegangenen Land und seinen handelnden Personen. Dringlich wie schwierig sei die Arbeit an diesem Buch gewesen, schrieb der Herausgeber Jochen Černy damals, der gemeinsam mit dem Verleger Christoph Links die Idee zu diesem "DDR. Wer war wer?" gehabt hatte.
In vielem mussten sich die Autoren anfangs auf Angaben verlassen, die sie im Munzinger-Archiv, im Buch "Namen und Daten wichtiger Personen der DDR", das bei J.H.W. Dietz in Bonn erschienen war oder in der Presse gefunden hatten. Viele Angaben, so ist es im Vorwort von 1992 nachzulesen, seien jedoch schlicht unzureichend gewesen. "Die Autoren bemühten sich, diese zu korrigieren." Hinter diesem nüchternen Satz verbirgt sich eine Sisyphosarbeit, die die Herausgeber bis heute beschäftigt. Mittlerweile ist die Quellenlage besser, es gibt solide Forschungen über die DDR und auch über ihre handelnden Personen.
"Wer war wer in der DDR?" liegt nunmehr in der vierten Auflage vor, das Lexikon wurde aktualisiert, überarbeitet und erweitert und hat in der aktuellen Ausgabe zwei Bände.
Verändert wurde die Auswahl der Personen. Während zunächst vor allem Lebensläufe von Menschen aufgenommen wurden, die in der Zeit der DDR aktiv waren, in ihrer Anfangsphase Ende der 40er bis in die 60er Jahre und erstmals auch die Aktiven aus dem Herbst 1989 zu lexikalischen Ehren kamen, sind im neuen Lexikon auch Personen zu finden, deren Karriere erst nach 1989 begann, die aber ihre soziale Prägung durch Kindheit und Jugend in der DDR erhalten haben. So erfährt man, beispielsweise, auch Biografisches über den Fernsehmoderator Kai Pflaume ("Nur die Liebe zählt") und den Chelsea-Fußballer Michael Ballack. Mag das manchem als Anbiederung an den Zeitgeist erscheinen, so ist es doch gerade für Jüngere oder Menschen ohne Bezug zur DDR interessant, wer von öffentlich bekannten Personen aus dem Osten kommt. In Vorwort verweisen die Herausgeber auf die unterschiedliche Sozialisation ihrer potenziellen Leser. Selbst die Generation, die kaum eigene Erinnerungen an die DDR haben kann, nehme sich – wie die Mehrheit der Deutschen überhaupt – als "Ostdeutsche" beziehungsweise "Westdeutsche" wahr.
Die neue Ausgabe des DDR-Personen-Lexikons entstand mit finanzieller Beteiligung der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die auch die Fortführung ihrer Unterstützung zugesagt hat. Einer der Herausgeber, der Historiker Helmut Müller-Enbergs, arbeitet zudem seit über einem Jahrzehnt bei der Stasiunterlagenbehörde. Die einstigen MfS-Offiziere sind denn auch sehr zahlreich vertreten. Aber wo, wenn nicht in einem solchen Lexikon, sollte man sonst über deren Biografien etwas erfahren?
Geradezu spannend ist es, die biografischen Spuren manches Protagonisten zu verfolgen, seit das erste Lexikon erschienen ist. 1992 brachte es Angela Merkel als Stellvertretende Regierungssprecherin auf einen Eintrag von gerade vierzehn Zeilen. Heute füllt das Tun der ersten deutschen Bundeskanzlerin eine ganze Spalte. Damals war sie die als Kind mit ihren Eltern von Hamburg in den Osten übergesiedelte Pfarrerstochter und Mitbegründerin des "Demokratischen Aufbruchs". Heute erfährt man auch, dass sie Mitglied der FDJ gewesen ist.
Vieles, was in "Wer war wer? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien" zu lesen ist, spricht von einem zunehmend entspannten Umgang mit der eigenen Geschichte. Je weiter die DDR zurückliegt, desto genauer werden die Biografien.
Selbst die inzwischen in rote Umschläge gebundenen Bände sind ein Ausdruck einer gewissen historischen Gelassenheit. Wer hätte schon vor fünfzehn Jahren ausgerechnet die Farbe Rot für ein solches Lexikon gewählt?
Jeder, der in den Bänden blättert, erfährt hinter scheinbar trockenen Fakten vieles, was er vielleicht bisher nicht wusste oder schon vergessen hatte. Und genauso sicher wird jeder neugierige Leser, der in der DDR gelebt hat, trotz über tausend Seiten voller Biografien, Anmerkungen und Verzeichnissen auf Fehlstellen treffen. Dass man den Verleger des Lexikons, Christoph Links, der immerhin den ersten unabhängigen Verlag nach 1989 gründete, vergeblich sucht, mag einer verständlichen Zurückhaltung geschuldet sein. Dass die Publizistin Daniela Dahn als Mitherausgeberin der Wochenzeitung "Freitag" nicht vorkommt, die Ex-Leistungssportlerin und Buchautorin Ines Geipel ebenso fehlt, wie der umstrittene, ehemalige Berliner Kultursenator Thomas Flierl, dürfte manchen hingegen überraschen.
Immerhin laden Verlag und Herausgeber alle Leser ausdrücklich ein, sich mit Hinweisen und Vorschlägen zu beteiligen. Ein Angebot, das man fast basisdemokratisch nennen könnte und das dem solide gemachten Lexikon "Wer war wer in der DDR?" ganz sicher eine weitere, aktualisierte Ausgabe bescheren wird.
