Probewohnen auf dem Parkhaus
Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg setzt der Berliner Künstler Christian Hasucha sein Projekt um: Auf dem obersten Deck eines Kaufhaus-Parkhauses lässt er eine Art Loggia auf Stahlstelzen errichten. Man kann sie stunden- oder tageweise mieten - zum "Probewohnen in Wilhelmsburg".
"Wir sind hier oberhalb des Bahnhofs Wilhelmsburg, haben einen Blick auf den Bahnhofsvorplatz und auf das darunter liegende Parkdeck..."
Kunst kann eine luftige Angelegenheit sein – jedenfalls wenn sie von Christian Hasucha kommt. Wobei das Wort "Kunst" abschreckt und Gedanken in falsche Richtungen lenkt, findet er. Deshalb zieht Hasucha für seine Arbeiten den Begriff "Intervention" vor:
"...wir sind nämlich auf einer Art Loggia. Ein kleiner Balkon, der auf zwei Seiten offen ist, er wird gerade gebaut, da hört man jetzt die Baugeräusche. Dieser Ort ist von mir ausgewählt worden, um eine Arbeit hier in Wilhelmsburg zu realisieren."
Von unten betrachtet, erklärt Hasucha freundlich, vermittelt sich ganz deutlich, was dieses seltsame Objekt, das man zum "Probewohnen in Wilhelmsburg" tageweise anmieten kann, eigentlich soll. Deshalb, meint er, gehen wir besser runter auf den Platz und schauen mal von unten hier rauf.
Der sympathische Herr mit Hut und heller Jacke meldet sich bei den Bauarbeitern ab und macht sich auf den Weg, ein paar Treppen runter, durch ein Einkaufszentrum hindurch, dann rechts - oder links? Er habe einen furchtbar schlechten Orientierungssinn, sagt der Mann mit dem grauen Bart lachend, könne sich Wege nur mühsam merken – wahrscheinlich, weil seine Aufmerksamkeit eher den kleinen Details gilt als den großen Zusammenhängen. Unten auf dem Platz zeigt Christian Hasucha dann rauf zu seiner Installation.
"In dem Moment wo man erstmal gar nicht weiß, dass es sich um ein Kunstprojekt handelt, fragt man sich: Was machen die da? Und dann sehen die da oben: Da wird gebaut. Und sie sehen auch, dass dieses Parkhaus eigentlich eine wunderschöne Kulisse dafür bildet, weil diese leere Betonwand, die schon so ein bisschen brüchig ist, plötzlich so ein Attribut bekommt..."
Christian Hasucha ist ein Querdenker, der gerne dem misstraut, was offenkundig scheint. Gewohnte Blicke in neue Richtungen zu lenken: Darum geht es bei seinen Arbeiten. Und auch wer hier den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg aus privilegierter Höhe betrachtet und sich dabei von anderen beobachten lässt, soll einen Moment der Fremdheit im Alltäglichen verspüren.
"Das meine ich eigentlich. Dass für eine kurze Zeit die Umgebung, in der wir uns bewegen, die Maschine Stadt, fragil wird, brüchig wird. Nur für einen kurzen Moment wissen wir: Das sind im Grunde alles Programme, die hier existieren, die hier ablaufen und in denen wir uns bewegen."
Christian Hasucha, 1955 in Berlin geboren, studiert in seiner Heimatstadt Freie Kunst, wechselt an die Chelsea School of Art in London und gründet 1981 die Projektreihe "Öffentliche Interventionen". In London hat der kreative Gestalter die Pfützen auf kaputten Straßen bearbeitet, indem er ihnen die Kontur von Reptilien gab. In Münster drehte sich der Hamann-Platz im Stadtteil Coerde nach einer Intervention für ein halbes Jahr um 180 Grad. Und bei der "Pulheimer Rochade" war eine 25 Quadratmeter große Fläche an der Realschule gegen eine gleich große Fläche vor der Abtei im Ortsteil Brauweiler getauscht.
"Und bei dieser 'Pulheimer Rochade' war das so, dass die 25 Quadratmeter sich tatsächlich wie Inseln in der anderen Stadt verhalten haben, die Leute, die das mitbekommen haben und später rüber gegangen sind, haben mir gesagt, ja, es wehte tatsächlich der Hauch der anderen Kleinstadt einen an."
In seiner ursprünglich aus Böhmen stammenden Familie ist Christian Hasucha der einzige, der sein Geld mit künstlerischer Arbeit verdient, aber ein anderer Weg kam für den besessenen Handwerker nie in Frage. Die Wahrnehmung der Menschen erweitern, stören oder verwirren – das gelingt ihm am besten in Unabhängigkeit, nicht als Bestandteil herkömmlicher Kulturbetriebe.
"Hatte damals auch viel mit Galeristen zu tun, die dann sehr schnell eigentlich mir gesagt haben, was ich tun solle und womit ich am besten mein Geld verdienen solle, und das hat mich eigentlich eher abgestoßen."
Christian Hasucha lebt mit seiner Frau und einem Bordercollie-Mischling im ausgebauten Dachgeschoss in Berlin Neukölln, schon seit 30 Jahren. Die Vertrautheit, die der Interventionskünstler den Menschen mit seiner Arbeit für Momente rauben will, unterbricht er in seinem eigenen Leben durch eine ungewöhnliche Art des Reisens: Hasucha tauscht mit wildfremden Leuten von Zeit zu Zeit die Wohnung, vermittelt via Internet.
