Private Unterkunft für syrische Flüchtlinge

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidelberg
Flüchtlingen helfen, das war die Idee des Berliners Martin Keune. © dpa / Uwe Anspach
Von Malte Hennig · 23.02.2015
Statt im städtischen Abseits wohnen die Geschwister Ibrahim, Khalaf und Barie aus Syrien in der Ferienwohnung eines Berliner Paares. Die wollten Flüchtlinge unterstützen und stellen ihnen die Wohnung kostenlos zur Verfügung.
Eine hell eingerichtete Ein-Zimmer Wohnung. Die Möbel wirken modern. An der Wand über dem Regal hängt in großen Holzlettern das englische Wort "One".
Über dem Bett eine Fotoleinwand mit winterlicher Waldlandschaft . Auf dem Tisch neben der Kochnische steht ein Schild "Bitte nicht rauchen."
Die Wohnung gehört Martin Keune. Bisher hat der 50-jährige Grafikdesigner das schick eingerichtete Apartment an Touristen vermietet. Doch im vergangenen Dezember beschließen er und seine Frau die Wohnung Flüchtlingen zu geben – unentgeltlich.
"Das eskalierte ja letztes Jahr ziemlich, dass man gehört hat, dass Flüchtlinge hier ankommen, sich bei den Behörden melden und dann nicht vermittelt werden können in Unterkünfte. Und dann haben meine Frau und ich gesagt wir haben doch den Platz und dann sollen hier welche einziehen."
Alle drei Geschwister mussten Syrien verlassen
Seit Januar wohnen Ibrahim und sein Bruder Ibrahim hier. Beide sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Ibrahim kam im letzten Juli. Khalaf im Januar. Khalaf ist heute nicht da. Dafür ihre Schwester Barie und ihr dreijähriger Sohn Yussuf. Sie sind erst vor 2 Wochen in Deutschland angekommen.
Alle drei Geschwister sahen letztlich keinen anderen Weg, als Syrien zu verlassen.
"Das Leben ging nicht mehr dort. So konnte man nicht mehr leben. Immer wieder gab es Schießereien. Man hat gehört der hier ist getötet worden, dann der, dann der. Und es gab kein Strom, kein Essen, kein Trinken. Die Schwierigkeiten wurden immer größer und deswegen habe ich mich entschieden raus – raus aus Syrien."
Erzählt Ibrahim. Die Stimme des 42-Jährigen ist leise. Er wirkt müde, ausgelaugt. Die fremde Sprache, das fremde Land… Als Übersetzer hilft Cheredin, der älteste Bruder der Familie. Er lebt seit über zehn Jahren in Deutschland.
Während Ibrahim Tee aufsetzt erzählt Cheredin wie seine Brüder nach Deutschland kamen. Ibrahim versuchte wiederholte Male über die türkische Grenze nach Istanbul zu gelangen. Von dort wollte er weiter nach Deutschland. Doch er schaffte es nicht. Auf dem Landweg sei es sehr schwer. Die Türkei habe die Grenzen dicht gemacht, erzählt Ibrahim. Außerdem würden die Grenzsoldaten auf Leute schießen, die versuchen über die Grenze zu kommen.
"Mein Sohn wäre fast gestorben"
Die Flucht gelang ihm letztlich über den legalen Weg. Von seiner Heimatstadt im Nordosten Syriens nach Damaskus von dort mit dem Auto nach Beirut. Von Beirut flog er nach Istanbul und weiter nach Frankfurt am Main.
Seine Schwester Barie und ihr Sohn Yussuf nahmen den schwierigeren, den illegalen Landweg. Schleuser brachten sie für 600 Dollar über die syrisch-türkische Grenze.
"Ich hatte große Schwierigkeiten. Man musste übers Wasser in kleinen Booten. Auch durch hohe Berge. Mein Sohn ist fast gestorben auf dem Weg. Ich hatte große Angst."
Den Geschwistern bedeutet es viel dem Krieg entkommen zu sein.
"Es ist sehr wichtig für mich, dass ich jetzt in einer ruhigen Situation lebe. Das ist gut so. Es wird nicht lange dauern dann kommen meine Frau und Kinder nach. Das wird das Leben auch schöner machen."
Sagt Ibrahim. Alle Geschwister hoffen, dass ihre Angehörigen durch das Familienzusammenführungsprogramm des Bundes nach Deutschland nachkommen können. Sie gemeinsam hier leben.
Keine behördliche Unterstützung
Dass Ibrahim und sein Bruder nun im Apartment von Martin Keune wohnen, verdanken sie auch dem Zufall. Als sich Martin Keune entschließt seine Wohnung Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, nimmt er zunächst Kontakt mit dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales auf. Als ihm dort keiner unbürokratisch helfen kann, probiert er es bei der Kontakt- und Beratungsstelle für außereuropäische Flüchtlinge in Berlin Kreuzberg. Dort lernt er Cheredin, den Ältesten der Geschwister, kennen, der dort als Berater und Übersetzer arbeitet. Cheredin sucht zu diesem Zeitpunkt eine Unterkunft für seine Brüder.
"Ich hab Cheredin kennen gelernt und hab gedacht, klar das ist n guter Typ, auf dessen Wort verlass ich mich. Der quartiert uns jetzt hier seine Brüder ein und es wird schon gehen. Und wenn‘s Probleme gibt, dann sprechen wir. Persönliche Kommunikation ist wichtig. Ich glaube, es ist wichtig, dass Flüchtlinge nicht irgendwo in einem städtischen Abseits in Wohnheimen gesammelt werden sollten. Die müssen in unserem Alltag stattfinden. Dann lernen wir die kennen und dann werden wir die auch aufnehmen.
Ich glaube auch dass hier die Berliner zum Beispiel, von Haus aus auf so ne knorrige, direkte Art auch gastfreundlich sein können. Und wenn man die fragt, dann öffnen die auch ihre Herzen und auch ihre freien Zimmer. Die Behörden sind überfordert, das kriegt man deutlich mit. Aber wir als Einwohner wir sind flexibel genug um zu sagen: Kommt wir haben Platz, wir rücken ein bisschen zusammen und das geht dann schon."

Wollen Sie selbst aktiv werden und Flüchtlinge aufnehmen?

Ihre erste Anlaufstelle kann die für Flüchtlinge zuständige Behörde Ihres Wohnortes sein. In der Regel ist dies das Sozialamt der Stadt oder des Landkreises. Darüber hinaus gibt es Initiativen und Vereine, die Ihnen Information geben können, was Sie tun können und müssen, um Flüchtlinge privat aufzunehmen.

Die Regelung zur Aufnahme von Flüchtlingen ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. In einigen Ländern ist es zum Beispiel möglich, dass die Behörden die Miete für die Unterbringung bis zu einem bestimmten Satz übernehmen. Weitere Informationen finden Sie zum Beispiel auf der Website von PRO ASYL.

Auch auf dieser Website finden Interessierte Links und Kontaktadressen: www.fluechtlinge-willkommen.de

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