Private Sammler als Kunstförderer
Mit der Ausstellung "Neugierig?" beleuchtet die Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn die Rolle der privaten Sammler für die heutige Kunstszene. 150 Werke von rund 60 Künstlern, zur Verfügung gestellt von 15 Sammlern, zeigen einen Überblick über den Stand der Kunst im 21. Jahrhundert.
Private Sammler halten Einzug in die Bundeskunst- und Ausstellungshalle, präsentieren in großem Stil ihre Markt-Trouvaillen der vergangenen Jahre. Eingeladen hat Intendant Robert Fleck, der ein Haus leitet, das über keine eigene Sammlung verfügt und Impulse der zeitgenössischen Moderne gut vertragen kann. Zugleich will Fleck mit "Neugierig?" ein kulturpolitisches Signal setzen:
"Private Sammler haben in den letzten 10 bis 15 Jahren die mit Abstand wichtigsten Werke erworben. Es ist eine ganz breite Szene entstanden, und die Bundesrepublik insgesamt hat eine der stärksten Sammlerszenen der Welt, ist neben den USA führend. Unsere Idee ist, diese Situation noch einmal zu zeigen und den Dialog mit den Museen zu fördern. Denn wenn die Sammlungen dort Eingang finden in den nächsten Jahren, werden die Museen sehr stark dastehen in diesem Land. Beide Seiten brauchen einander. Das unter anderem möchten wir durch diese Ausstellung fördern."
Ein Loblied auf die privaten Sammler wird hier angestimmt, die für manchen Künstler ein wirklicher Rückhalt sind, während die Ankaufsetats der öffentlichen Sammlungen zum Offenbarungseid tendieren.
25 Sammler und Sammlerpaare wurden anfangs von der Bonner Institution angesprochen, 15 tragen nun zu dieser Schau bei: Die Bandbreite reicht von Harald Falckenberg bis zur Olbricht Collection, von Paul Maenz bis zur Kollektion von Gaby und Wilhelm Schürmann.
Und man hat sogar beim Kontakt auf feste, kuratorische Vorgaben verzichtet:
"In diesem Fall ist es eine Ausstellung, bei der wir den Sammlern zunächst die Frage gestellt haben: 'Wen finden Sie so wichtig, dass Sie ihn heute unbedingt der Öffentlichkeit vorstellen möchten?' Und daraus hat sich ein Gespräch ergeben. Die meisten Sammler haben ihre gesamten Bestände offengelegt, was hochinteressant zu sehen war. Und aus diesen Beständen und den Gesprächen heraus ist mit jedem Sammler eine individuelle Auswahl von zwei, drei Künstlern entstanden."
Fast 150 Werke von rund 60 Künstlerinnen und Künstlern sind so zusammengekommen. Hier hängen Blätter von Ceal Floyer mit magisch leuchtenden Kreisflächen aus Filzstiftfarben, dort fällt von Kris Martin eine ratternde schwarze Tafel auf, wie man sie aus Bahnhöfen kennt. Nur dass diese Tafel keine Fahrplanangaben mehr macht: Sie bleibt leer - kein Ziel, nirgends, die Apokalypse der Zivilisation.
Gern greift man in der Bonner Auswahl auf die Kunstgeschichte zurück: Mathieu Mercier schafft Bilder, die mit ihren farbigen Rechtecken bei flüchtigem Blick aussehen wie von Mondrian, aber die Dekonstruktion ist mit eingebaut: der Bildträger ist beschädigt, Farben verwischen, manche schwarze Linie ist schief.
Eine Bilanz der jüngsten Kunst möchte man mithilfe der Sammler ziehen, das 21. Jahrhundert ins Visier nehmen. Kurator Rainald Schumacher über die Trends:
"Der eine ist eine extreme Zurücknahme des offensichtlich Erzählerischen, manchmal ist die Formensprache reduziert nur auf das Material, eine sehr strenge Formalisierung. Der andere Trend ist die ablesbare Gegenständlichkeit, mit der zum Beispiel Jake und Dinos Chapman arbeiten - bis zu einer jungenhaften Freude am Schock, am Spiel mit dem Entsetzen."
Die Brüder Chapman zeigen zerstörte Körper, als wären Kriegsgreuel-Szenen de Goyas dreidimensional geworden. Auch das Modell eines McDonalds-Restaurants wird von den beiden Querköpfen ausgestellt – ganz ohne schaurige Figuren, diese Fast-Food-Schwemme erschien ihnen wohl schrecklich genug.
Immer mal tauchen bekannte Namen im Spektrum auf: serielle Arbeiten von Hanne Darboven, oder eine Rauminstallation des Duos Fischli und Weiss mit vielen Tischen, auf denen verführerische Werbeseiten aus den Publikationen eines Schweizer Medienkonzerns ausgebreitet sind, unter dem Titel: "Sonne, Mond und Sterne".
