Projektgalerist

Es geht um den Raum

Von Jörg Wunderlich · 06.01.2014
Bevor bestimmte Stadtbezirke wegen ihrer Kunstszene bekannt werden, leisten oft Enthusiasten Pionierarbeit. So wie Reimund Jonen in Düsseldorf. Er hat dort einen vitalen Ort für den Kunstbetrieb und die urbane Subkultur etabliert.
Wenn abends im zentral gelegenen Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort die Geschäfte schließen und sich die Kneipen zu füllen beginnen, fährt Reimund Jonen die Jalousie seiner Galerie hoch. Für mindestens zwei Stunden hat er wochentags für Publikum geöffnet. Bei Vernissagen und Veranstaltungen gilt dagegen "Open End".
"In erster Linie geht es um den Raum. Der wird den Künstlern dann zur Verfügung gestellt und sie können damit arbeiten. Das ist meine Zielausrichtung. Hier passiert eine Menge und auch das Programm ist immer unterschiedlich."
Auch wenn die Galerie schlicht "The Box" heißt, wirken die knapp 60 Quadratmeter keineswegs steril. In das ehemalige Ladenlokal bringen Holzdielen, eine unverputzte Betonsäule und freigelegte Wände aus der Gründerzeit ihre eigene Geschichte mit ein. Das wissen nicht nur die Besucher zu schätzen. Viele junge Künstler, aber auch bekanntere Namen bis hin zu Stars des Kunstbetriebes stellten hier schon aus. Die "Box" ist bekannt für ungewöhnliche Rauminstallationen. An diesem Freitagabend sind Lichtobjekte und Fotografien in einer Gruppenausstellung zu sehen. Das nächste Projekt wird schon geplant. Eine junge Absolventin der Kunstakademie bespricht ihr Vorhaben.
"Wir haben hier natürlich Glück. Die Akademie ist nicht weit weg und so ein Projekt spricht sich auch rum. Zwei mal im Jahr eine Ausstellung mit einem jungen Künstler von der Akademie – das gehört einfach dazu. Man hat hier schon das Gefühl, nicht nur Peripherie zu sein, sondern hier ist man eigentlich auch mittendrin."
Machertyp ohne Allüren
Reimund Jonen ist weniger eloquent als andere Galeristen – ein Machertyp ohne Allüren. Der hochgewachsene Mittfünfziger mit gelb-blond gefärbtem Strubbelhaar und großen Augen ist Koch von Beruf und seit vielen Jahren als Küchenleiter bei der Arbeitsagentur angestellt. Mit der Kunst kam er während seiner Ausbildung in Berührung – und sie ließ ihn nie wieder los. Das war in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren, als Kunst und Musik aus Düsseldorf neue Maßstäbe setzten. Eine durchlässige Zeit, so nennt Reimund Jonen das aus heutiger Sicht und meint die besondere Offenheit, die am Rande von Happenings, Aktionen und Parties vorherrschte. Angeregt durch persönliche Begegnungen begann er damals selbst, sich künstlerisch zu artikulieren – ein Urknall für sein weiteres Leben.
"Ich habe früh Leute kennengelernt wie den Spoerri und den Beuys und bin da praktisch hineingewachsen. Ich habe dann Ende der siebziger Jahre auch bewusst damit angefangen, Kunst zu produzieren, habe Filme gedreht, gemalt und bin dann später zu räumlichen Installationen übergegangen."
Heute ist Reimund Jonen ein erfahrener Kurator und Galerist mit vielen Kontakten zu Künstlern und Institutionen. Über 200 Ausstellungen hat er bislang selbst initiiert oder begleitet, davon viele im öffentlichen Raum und in der Region. Auch die Galerie "The Box" ist aus einem temporären künstlerischen Projekt mit Kollegen hervorgegangen.
"Hinterher hat sich herausgestellt, so einen Raum kann man nicht einfach wieder verlassen und da geht dann ein Schlüsseldienst oder ein Friseur rein. Das wäre einfach eine Schande gewesen. Ich habe dann damals gesagt, o.k., ich versuche eben mit den Mitteln, die uns noch zur Verfügung standen, den Raum weiter geöffnet zu halten. Das war natürlich in den ersten Jahren schwierig."
Pempelfort wurde zum In-Bezirk
Seit 2009 hält Reimund Jonen den Betrieb in der "Box" aus eigener Kraft und mit eigenen Finanzen nun schon aufrecht, parallel zu seinem Vollzeitjob. In dieser Zeit ist es ihm gelungen, einen vitalen Ort sowohl für den Kunstbetrieb als auch die urbane Subkultur zu etablieren. Aktuell bereitet er zusammen mit Akteuren aus der Hip-Hop-Szene eine Gedenkausstellung für den Rapper NMZS vor, der sich 2013 das Leben nahm.
Veranstaltungen gehören zum festen Programm in der "Box" und werden gut besucht. Bis zu 250 Menschen drängeln sich manchmal in den Räumen. Die Bandbreite reicht vom Konzert über Lesungen, Theater bis hin zu Kinovorführungen. Ab und zu kocht Reimund Jonen sogar für seine Gäste. Dann verwandelt sich die "Box" in ein temporäres Restaurant. Für die eigene künstlerische Arbeit gibt es noch ein Extra-Atelier im Hinterhof.

"Das ist der Rückzugsraum. Hier passiert eigentlich auch viel, wenn er mal leer ist, also da ist immer Bewegung drin. Einige Arbeiten sind von mir, die ich hier erst mal zwischengeparkt habe. 2008 habe ich eigentlich die letzte Ausstellung gemacht. Das war auch ein temporärer Raum an einem sozialen Brennpunkt, Nähe Hauptbahnhof."
"In Düsseldorf wird im Moment eine neue Stadt gebaut. Da wird eine Menge Kapital bewegt."
Reimund Jonen ist in Düsseldorf geboren und hat einen wachen Blick auf seine Stadt. Pempelfort, der Stadtteil, in dem die "Box" sich befindet, ist in den letzten Jahren zum angesagten In-Bezirk avanciert. Wie lange sich das Galerieprojekt noch halten kann, ist offen. Der umtriebige Netzwerker stellt sich innerlich schon mal auf Veränderungen ein.
"Irgendwann ist das auch endlich. Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, die nächsten zehn Jahre den Raum so zu betreiben. Allerdings kann ich mir vorstellen, wenn jemand kommt und sagt, ich habe eine Idee, dann kann man den Staffelstab eben weiterreichen."