Prolog zu einem Jahrzehnt der Vernichtung

Rezensiert von Wilhelm von Sternburg |
Als am 17./18. Juli 1936 die spanische Afrika-Armee auf Mallorca aufbrach, um in Madrid eine nationalistisch-katholische Diktatur zu errichten, hielt Europa den Atem an. Der spanische Bürgerkrieg, das ahnten damals sehr viele Menschen, war nur ein dramatischer Prolog zum folgenden Jahrzehnt, in dem Hitler und das Dritte Reich die Welt in einen Vernichtungskrieg stürzten.
Die radikalen Ideologien des 20. Jahrhunderts, Faschismus - mit der deutschen Variante des Nationalsozialismus – auf der einen und der Bolschewismus auf der anderen Seite, sahen in Spanien das große Experimentierfeld für ihre neu entwickelten Waffen und Militärstrategien. Berlin, Rom und Moskau hofften, in der iberischen Tragödie ihre Ausgangsposition für das kommende weltweite Machtringen zu optimieren. Hitlers Deutschland und Mussolinis Italien lieferten den aufständischen Militärs ebenso Soldaten und Waffen, wie es Stalin für die Republikaner tat. Am Ende stand ein Krieg, der Spanien in ein Blutbad führte.

Zur Wiederkehr des siebzigsten Jahrestages seines Ausbruchs hat der britische Autor Antony Beevor die neueste Chronik dieses Bürgerkrieges vorgelegt. Eine beeindruckende Darstellung, deren Schwergewicht – Beevor ist ehemaliger Berufsoffizier - auf der Schilderung des Militärischen liegt. Aber der Autor weiß auch das politische Umfeld auszuloten. Schon in der Einleitung weist er auf das Besondere dieses Krieges hin:

"Der politische Gegner, den man zum Verräter stempelte, wurde nicht mehr als Mensch oder Mitbürger gesehen. Daher ist es falsch, den spanischen Bürgerkrieg als einen 'Bruderkrieg' zu beschreiben. Die neuen Ideologien machten aus Brüdern gesichtslose Fremde, und aus Gewerkschaftern oder Ladenbesitzern wurden Klassengegner. Alle traditionellen Begriffe von Verwandtschaft und Gemeinschaft wurden blindwütig zerstört."

Die Lage auf republikanischer Seite blieb in den drei Kriegsjahren verwirrend. Nicht nur, weil Anarchisten und Kommunisten, Sozialisten und liberale Republikaner sehr unterschiedliche Ziele verfolgten. Es war vor allem die von Stalin gelenkte Kommunistische Internationale, die den Bürgerkrieg als Vehikel zur bolschewistischen Revolution auf der iberischen Halbinsel zu nutzen versuchten. Mit großem propagandistischem Aufwand versuchte Moskau die europäische Linke für die Sache der Republik zu gewinnen. Nicht ohne Erfolg. In den Internationalen Brigaden kämpften zwischen 30- und 35.000 Freiwillige aus Amerika, England, Deutschland, Skandinavien, Australien und vielen anderen Ländern. Berühmte Intellektuelle wie Hemingway, George Orwell, Sinclair Lewis oder Arthur Koestler besuchten und feierten die republikanischen Truppen. Sie alle glaubten daran, dass in Spanien die entscheidende Schlacht für die Revolution und gegen die faschistische Reaktion geschlagen werde. Die Komintern suggerierte den europäischen Sozialisten, Sozialdemokraten und Liberalen eine Volksfrontpolitik, die für Stalin nur eine kurzfristige taktische Bedeutung besaß. Der Komintern-Chef und bulgarische Kommunistenführer Dimitroff lüftete gegenüber den spanischen Genossen einmal kurz den Vorhang:

"Wir sind der Meinung, Genossen, dass es in der gegenwärtigen internationalen Situation vorteilhafter und nützlicher für uns ist, eine Politik zu verfolgen, mit der wir uns die Möglichkeit erhalten, die Massen zu organisieren, zu schulen und zusammenzuschließen, um unsere Positionen in einer Reihe von Ländern – Spanien, Frankreich, Belgien usw. – zu stärken, in denen von der Volksfront abhängige Regierungen bestehen und die kommunistischen Parteien über weit reichende Möglichkeiten verfügen. Wenn wir unsere Positionen gefestigt haben, dann können wir weitergehen."

