Profit contra Umwelt

Von Markus Plate · 05.08.2013
In Zentralamerika machen internationale Bergbauunternehmen bis heute blühende Geschäfte mit fatalen Folgen für Umwelt und Bevölkerung. Zum Auslaugen von Gold und Silber aus ihren Erzen werden Cyanidsalze verwendet, die sich in Flüssen und Seen absetzen und Böden und Grundwasser verseuchen. In El Salvador gibt es rund 30 Minen, die Bergbaulobby ist stark, die Gesetzgebung löchrig und die Genehmigungsbehörden oft korrupt. Doch die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten leistet Widerstand.
Der Minibus der salvadorianischen Umweltorganisation UNES kämpft sich eine ausgewaschene Schotterstraße hinauf. Bei über 35 Grad Lufttemperatur kühlt der Fahrtwind nicht, Staub legt sich über Haut und Kleidung. Vorn taucht ein auf einer Seite wie abgefräst wirkender Berg auf. Großflächig nackter Fels wechselt sich mit Stellen ab, auf dem junge Bäume wachsen. Am Hang, vielleicht 100 Meter unterhalb der Bergspitze, stehen aus Baumstämmen, Plastikfolien und Wellblech zusammengebastelte Barracken.

San Sebastian, im heißen Osten El Salvadors, ist die älteste Goldmine Zentralamerikas, die noch in Betrieb ist. Auch wenn die US-amerikanische Betreibergesellschaft Commerce Group den Betrieb hier Anfang der 80er einstellte und Gebäude und Installationen langsam verfallen. Heute wird die Mine San Sebastian von ein paar Dutzend lokalen Bergleuten mehr oder weniger heimlich betrieben.

Eine Seilwinde hängt über einem zehn Meter tiefen Schacht von einem Quadratmeter Querschnitt. Zwei Männer klettern die stützende Holzkonstruktion hinab, der jüngere, keine 16 Jahre alt, und verschwinden im Stollen, der bis 100 Meter in den Berg hinein geht. Sand rieselt aus dem Gestein zu Boden, Sand, der vielleicht ein winziges bisschen Gold enthält. Nach zehn Minuten ertönt ein Pfiff von unten, das Signal für die Kollegen oben, die Seilwinde zu bedienen und Plastikeimer mit Gesteinsbrocken ans Tageslicht zu fördern, die sie dann mit einer Schubkarre zu einem Sammelplatz fahren.

Jesús Torre ist so etwas wie der Vorarbeiter der Gruppe. Er ist seit gut fünf Jahren dabei und verfügt über die meiste Erfahrung. Seine Schicht im Stollen liegt heute schon hinter ihm, und er inspiziert mit bloßem Auge, ob das heute geförderte Gestein wohl Wertvolles enthält. Jesús trägt ein zerschlissenes Hemd, seine Haut ist rau und verstaubt, sein hageres Gesicht kontrastiert sein üppiges und tiefschwarzes Haar. Sein Alter mag er nicht nennen, Anfang 30, meinen seine Kollegen, aber Jesús sieht deutlich älter aus.

Jesús Torre: "Wir arbeiten auf eigene Rechnung. Das Material bringen wir runter zum Waschen, da wird dann geschaut, wie viel Gold im Gestein war. Und so verdienen wir manchmal 50 Dollar am Tag, oft aber auch nichts. Du musst halt Glück haben."

Schwermetalle im Fluss

Der Goldbergbau in diesen Breiten, ob illegal oder in großem Maßstab, ist keine saubere Sache. Hundert Höhenmeter unterhalb der Stollen tritt ein Bach zu Tage, der quittegelb ist. Jesús bemüht das einfache Bild, der Bach sei so, seit die Bergbaufirma den Berg damals "angestochen" habe. So rinnt das Wasser über Felsen, die es längst ebenfalls gelb getüncht hat, an kahlen Büschen vorbei und durch die kleine Ansiedlung mit dem Namen Caserío del Puente, übersetzt "Weiler an der Brücke".

Hier spielen Kinder am Fluss, Frauen waschen Geschirr, Hühner picken im Ufersand, Schweine suhlen und baden sich. Das geht seit vielen Jahren so, auch wenn nicht seit jeher, wie sich Maria erinnert, eine Großmutter von 71 Jahren, die gerade auf dem Weg in die kleine protestantische Dorfkirche ist.

"Als ich jung war, war das Wasser kristallklar, heute ist es gelb und eine sahneartige Schicht schwimmt oben drauf. Ohne diese Sahne riecht und schmeckt das Wasser ganz gut, aber es gibt hier schon Probleme mit der Gesundheit, auch Todesfälle. Die Experten sagen uns, das kommt von den Schwermetallen, vom Arsen."

Aber woher kommt dieser permanente Auswurf gelber Gewässer aus dem Berg? Doch nicht von ein paar Bergleuten, die mit einfachen Werkzeugen kleine Tunnel treiben? In der knapp 200 Kilometer westlich gelegenen Hauptstadt San Salvador hält Dr. Angel Ibarra, Chef der Umweltorganisation UNES, einen Vortrag über die Umweltrisiken des Goldbergbaus.

