Probleme bei der Kölner Oper

Ein konsequentes Risikomanagement fehlt

Die Sanierung der Kölner Oper und des Schauspielhauses dauert länger als geplant - hier ein Bagger auf der Baustelle.
Öffentliches Bauvorhaben – Umzug verschoben: Das Ensemble der Kölner Oper muss weiterhin wechselnde Orte bespielen, weil der Umbau sich verzögert. © imago / JOKER
Jobst Fiedler im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Was haben Berliner Lindenoper, Hamburger Elbphilharmonie und Kölner Oper gemeinsam? Alle drei Bauvorhaben sprengen jeden Zeit- und Kostenrahmen. Politikwissenschaftler Jobst Fiedler hat öffentliche Bauvorhaben untersucht und sagt: Wenn der Staat mitbaut, wird's meist viel teurer als geplant.
Berlin und Hamburg sind nicht allein mit ihren endlos sich hinziehenden Kultur-Baustellen Lindenoper und Elbphilharmonie. Auch der Umbau der Kölner Oper verzögert sich, der geplante Wiedereröffnungstermin 7. November 2015 ist nicht zu halten. Und der offizielle Grund dürfte besonders Berlinern, die ja auch noch mit der Flughafen-Großbaustelle BER zu kämpfen haben, bekannt vorkommen: Probleme mit dem Brandschutz.
Jobst Fiedler, Professor für Public Management an der Hertie School of Governance, findet all dies nicht überraschend. Der Politikwissenschaftler hat öffentliche Bauvorhaben untersucht und kommt zu dem Schluss: Wenn der Staat baut, wird es meistens teurer und torpedieren Änderungswünsche den Zeitrahmen.
Überoptimismus statt Realismus
"Das hat tatsächlich oft damit zu tun, wie gut die Projektsteuerung ist. Aber noch viel wichtiger ist eigentlich: Wie rigoros ist eigentlich die Vorwegplanung?" Genau daran hapere es, es fehle bei der finanziellen Planung an zusätzlichen Geldmitteln als Risikopuffer für Unvorhergesehene. Denn die öffentlichen Bauherrn wollten ihre Projekte ja durch die Haushalte und damit durch das Parlament bekommen, was erschwert würde, wenn von gleich von zusätzlichen Kosten die Rede sei. "Überoptimismus wird das genannt. Das heißt, sie gehen immer von dem eher besseren Fall aus, anstatt ein wirklich konsequentes Risikomanagement vorzusehen."
Die "Hauptsünde" sei, dass das wichtige Prinzip "Erst planen, dann bauen" meist nicht beachtet werde. Dies führe dazu, dass öffentliche Bauherrn oft während des Bauprozesses Planungen umstießen, Sonderwünsche anmeldeten und damit den Zeit- und Finanzplan durcheinander brächten.


Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Es ist ein weiteres Beispiel – die Kölner Oper. Am 7. November sollte sie eigentlich wiedereröffnet werden, nach drei Jahren Bauarbeiten. Der 7. November, der wird nichts, das ist schon seit ein paar Wochen klar, und die Gründe dafür, die kommen gerade Berlinern mit ihrem Flughafen nicht unbekannt vor: Probleme beim Brandschutz. Heute nun will Köln, genauer gesagt der Hauptausschuss des Stadtrates erklären, wann die Oper wiedereröffnet werden könnte und um wie viel teurer alles wird. Später fertig und teurer – wenn man böse ist, könnte man sagen, das ist der große gemeinsame Nenner öffentlicher Bauprojekte. Es gibt Menschen, die das ganz sachlich untersucht haben an der Hertie School of Governance, und den Mitautor dieser Studie "Großprojekte in Deutschland – Zwischen Ambition und Realität", den haben wir jetzt am Telefon: Jobst Fiedler, guten Morgen!
Jobst Fiedler: Guten Morgen!
Frenzel: Hat es Sie überrascht, dass auch die Kölner Oper weder fristgerecht noch im Kostenrahmen fertig wird?
Fiedler: Nein, das hat nicht überrascht, zumal wenn es um eine Sanierung zum Teil geht im Bestand – das alte Operngebäude sollte ja zum Teil erhalten werden –, dann ist immer die Frage, wie viel Risikopuffer legt man sich zu. In Berlin ist es jetzt die Staatsoper, die wird doppelt so teuer werden, die hat allerdings ein gutes Ausweichquartier. Das, was mich bei Köln überrascht hat, es ist immer problematisch, gegen einen Saisoneröffnungstermin anzuarbeiten, um dann gerade mit technischen Dingen im Bau fertig zu werden. Das Zweite ist, dass offenbar auch nicht ausreichend Vorsorge getroffen wurde, dass das schiefgehen kann. Da haben es die Berliner leichter, obwohl es eigentlich auch unakzeptabel ist, dass es eine Verdoppelung der Kosten gibt bei der Linden-Oper.
Der Staat legt sich selbst Fesseln an
Frenzel: Was man konkret tun kann, Herr Fiedler, darauf würde ich gleich noch mal kommen, aber zunächst mal die Frage: Sie haben ja in dieser Studie seit 1960 geschaut auf viele große, auf über 100 Bauprojekte, die der Staat in die Hand genommen hat – kann man denn pauschal sagen, wenn der Staat baut, wird es am Ende immer teurer?
Fiedler: In gewisser Hinsicht kann man es sagen, weil der Staat sich da auch selbst Fesseln anlegt. Es hat tatsächlich oft zu tun natürlich mit der Frage, wie gut ist die Projektsteuerung, aber noch viel wichtiger, wie rigoros ist eigentlich die Vorwegplanung. Und am Ende braucht man auch eine konkrete Ausführungsplanung, weil man dann erst richtig rechnen kann, was wird das kosten. Und dann hat man zu tun mit Risiken, gerade in diesem Bereich der technischen Ausstattung. Und dann haben die öffentlichen Bauherren, wenn sie ein Projekt in die Haushalte und damit durchs Parlament kriegen wollen, Überoptimismus wird das genannt.
Das heißt, sie gehen immer von dem eher besseren Fall aus, anstatt ein wirklich konsequentes Risikomanagement vorzusehen und die Risiken, über die man noch nichts Konkretes sagen kann, dafür einen größeren Risikopuffer in die Beantragung der Haushaltsmittel zu bringen. Ich glaube, die Finanzleute haben dann immer gesagt, dann wird das Geld sowieso verbraten. Da hat jetzt die Kommission, nachdem wir das auch rausgearbeitet hatten, des Bundes, hat vorgeschlagen, man muss diese Risikopuffer veranschlagen. Das hat übrigens offenbar Köln gemacht, aber der ist mit 20 Millionen offenbar nicht genug, zumal es ja auch Baukostensteigerungen gibt. Und das zweite Problem ist, man muss natürlich auch Geld haben für diese aufwendige Vorwegplanung, und das wird auch oft unzureichend gemacht, sodass die Hauptsünde ist, dass man dieses Prinzip erst planen, dann bauen teilweise durchbricht und zu der Zeit noch gar nicht die genaue Ausführungsplanung hat.
Die Risiken müssen benannt werden
Die Elbphilharmonie ist auch bei 130 Prozent Mehrkosten. Von daher sind das, gerade wenn es Kulturbauten sind und auch noch Denkmalschutz zu berücksichtigen sind, dann sind das Fälle, wo man als Parlament und Öffentlichkeit eigentlich einen Anspruch darauf hätte, dass die Risikopuffer vorgesehen werden und dass die Risiken auch gleich benannt werden.
Frenzel: Sie haben gesagt, dass es einerseits der Staat ist oder die öffentliche Hand, die Parlamente, die ja schöngefärbt, ein bisschen positiv rechnen, damit sie diese Projekte überhaupt durchkriegen, also die Kosten insgesamt zu niedrig ansiedeln, aber andererseits planen sie auch schlecht. Kommt da nicht vielleicht ein dritter Aspekt dazu, die Unternehmen, die ja mit Angeboten in diese Wettbewerbe gehen und die möglicherweise viel zu häufig viel zu niedrig kalkulieren?
Fiedler: Das gibt es gleichermaßen. Wenn Sie auf einen öffentlichen Bauherrn stoßen, da weiß ich nicht, wie das in Köln jetzt war, aber in den Fällen, die wir untersucht haben, ist das öfter der Fall, der im Grunde noch während der Umsetzung auch Umplanungen von sich her anstößt, das ist das Allergefährlichste, oder wo die Entscheidungen, die natürlich der Bauherr immer fällen muss – und da sind viele Entscheidungen im Baufortschritt noch zu fällen –, wo die zu spät kommen, und dann gibt es immer diese berühmten Planänderungsanzeigen. Und die Bauwirtschaft hat sich natürlich auf diese Schwächen des öffentlichen Sektors zum Teil eingestellt – besonders krass war das in Hamburg. Dahinter sind dann große Juristenabteilungen der größeren Baukonzerne, aber auch kleine Baufirmen wissen, wie sie da ihre Interessen wahren. Manchmal wird dies richtig eingerechnet, und dann wird es auf einmal für die Firma profitabel und für den Bauherrn natürlich deutlich teurer.
Ernstes Problem: der Brandschutz
Frenzel: Also um Kostensteigerungen zu verhindern und auch Zeitverzögerungen, muss man ja erstens wissen, was man bauen will, also den Plan gut genug fertig stellen, man muss zweitens einen ordentlichen Puffer bereitstellen, und drittens, was ist noch zu beachten?
Fiedler: Na ja, im Extremfall, da wird dann auch, während die Sache läuft, draufgesetzt, man kann es jetzt auch nicht mehr zurückholen, das ist dann krasser als Überoptimismus am Werk, aber ich glaube, die größte Schwäche ist, sich mit den Risiken direkt auseinanderzusetzen. Köln, wo jetzt deutlich wird, es geht natürlich auch um Brandschutz, das ist ein immer fortwährender Risikobereich. Warum? Weil auch die Anforderungen an Brandschutz immer mehr gestiegen sind. Und Brandschutz dann wiederum zu etablieren in einem Gebäude, was sehr viel älter ist, also da knackt der Berliner Flughafen als Neubau noch dran, da kann man, glaube ich, nur mit einer Risikoabschätzung, die gleich von Anfang an kommuniziert wird und auch geldlich vorgesehen wird, mit umgehen.
Frenzel: Wenn der Staat baut. Jobst Fiedler, Mitautor der Studio "Großprojekte in Deutschland – Zwischen Ambition und Realität", vielen Dank für das Gespräch!
Fiedler: Ja, danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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