"Wir genießen das sehr, sozusagen so etwas wie einen Rollenwechsel vorzunehmen… und ich halte das für eine ganz schöne und tolle Geschichte, in einem Haushalt zu wohnen, den man vorher nicht kennt, und der komischerweise, wie bei uns auch, überall den gleichen Ort für die Geschirrspüler-Waschtabletten hat, nämlich unter der Spüle."
Kunst kann eine luftige Angelegenheit sein – jedenfalls wenn sie von Christian Hasucha kommt. Wobei das Wort "Kunst" abschreckt und Gedanken in falsche Richtungen lenkt, findet er. Deshalb zieht Hasucha für seine Arbeiten den Begriff "Intervention" vor:
"...wir sind nämlich auf einer Art Loggia. Ein kleiner Balkon, der auf zwei Seiten offen ist, er wird gerade gebaut, da hört man jetzt die Baugeräusche. Dieser Ort ist von mir ausgewählt worden, um eine Arbeit hier in Wilhelmsburg zu realisieren."
Von unten betrachtet, erklärt Hasucha freundlich, vermittelt sich ganz deutlich, was dieses seltsame Objekt, das man zum "Probewohnen in Wilhelmsburg" tageweise anmieten kann, eigentlich soll. Deshalb, meint er, gehen wir besser runter auf den Platz und schauen mal von unten hier rauf.
Der sympathische Herr mit Hut und heller Jacke meldet sich bei den Bauarbeitern ab und macht sich auf den Weg, ein paar Treppen runter, durch ein Einkaufszentrum hindurch, dann rechts - oder links? Er habe einen furchtbar schlechten Orientierungssinn, sagt der Mann mit dem grauen Bart lachend, könne sich Wege nur mühsam merken – wahrscheinlich, weil seine Aufmerksamkeit eher den kleinen Details gilt als den großen Zusammenhängen. Unten auf dem Platz zeigt Christian Hasucha dann rauf zu seiner Installation.
"In dem Moment wo man erstmal gar nicht weiß, dass es sich um ein Kunstprojekt handelt, fragt man sich: Was machen die da? Und dann sehen die da oben: Da wird gebaut. Und sie sehen auch, dass dieses Parkhaus eigentlich eine wunderschöne Kulisse dafür bildet, weil diese leere Betonwand, die schon so ein bisschen brüchig ist, plötzlich so ein Attribut bekommt..."
Christian Hasucha ist ein Querdenker, der gerne dem misstraut, was offenkundig scheint. Gewohnte Blicke in neue Richtungen zu lenken: Darum geht es bei seinen Arbeiten. Und auch wer hier den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg aus privilegierter Höhe betrachtet und sich dabei von anderen beobachten lässt, soll einen Moment der Fremdheit im Alltäglichen verspüren.
"Das meine ich eigentlich. Dass für eine kurze Zeit die Umgebung, in der wir uns bewegen, die Maschine Stadt, fragil wird, brüchig wird. Nur für einen kurzen Moment wissen wir: Das sind im Grunde alles Programme, die hier existieren, die hier ablaufen und in denen wir uns bewegen."
Christian Hasucha, 1955 in Berlin geboren, studiert in seiner Heimatstadt Freie Kunst, wechselt an die Chelsea School of Art in London und gründet 1981 die Projektreihe "Öffentliche Interventionen". In London hat der kreative Gestalter die Pfützen auf kaputten Straßen bearbeitet, indem er ihnen die Kontur von Reptilien gab. In Münster drehte sich der Hamann-Platz im Stadtteil Coerde nach einer Intervention für ein halbes Jahr um 180 Grad. Und bei der "Pulheimer Rochade" war eine 25 Quadratmeter große Fläche an der Realschule gegen eine gleich große Fläche vor der Abtei im Ortsteil Brauweiler getauscht.
"Und bei dieser 'Pulheimer Rochade' war das so, dass die 25 Quadratmeter sich tatsächlich wie Inseln in der anderen Stadt verhalten haben, die Leute, die das mitbekommen haben und später rüber gegangen sind, haben mir gesagt, ja, es wehte tatsächlich der Hauch der anderen Kleinstadt einen an."
In seiner ursprünglich aus Böhmen stammenden Familie ist Christian Hasucha der einzige, der sein Geld mit künstlerischer Arbeit verdient, aber ein anderer Weg kam für den besessenen Handwerker nie in Frage. Die Wahrnehmung der Menschen erweitern, stören oder verwirren – das gelingt ihm am besten in Unabhängigkeit, nicht als Bestandteil herkömmlicher Kulturbetriebe.
"Hatte damals auch viel mit Galeristen zu tun, die dann sehr schnell eigentlich mir gesagt haben, was ich tun solle und womit ich am besten mein Geld verdienen solle, und das hat mich eigentlich eher abgestoßen."
Christian Hasucha lebt mit seiner Frau und einem Bordercollie-Mischling im ausgebauten Dachgeschoss in Berlin Neukölln, schon seit 30 Jahren. Die Vertrautheit, die der Interventionskünstler den Menschen mit seiner Arbeit für Momente rauben will, unterbricht er in seinem eigenen Leben durch eine ungewöhnliche Art des Reisens: Hasucha tauscht mit wildfremden Leuten von Zeit zu Zeit die Wohnung, vermittelt via Internet.
"Wir genießen das sehr, sozusagen so etwas wie einen Rollenwechsel vorzunehmen… und ich halte das für eine ganz schöne und tolle Geschichte, in einem Haushalt zu wohnen, den man vorher nicht kennt, und der komischerweise, wie bei uns auch, überall den gleichen Ort für die Geschirrspüler-Waschtabletten hat, nämlich unter der Spüle."