Pro und kontra Naturschutz

15.06.2009
Der Autor Peter Wohlleben ist seit über 25 Jahren als Förster tätig. In seinem Buch "Naturschutz ohne Natur" wirft er einen kritischen Blick auf seine Zunft und hinterfragt unter anderem die Rettung bedrohter Tiere durch die Ansiedlung ausländischer Arten.
Dass das Wenige, das uns an Natur geblieben ist, geschützt werden muss, ist allgemein anerkannt und wird von Politikern aller Parteien gebetsmühlenartig wiederholt. Doch was verstehen wir als Natur? Die abgeholzte Lüneburger Heide, die jahrhundertlang von Schafen so abgefressen wurde, bis nichts anderes als Heidekraut mehr aufkommen konnte? Seit die Schafzucht nicht mehr lohnt, droht die Landschaft zu verbuschen. Ihr Naturzustand ist ein Menschenzustand. In den steilen Weinbergen im Rheintal tummeln sich auf den warmen Trockenmauern die Smaragdeidechsen. Doch der Weinanbau ist sehr mühsam. Immer mehr Parzellen werden aufgegeben, Büsche und Bäume kommen auf, die Mauern verfallen. Die Echsen verschwinden. Um sie zu retten, verbrennt man jetzt die nachwachsende Natur. Das ist kein Naturschutz, sondern Schutz einer Kulturlandschaft. Der Autor findet es auch nicht weiter verwerflich. Nur sollte man das Kind dann auch beim Namen nennen und nicht unter falscher Flagge segeln.

Ebenso falsch ist bisweilen auch die ‚Rettung’ bedrohter Tiere. Um in Bayern Biber wieder anzusiedeln, importierte man Tiere aus Kanada. Die aber unterscheiden sich sehr stark von den heimischen Elbebibern. Keiner weiß, ob sie sich mischen werden oder die kanadischen möglicherweise sogar die hiesigen Biber verdrängen.

Es ist auch schwer zu bestimmen, welche Tiere und Pflanzen hierzulande heimisch sind. Peter Wohlleben macht das am Beispiel der roten Waldameise klar, die als gefährdet gilt. Sie ist nur in Nadelwäldern anzutreffen, weil sie ihre Ameisenhaufen ausschließlich aus Nadeln baut. Im typischen europäischen Buchenwald kommt sie nicht vor. Ist sie nun schutzwürdig, obwohl sie vor allem in angelegten Nadelgehölzen vorkommt, die mit Natur wenig zu tun haben, als Wirtschaftswälder dienen?

Bleibt die Frage, was denn nun schützenswert ist. Für Peter Wohlleben ist das keine Frage, wie er bisweilen bissig, bisweilen ironisch, stets aber gut begründet und gut verständlich erklärt: Das, was an Wald noch übrig ist, sollte dringend vor Jägerschaft und Forstwirtschaft geschützt werden, denn die beiden Gruppen sind für die fortlaufende Zerstörung der Restbestände verantwortlich, so der fachkundige Autor, der immerhin selbst seit über 25 Jahren als Förster arbeitet.

So dürfen zum Beispiel Heerscharen von Rehwild die Wälder selbst in Nationalparks verbeißen, bis sie sich nicht mehr von allein regenerieren können. Nur Nadelhölzer oder Wildkirschen haben eine Chance, hochzukommen, denn die schmecken ihnen nicht. Der Wildbestand ist zehnfach so hoch, wie er natürlicherweise wäre. Doch die Jäger wehren sich heftig gegen Bestandsverminderungen. Und da Jagdpachten den Gemeinden viel Geld bringen, sind auch die nicht an schärferen Auflagen interessiert. Die Schäden, die die Rehe verursachen, zahlt die Allgemeinheit.

Doch auch die Förster kümmern sich kaum um Naturschutz. So roden sie zum Beispiel so lange alte wertvolle Bäume, bis auch die letzten seltenen Höhlenbewohner wie der Steinkauz ausgestorben sind. Was kaum jemand weiß: selbst die Schutzverordnungen verlangen nicht mehr, als das erst in 30 Jahren 75 Prozent der Waldfläche sich selbst überlassen bleiben. Bis dahin aber kann der Förster fröhlich abholzen, was immer ihm gewinnbringend scheint.

Naturschutz in Deutschland ist ein Trauerspiel. Doch es ginge auch anders, wenn man denn den Naturzerstörern Einhalt gebieten würde. Man muss nur wollen. Für die Gesellschaft würde es sich durchaus rechnen. Davon ist Peter Wohlleben überzeugt und er argumentiert auch durchaus überzeugend. Ein wichtiges Buch für alle am Naturschutz Interessierten.

Besprochen von Johannes Kaiser
Peter Wohlleben: Naturschutz ohne Natur – Von den Grenzen der Umweltpolitik,
wjs-verlag 2009, 149 Seiten, 18 €