Pro und Contra einheitliche Coronaregeln

Soll Berlin zentral bestimmen, wie wir feiern dürfen?

07:44 Minuten
Das Brautpaar Janine und Philip Scholz steht bei der Trauung im Autokino mit Mundschutz vor der Bühne.
Brautpaar mit Maske bei einer Hochzeit im Mai: Feiern im Familien- und Freundeskreis stehen in der Pandemie aktuell im Fokus. © picture alliance / Fabian Strauch / dpa
Von Henry Bernhard und Ludger Fittkau · 18.08.2020
Audio herunterladen
Das Robert Koch-Institut zeigt sich inzwischen wieder besorgt und mahnt zur Vorsicht - vor allem bei Feiern und Festen mit vielen Menschen. Sind einheitliche Coronaregeln, die den Ablauf von Partys reglementieren, jetzt sinnvoll? Zwei Meinungen.
Die Coronazahlen steigen seit einiger Zeit wieder. Ein Teil der Neuinfektionen ist Urlaubsrückkehrern geschuldet. Andere stehen im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis und bei anderen größeren Veranstaltungen. So warnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politikerinnen und Politiker.
Was ist jetzt am besten zu tun: Die Sache den einzelnen Ländern überlassen - wie bisher? Oder einheitliche Regeln für Partys erlassen, die den Ablauf solcher Zusammenkünfte steuern? Unsere Landeskorrespondenten Ludger Fittkau aus Hessen und Henry Bernhard aus Thüringen sind da unterschiedlicher Meinung.

Pro von Ludger Fittkau: Einheitlich Pandemie-Partyregeln? Ja, bitte!

Familie heute heißt doch längst: Man lebt meist weit verstreut. Familiäre Bindungen müssen über weite Strecken aufrechterhalten werden. Oft über mehrere Ländergrenzen hinweg – im Bundesgebiet oder auch darüber hinaus. Familienfeste müssen so organisiert werden, dass die Verwandtschaft übernachten kann, wenn Hin- und Rückfahrten am Tag der Feier schon schlicht aus Entfernungsgründen nicht angesagt sind.
Für größere Familienfeiern unter Coronabedingungen heißt das: Möglichst einheitliche Regelungen sind sinnvoll – bei offenen Grenzen eigentlich europaweit, aber mindestens auf Bundesebene. Die Bundesländer sind dafür als Regelungsinstanz nicht sinnvoll. Das gilt nicht nur für Regionen wie Rhein-Main, wo in einem Radius von vielleicht einmal 100 Kilometern vier Bundesländer sowie Frankreich aneinandergrenzen.
Schon in der Hochphase des Lockdowns konnte man sehen, was es bedeutet, wenn in einem Bundesland die Baumärkte offenblieben und im Nachbarland nicht. Es gab unerwünschten "Baumarkt-Grenzverkehr" etwa zwischen Hessen und Bayern.

Vielleicht sind Feiern gerade keine gute Idee

Die Zeiten, in denen Großfamilien weitgehend in einer Region zusammenlebten, sind längst vorbei – wenn es das überhaupt jemals gegeben hat. Meine Familie beispielsweise hat ihre Wurzeln im Ruhrgebiet. Doch nicht zuletzt bessere Arbeitsverhältnisse anderswo haben meine Angehörigen längst in alle Winde zerstreut.
Eine Familienfeier jetzt müsste über NRW hinaus mindestens die Coronaregeln in Hessen, Bayern oder Bremen mit in den Blick nehmen, damit das klappt. Und wer kommt gerade aus einem Risikogebiet zurück und muss zum Test oder in Quarantäne?
Vielleicht sind Feste, Partys und große Familienfeiern im Augenblick ohnehin keine gute Idee. Doch wenn man sie ins Auge fasst, dann doch bitte mit möglichst einheitlichen Regelungen. Der Föderalismus ist prima – doch in diesem Fall passt er einfach mit der Lebenswelt nicht zusammen.


Contra von Henry Bernhard: Keine Zentralsteuerung für Feiern!

Ja, sie wird anstrengend! Die Zeit, die noch vergehen wird, bis es einen Impfstoff gibt, der uns hoffentlich alle vor einer Coronainfektion schützen kann. Wir wissen noch nicht, aber ahnen schon, was uns die Urlauber aus aller Welt mitbringen werden. Wir werden weiterhin an vielen Orten Masken tragen müssen, werden durch Plexiglaswände sprechen und in Abständen zueinander sitzen, die absurd erscheinen.
Wir werden sehr genau bedenken müssen, wie nah wir uns auf Familienfeiern kommen wollen und ob wir mit den Großeltern, die zur Risikogruppe gehören, überhaupt zusammensitzen wollen. Aber wir dürfen die Alten nicht auf Dauer allein lassen und auch nicht die Kinder, die durch die Schul- und Kindergartenschließungen genug gebeutelt sind.
Familienleben muss stattfinden können. Denn was, wenn nicht die Familie, kann in bedrohlichen, verunsichernden Zeiten Halt und Stabilität bieten?

Berlin kann das nicht alleine regeln

Dazu gehören auch Feiern. Geburtstage, Goldene Hochzeiten, Schuleinführungen. Auf jeden Fall werden es Feiern im Ausnahmezustand sein. Und da wir noch nicht wissen, wann dieser Zustand enden wird, ist es unabdingbar, die Regeln so präzise und mit so viel Augenmaß wie nur möglich zu gestalten.
Und das ist nicht zentral von Berlin aus möglich. So wie es keinen Sinn ergibt, das ganze Land mit Unkrautvernichtern zu besprühen, um einige Felder zu bearbeiten, so wenig Sinn ergibt es, allen überall die gleichen Regeln überzustülpen.
Wo es wenige bis keine Coronafälle gibt, kann und soll mehr Freiheit herrschen als an ausgemachten Hotspots. In Restaurants kann auf die Einhaltung von Regeln geachtet werden. Im privaten Rahmen wäre dies ohnehin nur möglich, wenn der Staat sehr tief in die Freiheitsrechte eingreifen will.
Das würde den gesellschaftlichen Schaden der Pandemie noch verstärken und auch die Akzeptanz der Maßnahmen untergraben.
Mehr zum Thema