Das Drama der Republik schlägt sich auch in den internen Kämpfen nieder, mit denen Stalins Kommissare und der von den Kommunisten beherrschte Abwehrdienst in den eigenen Reihen wüten. Massenhafte Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Gnadenlos werden alle vermeintlichen Trotzkisten und Revolutionskritiker hinter den Fronten gefoltert und erschossen. Die Offensiven der republikanischen Armee scheitern immer wieder an der Unfähigkeit der kommunistischen Generale. Tausende fallen sinnlos auf den Schlachtfeldern, weil die Republikaner Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden sind. Sie wollen der Welt ihre Überlegenheit beweisen, koste es auch noch so viele Menschenleben. Beevor schreibt über den Kampf um die Stadt Teruel:

"Die Schlacht von Teruel mit ihren Straßenkämpfen und der Eiseskälte war eine der schrecklichsten Schlachten in einem schrecklichen Krieg. Die Nationalisten verloren rund 40.000 Mann, ein Viertel davon durch Erfrierung. Die Verluste der republikanischen Seite waren mit ungefähr 60.000 Mann noch schlimmer. In den Luftkämpfen zerstörten die Nationalisten weit mehr Flugzeuge der Republikaner, als sie selbst verloren …"

Wenn der Caudillo Francisco Franco schließlich siegte, dann nicht zuletzt auch durch die Waffenhilfe der Deutschen und der Italiener. Vor allem die Überlegenheit der nationalistischen Luftwaffe forderte auf republikanischer Seite ungeheure Opfer. Es waren deutsche Junkers-Maschinen, die in den ersten Wochen des Aufstandes der Generale die für sie so lebenswichtige Afrika-Armee nach Spanien transportierten und damit eine rasche Niederschlagung des Putsches verhinderten. Dann schickte Hitler seine Legion Condor, die nicht nur Guernica zerstörte, sondern mit ihren Heinkel-, Messerschmidt- und Stuckaangriffen auch entscheidend eingriff, wenn Francos Armeen in Not gerieten. Dass die nicht nur in Landserheften gefeierten Helden der Luft auch rücksichtslose Tiefangriffe auf wehrlose zivile Flüchtlingstrecks flogen, sollte künftig eine besonders perfide Methode des modernen Luftkriegs werden. Als russische Piloten im Winter 1945 Jagd auf die ostpreußischen und pommerischen Flüchtlinge machten, sprachen Hitlers Kriegsberichterstatter von der besonderen Grausamkeit der Bolschewiken und vergaßen dabei Spanien.

Im Zusammenhang mit dem Feldzug Francos im Norden Spaniens weist Beevor darauf hin, dass die Deutschen keineswegs altruistisch handelten, sondern ihre Interessen stets sehr gut zu wahren wussten:

"Der relativ schnelle nationalspanische Sieg im baskischen Feldzug war auf den entscheidenden Beitrag der Legion Condor zurückzuführen. Die Nazi-Regierung zögert nun auch nicht, sich dafür bezahlen zu lassen. Deutsche Ingenieure zogen in die baskischen Fabriken und Stahlwerke ein, die zu zerstören die baskischen Nationalisten unterlassen hatten. Von nun an ging ein Großteil der baskischen Industrieproduktion nach Deutschland, um die Kosten der Luftwaffe für die Zerstörung der Region zu begleichen."

Auch aus einer anderen Sicht weist der Spanische Bürgerkrieg schon auf bedrohliche Weise in die nächste Zukunft. Großbritannien und Frankreich weigern sich Waffen und andere Hilfen für die spanische Demokratie zu mobilisieren. Sie erklären sich in diesem Konflikt als neutrale Mächte. Beevor beschreibt die Politik der Westmächte in der zweiten Hälfte der 30er Jahr mit großer Skepsis. Es ist der Höhepunkt der britischen Appeasement-Politik, mit dem das Kabinett Stanley Baldwin und vor allem dann ab 1937 Premierminister Neville Chamberlain glauben, die nationalistischen Diktatoren besänftigen zu können. Gegenüber der spanischen Demokratie – so schwach sie vor dem Putsch auch immer gewesen sein mag - ist diese Politik besonders fatal. London und dann auch die Volksfrontregierung in Paris verschließen bewusst die Augen vor den massiven Hilfslieferungen der faschistischen Mächte. In den von Großbritannien einberufenen Nichteinmischungs-Konferenzen lassen sich alle auf ein Blinde-Kuh-Spiel ein – vor allem England. Im Besonderen kritisiert Beevor Außenminister Anthony Eden, der sich später nach seinem Rücktritte so vehement gegen Chamberlains Versöhnungspolitik wendet.