"Gold und Silber kommen nicht isoliert vor, in den Bergen liegen Schwermetallsalze, aus Arsen, Quecksilber, Cadmium. Diese Schwermetalle werden durch das Auswaschen des Goldes freigesetzt, und ergießen sich in die Landschaft. Das Problem ist, dass diese Drainage erst auftritt, wenn die Unternehmen gegangen sind, weil dann nicht mehr abgepumpt, zwischengelagert und geklärt wird. Außerdem brauchen die Unternehmen Unmengen Wasser, um mit Hilfe von Cyanid das Gold vom Gestein zu trennen. Das cyanidhaltige und hochgiftige Wasser wird dann in einer Lagune gesammelt. Wenn da was passiert, fließt die ganze Brühe in den Lempa-Fluss, der 65 Prozent der Bevölkerung Salvadors mit Wasser versorgt."

Die US-Betreibergesellschaft Commerce Group hat in San Sebastian in anderthalb Jahrzehnten nach Schätzungen Gold für bis zu sieben Milliarden Dollar aus dem Berg gewaschen. Reich ist die Gegend dadurch nicht geworden. Die Versprechungen der Konzerne: Jobs, Entwicklung und Geldsegen, hält Ibarra für reine Propaganda, und verweist auf den Fall der Goldmine Valle de Siria im benachbarten Honduras, die als abschreckendes Beispiel in der Region gilt.

"Dort sind die Menschen heute ärmer und kränker als vor dem Goldabbau, ihre Äcker sind unbrauchbar, das Wasser vergiftet, sie sind also auch noch ihrer Überlebensgrundlage beraubt. Und das nennen die Entwicklung. Es ist der Fluch des Reichtums, der uns seit der Kolonialisierung verfolgt: Wir sind verflucht, eine ungeheure Natur zu haben und all diese Bodenschätze, die die transnationalen Firmen anlocken."

Gold liegt nicht nur in San Sebastian im Berg. Die Gebirgskette der ganzen zentralamerikanischen Region von der guatemaltekisch-mexikanischen Grenze bis nach Costa Rica birgt das wertvolle Edelmetall. Fingergroße Goldnuggets wie zu Zeiten des Goldrausches in Nordamerika wird hier niemand finden.

Aber bei einem Weltmarktpreis um 1400 Dollar pro Feinunze sind auch Konzentrationen ab einem Gramm pro Tonne Gestein hoch genug, um internationalen Förderkonzernen Milliardeneinnahmen zu garantieren. So auch in der salvadorianischen Provinz Cabañas, wo sich das kanadische Unternehmen Pacific Rim bereits einen Berg ausgesucht hatte.

Das Dorfradio als Ort des Widerstands

Cabañas, auf halbem Weg zwischen San Salvador und der Mine San Sebastián gelegen, ist die zweitärmste Region des Landes. Hier lebt man seit eh und je von der Landwirtschaft, Mais und Bohnen werden angebaut, in Wassernähe Gemüse. Dazu etwas Fischerei, und Viehhaltung. Wenn es geringen Wohlstand gibt, dann drückt er sich in neuen geräumigen Häusern aus, die neben die alten, kleinen Lehmziegelbauten gesetzt wurden. Das Geld dafür kommt nicht vom Gold, das Pacific Rim aus den Bergen waschen will, sondern von dem Geld, das die vielen emigrierten Familienmitglieder Monat für Monat aus den USA überweisen.

Das Dorf Victoria liegt am Südhang der Bergkette, die El Salvador von Honduras trennt, mit Blick auf das salvadorianische Tiefland. Hundert Meter oberhalb des verschlafenen Dorfplatzes mit seiner Kirche erhebt sich der Sendemast von Radio Victoria, dem Dorfradio, eine Institution am Platz mit 20-jähriger Geschichte.

Oscar Beltrán ist um die 30 und arbeitet seit vielen Jahren beim Radio. Journalist mag er sich nicht nennen, Oscar sieht sich als "Communicador". Radio Victoria ist keines dieser kommerziellen Radios, die wie Fernsehen und Zeitungen in El Salvador wenigen Unternehmern gehören und die die Menschen üblicherweise mit Werbung, Gewalt und dem Leben der Reichen und Schönen traktieren. Radio Victoria versteht sich als Stimme des Dorfes und der umliegenden Gemeinden. Und die Menschen kommen vorbei, wenn sie etwas auf dem Herzen haben:

"Die Gemeinden kamen zu unserem Sender und sagten: Wir wissen nicht, was passiert, die Pflanzen werden trocken, wir können kein Gemüse mehr ziehen, die Brunnen trocknen aus, das Vieh stirbt, sogar der Rio Titihuapa ist trocken und der ist nie trocken! Da haben wir überhaupt erst von Pacific Rim erfahren, von deren Erkundungsarbeiten, dort, wo die Brunnen austrocknen. Unser Radio stammt aus den Gemeinden und ist immer mit ihnen. Also sind wir der Sache auf den Grund gegangen, haben Minenprojekte in der Region besucht. Wir haben gesehen, was für Chemikalien die benutzen und haben die Leute über das informiert , was hier geplant ist."