In der Mehrzahl aber sind die Künstlernamen weniger geläufig, und das entspricht dem Zuschnitt der privaten Sammlungen, sagt Robert Fleck:
"Man hat den Eindruck, dass diese Zuspitzung auf nur 40 Künstlernamen, die man in der Medienöffentlichkeit erlebt, bei den Sammlern nicht so sehr stattfindet, dass die Breite durchaus da ist."
An politischen Visionen herrscht bei den jungen Künstlern durchaus Mangel, eher schon arbeitet man sich ironisch an den Ikonen von einst ab. Das plakative Konterfei Che Guevaras erscheint bei Hubert Becker einmal anders, ist konturiert durch schwarze Wäschestücke, auch Damendessous sind dabei. Kurator Schumacher:
"Man darf ja nicht verkennen, dass die Möglichkeiten der Kunst, politisch einzugreifen, über die feinen Ströme des Nachdenkens, der Veränderung der Wahrnehmung, der Korrektur von Voreingenommenheiten stattfinden. Das erscheint lächerlich angesichts der Machtspiele der Politik und der militärischen Auseinandersetzungen. Aber es ist sicherlich die große Hoffnung, die Kunst auslösen kann."
Eingehegt sind die politischen Arbeiten in einer eigenen kleinen Abteilung: "Politische Halluzinationen" ist sie überschrieben. Hier und da kräftige Akzente: ein Heidegger mit Hitlerbart und eine Kreuzung aus Mao und Marilyn Monroe. Und der Name Castro fast wie der Schriftzug eines Mineralölkonzerns. Diese Kommentare und auch Witzeleien aber können die letztgültige Antwort nach der möglichen politischen Substanz von Kunst nicht sein, drücken eher schon eine gewisse Verlegenheit aus: niemand unter den noch relativ Jungen weiß so recht, wo es langgehen könnte.
Im ganzen ist mit "Neugierig?" – das zeichnet sich bei der Stippvisite zumindest ab – eine muntere Gemengelage entstanden, die sich a la longue zu einer Frischzellenkur für diese repräsentative Ausstellungshalle entwickeln könnte, die sonst, weniger beweglich, mit aufwendigen Retrospektiven aufwartet und renommierte Museumssammlungen zu sich einlädt. Im Herbst 2011 soll die neue Reihe mit dem Schwerpunkt Malerei fortgesetzt werden, mit einbezogen werden dann auch außereuropäische Sammlungen.
Service:
Die Ausstellung "Neugierig? - Kunst des 21. Jahrhunderts aus privaten Sammlungen" ist vom 29. Januar 2010 bis 02. Mai 2010 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu sehen.
"Private Sammler haben in den letzten 10 bis 15 Jahren die mit Abstand wichtigsten Werke erworben. Es ist eine ganz breite Szene entstanden, und die Bundesrepublik insgesamt hat eine der stärksten Sammlerszenen der Welt, ist neben den USA führend. Unsere Idee ist, diese Situation noch einmal zu zeigen und den Dialog mit den Museen zu fördern. Denn wenn die Sammlungen dort Eingang finden in den nächsten Jahren, werden die Museen sehr stark dastehen in diesem Land. Beide Seiten brauchen einander. Das unter anderem möchten wir durch diese Ausstellung fördern."
Ein Loblied auf die privaten Sammler wird hier angestimmt, die für manchen Künstler ein wirklicher Rückhalt sind, während die Ankaufsetats der öffentlichen Sammlungen zum Offenbarungseid tendieren.
25 Sammler und Sammlerpaare wurden anfangs von der Bonner Institution angesprochen, 15 tragen nun zu dieser Schau bei: Die Bandbreite reicht von Harald Falckenberg bis zur Olbricht Collection, von Paul Maenz bis zur Kollektion von Gaby und Wilhelm Schürmann.
Und man hat sogar beim Kontakt auf feste, kuratorische Vorgaben verzichtet:
"In diesem Fall ist es eine Ausstellung, bei der wir den Sammlern zunächst die Frage gestellt haben: 'Wen finden Sie so wichtig, dass Sie ihn heute unbedingt der Öffentlichkeit vorstellen möchten?' Und daraus hat sich ein Gespräch ergeben. Die meisten Sammler haben ihre gesamten Bestände offengelegt, was hochinteressant zu sehen war. Und aus diesen Beständen und den Gesprächen heraus ist mit jedem Sammler eine individuelle Auswahl von zwei, drei Künstlern entstanden."