"Es besteht kein Zweifel daran, dass die französische Regierung in ihren ursprünglichen Absichten aufrichtig gewesen ist. Von Eden kann man das nicht behaupten. In Anbetracht der späteren Erkenntnis, dass die Ambitionen der Achsenmächte durch die Appeasement-Politik noch größer geworden waren, wird sein Verhalten im Jahr 1936 gern vergessen. Dabei war es heuchlerisch, sich vor der Verantwortung mit dem Hinweis zu drücken: 'Die Spanier würden keine Dankbarkeit gegenüber denjenigen empfinden, die interveniert hatten.' Die britische Regierung hatte eben gerade nicht unparteiisch gehandelt, gleichzeitig jedoch den Anspruch erhoben, als 'Weltpolizei' aufzutreten."

Für die Haltung des konservativen England mag in diesem Zusammenhang auch die mehr oder weniger heimliche Sympathie eine Rolle gespielt haben, die Männer wie Eden, aber auch der zu diesem Zeitpunkt im politischen Abseits lebenden Winston Churchill, für Mussolini und Hitler hatten. Sie blickten nicht ohne Bewunderung nach Rom und Berlin, wo die beiden Diktatoren scheinbar in der Lage waren, ihre gespaltenen und zerstrittenen Gesellschaften wieder kraftvoll zu einigen. Auch in Franco sahen sie den Mann, der die spanischen Wirren beenden und das Land vor dem Bolschewismus retten würde.

Die Regierungen in London und Paris wollten nicht erkennen, dass Hitler im Schatten der spanischen Tragödie seine Kriegsvorbereitungen entschlossen fortsetzte. Während des Bürgerkrieges marschierte die deutsche Wehrmacht in Österreich ein, holte sich Hitler mit dem Münchner Abkommen das Sudetenland, und fast gleichzeitig mit dem Ende des Krieges in Spanien besetzte die Wehrmacht Prag. Übrigens auch Stalin betreibt in diesen Jahren seine ganz eigene Politik. Im Jahr 1937 erreichen die Moskauer Schauprozesse ihren Höhepunkt. Fast die gesamte alte bolschewistische Garde wird dem Henker ausgeliefert. Spanien und die Volksfrontpolitik interessieren den Kreml bald wesentlich weniger als der japanisch-chinesische Krieg, und Stalin vermeidet alles, was Hitler reizen könnte.

"Vae victis" überschreibt Beevor den letzten Teil seines Buches. Wehe den Besiegten. Dem Triumph der Falangisten, Karlisten und Monarchisten folgte eine nicht enden wollende Terrorwelle, die jeden traf, der demokratische Sympathien zeigte oder von seinem Nachbarn als Republikanerfreund denunziert wurde. Ein mittelmäßiger Militär, den weder eine besondere Feldherrnbegabung noch eine auffallende Staatsmannsqualität auszeichnete, regierte in den nächsten 36 Jahren Spanien. Im Land herrschte Totenstille. Militärs, Großgrundbesitzer und die Kirche teilten sich Besitz und Macht. Staatsmänner aus aller Welt besuchten den Diktator. Auch die letzte Auslandsreise Konrad Adenauers führte ihn 1967 nach Madrid. Franco, so zitierte ein Mitreisender den Altkanzler, habe auf ihn "einen sehr klugen und überlegenen Eindruck gemacht". Zu diesem Zeitpunkt wurden in Spanien immer noch Menschen qualvoll durch die Garrotte hingerichtet.

Beevors Darstellung des Spanischen Bürgerkriegs lässt ahnen, welche furchtbaren Kräfte im Zeitalter der Ideologien freigesetzt werden konnten. Bald sollte es noch viel schlimmer kommen. Nation, Volksgemeinschaft, soziale Revolution, Glaube und Religion – die Rechtfertigungspropaganda, die diesen und die folgenden Kriege begleitete, wurden für Millionen Bürger zur Todesfalle, zu einem Weg des unendlichen Leidens. Opfer und Täter waren häufig kaum noch zu unterscheiden. Vielleicht bleibt dieser Bürgerkrieg auch deswegen bis heute im offiziellen Spanien ein Nichtthema.

Antony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg
Aus dem Englischen von Michael Bayer, Helmut Ettingr, Hans Freundl, Norbert Juraschitz
C. Bertelsmann Verlag, München 2006