Rezensiert von Liane von Billerbeck
Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbert, Olaf W. Reimann (Hg.): Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien
Christoph Links Verlag, Berlin 2006
2 Bände, 1248 Seiten, 49,90 Euro
In vielem mussten sich die Autoren anfangs auf Angaben verlassen, die sie im Munzinger-Archiv, im Buch "Namen und Daten wichtiger Personen der DDR", das bei J.H.W. Dietz in Bonn erschienen war oder in der Presse gefunden hatten. Viele Angaben, so ist es im Vorwort von 1992 nachzulesen, seien jedoch schlicht unzureichend gewesen. "Die Autoren bemühten sich, diese zu korrigieren." Hinter diesem nüchternen Satz verbirgt sich eine Sisyphosarbeit, die die Herausgeber bis heute beschäftigt. Mittlerweile ist die Quellenlage besser, es gibt solide Forschungen über die DDR und auch über ihre handelnden Personen.
"Wer war wer in der DDR?" liegt nunmehr in der vierten Auflage vor, das Lexikon wurde aktualisiert, überarbeitet und erweitert und hat in der aktuellen Ausgabe zwei Bände.
Verändert wurde die Auswahl der Personen. Während zunächst vor allem Lebensläufe von Menschen aufgenommen wurden, die in der Zeit der DDR aktiv waren, in ihrer Anfangsphase Ende der 40er bis in die 60er Jahre und erstmals auch die Aktiven aus dem Herbst 1989 zu lexikalischen Ehren kamen, sind im neuen Lexikon auch Personen zu finden, deren Karriere erst nach 1989 begann, die aber ihre soziale Prägung durch Kindheit und Jugend in der DDR erhalten haben. So erfährt man, beispielsweise, auch Biografisches über den Fernsehmoderator Kai Pflaume ("Nur die Liebe zählt") und den Chelsea-Fußballer Michael Ballack. Mag das manchem als Anbiederung an den Zeitgeist erscheinen, so ist es doch gerade für Jüngere oder Menschen ohne Bezug zur DDR interessant, wer von öffentlich bekannten Personen aus dem Osten kommt. In Vorwort verweisen die Herausgeber auf die unterschiedliche Sozialisation ihrer potenziellen Leser. Selbst die Generation, die kaum eigene Erinnerungen an die DDR haben kann, nehme sich – wie die Mehrheit der Deutschen überhaupt – als "Ostdeutsche" beziehungsweise "Westdeutsche" wahr.
Die neue Ausgabe des DDR-Personen-Lexikons entstand mit finanzieller Beteiligung der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die auch die Fortführung ihrer Unterstützung zugesagt hat. Einer der Herausgeber, der Historiker Helmut Müller-Enbergs, arbeitet zudem seit über einem Jahrzehnt bei der Stasiunterlagenbehörde. Die einstigen MfS-Offiziere sind denn auch sehr zahlreich vertreten. Aber wo, wenn nicht in einem solchen Lexikon, sollte man sonst über deren Biografien etwas erfahren?
Geradezu spannend ist es, die biografischen Spuren manches Protagonisten zu verfolgen, seit das erste Lexikon erschienen ist. 1992 brachte es Angela Merkel als Stellvertretende Regierungssprecherin auf einen Eintrag von gerade vierzehn Zeilen. Heute füllt das Tun der ersten deutschen Bundeskanzlerin eine ganze Spalte. Damals war sie die als Kind mit ihren Eltern von Hamburg in den Osten übergesiedelte Pfarrerstochter und Mitbegründerin des "Demokratischen Aufbruchs". Heute erfährt man auch, dass sie Mitglied der FDJ gewesen ist.
Vieles, was in "Wer war wer? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien" zu lesen ist, spricht von einem zunehmend entspannten Umgang mit der eigenen Geschichte. Je weiter die DDR zurückliegt, desto genauer werden die Biografien.
Selbst die inzwischen in rote Umschläge gebundenen Bände sind ein Ausdruck einer gewissen historischen Gelassenheit. Wer hätte schon vor fünfzehn Jahren ausgerechnet die Farbe Rot für ein solches Lexikon gewählt?
Jeder, der in den Bänden blättert, erfährt hinter scheinbar trockenen Fakten vieles, was er vielleicht bisher nicht wusste oder schon vergessen hatte. Und genauso sicher wird jeder neugierige Leser, der in der DDR gelebt hat, trotz über tausend Seiten voller Biografien, Anmerkungen und Verzeichnissen auf Fehlstellen treffen. Dass man den Verleger des Lexikons, Christoph Links, der immerhin den ersten unabhängigen Verlag nach 1989 gründete, vergeblich sucht, mag einer verständlichen Zurückhaltung geschuldet sein. Dass die Publizistin Daniela Dahn als Mitherausgeberin der Wochenzeitung "Freitag" nicht vorkommt, die Ex-Leistungssportlerin und Buchautorin Ines Geipel ebenso fehlt, wie der umstrittene, ehemalige Berliner Kultursenator Thomas Flierl, dürfte manchen hingegen überraschen.
Immerhin laden Verlag und Herausgeber alle Leser ausdrücklich ein, sich mit Hinweisen und Vorschlägen zu beteiligen. Ein Angebot, das man fast basisdemokratisch nennen könnte und das dem solide gemachten Lexikon "Wer war wer in der DDR?" ganz sicher eine weitere, aktualisierte Ausgabe bescheren wird.
Rezensiert von Liane von Billerbeck
Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbert, Olaf W. Reimann (Hg.): Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien
Christoph Links Verlag, Berlin 2006
2 Bände, 1248 Seiten, 49,90 Euro