Vidalina Morales ist eine der Expertinnen in der Gegend, die man fragt, wenn man wissen will, was es mit dem Goldbergbau auf sich hat. Die 45-jährige Mutter von fünf Söhnen stammt aus einer einfachen Kleinbauernfamilie und wohnt eine halbe Stunde Fußmarsch unterhalb von Victoria, in der Gemeinde Santa Marta. Seit 2005 kämpft Vidalina gegen die Goldbergbaupläne in den Bergen oberhalb der Gemeinden. Im Radio ist sie regelmäßig zu Gast, um zu informieren:

"Wir leben hier mit der Natur und wir kämpfen gegen den Bergbau, weil wir für unsere Lebensgrundlage kämpfen. Ich hab mich einarbeiten müssen in das Thema. Wir haben vom Bergbau betroffene Gemeinden besucht und so von der gewaltigen Bedrohung erfahren, die der Goldbergbau bedeutet! Da siehst Du Kinder mit Fehlbildungen und Kinder, die geistig und körperlich zurückgeblieben sind. Die Menschen sind sehr religiös und glauben, das sei eine Strafe Gottes. Aber sie leiden sehr unter diesen Problemen. Die Firmen reden von Arbeitsplätzen, aber nach acht Jahren ist die Mine ausgebeutet und wir bleiben auf den Schäden sitzen."

Drohungen, Sabotage, Mord

Menschen wie Vidalina haben den Konzernen ein Imageproblem beschert. Da kann so ein lokales Medium wie Radio Victoria Gold wert sein, um die schlechte Stimmung gerade zu biegen. 8.000 Dollar pro Monat hat Pacific Rim für Werbeminuten geboten, erzählt Oscar, viermal so viel wie der Monatsetat des Radios. Die Reaktion des Kollektivs war eindeutig:

"Wir haben gesagt, nicht mal für all das Gold, was Ihr hier vielleicht mal rausholen könnt! Dann haben sie begonnen, uns einzuschüchtern. Ganz subtil! Typen sind nur hinter uns hergegangen, zum Markt, vor die Haustür, nach dem Motto: Wir wissen, wer und wo ihr seid! Als nächstes haben sie unseren Sendeturm sabotiert, den Transmitter beschädigt und es gab Hinweise, dass sie das Radio abbrennen wollen. Die Polizei meinte, dafür seien sie nun wirklich nicht zuständig. Dann kamen 30 Nachbarn und haben das Radio beschützt. Wenn Ihr das Radio zerstören wollt, dann müsst Ihr uns zuerst wegräumen!"

Als weder Geschenke noch Drohungen noch Sabotage den Widerstand der Gemeinden brechen konnten, kamen die Morde, berichten Vidalina und Oscar. 2010 ging das los. Einer der bekanntesten lokalen Aktivisten wurde verstümmelt in einem Brunnen gefunden, ein zweiter in seinem Auto von Kugeln durchsiebt. Zuletzt wurde die schwangere Frau eines weiteren Bergbaugegners auf offener Straße erschossen. Ermittelt wurde kurz und erfolglos, im April 2012 wurden die Ermittlungen eingestellt. Bis heute regiert die Angst vor weiteren Toten.

Trotz aller Drohungen hatte der Widerstand gegen den Goldbergbau in El Salvador einigen Erfolg. Auch dank der tatkräftigen Unterstützung durch Professoren, Prominente bis hin zum Erzbischof. Schon vor vier Jahren beugte sich der damalige unternehmerfreundliche Präsident Tony Saca von der rechten ARENA-Partei dem Druck des anschwellenden Protestes und kündigte an, weder die Wiedereröffnung der Goldmine in San Sebastian, noch die Förderung in Cabañas durch Pacific Rim zu genehmigen. Der seit 2010 amtierende Präsident Mauricio Funes von der linken FMLN setzte den Genehmigungsstopp fort:

Mauricio Funes: "Es gibt kein einziges Projekt, dass umweltgerecht durchgeführt wird, deswegen werden WIR keine neuen Projekte genehmigen!"

Aber auch wenn auf absehbare Zeit in El Salvador wohl kein Gold mehr im großen Maßstab gefördert werden wird: In Guatemala, direkt hinter der Grenze, sind erst in den letzten Monaten zwei Goldminen genehmigt worden. Die Flüsse dort münden in den Rio Lempa, den wichtigsten Fluss El Salvadors. Damit würde das Land weiterhin mit der Gefahr vergifteter Landschaften leben müssen, und bekäme nicht einmal die bescheidenen zwei Prozent Förderabgaben, die dann Guatemala zustehen würden.