Fast 150 Werke von rund 60 Künstlerinnen und Künstlern sind so zusammengekommen. Hier hängen Blätter von Ceal Floyer mit magisch leuchtenden Kreisflächen aus Filzstiftfarben, dort fällt von Kris Martin eine ratternde schwarze Tafel auf, wie man sie aus Bahnhöfen kennt. Nur dass diese Tafel keine Fahrplanangaben mehr macht: Sie bleibt leer - kein Ziel, nirgends, die Apokalypse der Zivilisation.
Gern greift man in der Bonner Auswahl auf die Kunstgeschichte zurück: Mathieu Mercier schafft Bilder, die mit ihren farbigen Rechtecken bei flüchtigem Blick aussehen wie von Mondrian, aber die Dekonstruktion ist mit eingebaut: der Bildträger ist beschädigt, Farben verwischen, manche schwarze Linie ist schief.
Eine Bilanz der jüngsten Kunst möchte man mithilfe der Sammler ziehen, das 21. Jahrhundert ins Visier nehmen. Kurator Rainald Schumacher über die Trends:
"Der eine ist eine extreme Zurücknahme des offensichtlich Erzählerischen, manchmal ist die Formensprache reduziert nur auf das Material, eine sehr strenge Formalisierung. Der andere Trend ist die ablesbare Gegenständlichkeit, mit der zum Beispiel Jake und Dinos Chapman arbeiten - bis zu einer jungenhaften Freude am Schock, am Spiel mit dem Entsetzen."
Die Brüder Chapman zeigen zerstörte Körper, als wären Kriegsgreuel-Szenen de Goyas dreidimensional geworden. Auch das Modell eines McDonalds-Restaurants wird von den beiden Querköpfen ausgestellt – ganz ohne schaurige Figuren, diese Fast-Food-Schwemme erschien ihnen wohl schrecklich genug.
Immer mal tauchen bekannte Namen im Spektrum auf: serielle Arbeiten von Hanne Darboven, oder eine Rauminstallation des Duos Fischli und Weiss mit vielen Tischen, auf denen verführerische Werbeseiten aus den Publikationen eines Schweizer Medienkonzerns ausgebreitet sind, unter dem Titel: "Sonne, Mond und Sterne".
In der Mehrzahl aber sind die Künstlernamen weniger geläufig, und das entspricht dem Zuschnitt der privaten Sammlungen, sagt Robert Fleck:
"Man hat den Eindruck, dass diese Zuspitzung auf nur 40 Künstlernamen, die man in der Medienöffentlichkeit erlebt, bei den Sammlern nicht so sehr stattfindet, dass die Breite durchaus da ist."
An politischen Visionen herrscht bei den jungen Künstlern durchaus Mangel, eher schon arbeitet man sich ironisch an den Ikonen von einst ab. Das plakative Konterfei Che Guevaras erscheint bei Hubert Becker einmal anders, ist konturiert durch schwarze Wäschestücke, auch Damendessous sind dabei. Kurator Schumacher:
"Man darf ja nicht verkennen, dass die Möglichkeiten der Kunst, politisch einzugreifen, über die feinen Ströme des Nachdenkens, der Veränderung der Wahrnehmung, der Korrektur von Voreingenommenheiten stattfinden. Das erscheint lächerlich angesichts der Machtspiele der Politik und der militärischen Auseinandersetzungen. Aber es ist sicherlich die große Hoffnung, die Kunst auslösen kann."
Eingehegt sind die politischen Arbeiten in einer eigenen kleinen Abteilung: "Politische Halluzinationen" ist sie überschrieben. Hier und da kräftige Akzente: ein Heidegger mit Hitlerbart und eine Kreuzung aus Mao und Marilyn Monroe. Und der Name Castro fast wie der Schriftzug eines Mineralölkonzerns. Diese Kommentare und auch Witzeleien aber können die letztgültige Antwort nach der möglichen politischen Substanz von Kunst nicht sein, drücken eher schon eine gewisse Verlegenheit aus: niemand unter den noch relativ Jungen weiß so recht, wo es langgehen könnte.
Im ganzen ist mit "Neugierig?" – das zeichnet sich bei der Stippvisite zumindest ab – eine muntere Gemengelage entstanden, die sich a la longue zu einer Frischzellenkur für diese repräsentative Ausstellungshalle entwickeln könnte, die sonst, weniger beweglich, mit aufwendigen Retrospektiven aufwartet und renommierte Museumssammlungen zu sich einlädt. Im Herbst 2011 soll die neue Reihe mit dem Schwerpunkt Malerei fortgesetzt werden, mit einbezogen werden dann auch außereuropäische Sammlungen.
Service:
Die Ausstellung "Neugierig? - Kunst des 21. Jahrhunderts aus privaten Sammlungen" ist vom 29. Januar 2010 bis 02. Mai 2010 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu sehen.