Prinz mit Visionen

Von Gerd Brendel |
Als seine Hoheit auf der Titelseite der Indian Times erschien, war der Skandal perfekt: Ein Prinz und zukünftiger Maharadscha bekennt sich öffentlich zu seiner Homosexualität. Aber spätestens als Prinz Manvendra als zweiter Inder überhaupt von Oprah Winfrey in ihre Talkshow eingeladen wurde, wendete sich die Stimmung. Und Manvendra nutzte seine Prominenz zum Aufbau seiner Stiftung zur Prävention von HIV.
Seine zehn Minuten Weltruhm verbrachte Prinz Manvendra Gohil, zukünftiger Maharadja von Rajpipla auf dem Sofa der Talkshow-Königin Oprah Winfrey. Als zweiter Inder in der langen Geschichte der Sendung wurde er eingeladen, um seine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte so exotisch wie das Kamasutra und so skandalträchtig wie eine Schlagzeile in der Regenbogenpresse:

Am Anfang seiner Laufbahn als exotische Berühmtheit stand ein Zeitungsinterview mit einer Lokalzeitung aus seiner Heimatprovinz Gujarat. Prinz Manvendra hatte eine gescheiterte Ehe hinter sich, einen Nervenzusammenbruch und sechs Wochen in der Psychiatrie an deren Ende eine schmerzhafte Einsicht stand:

"Seit ich ein Junge war, fühle ich mich zu Männern hingezogen."

Mit Ende 30 begann Manvendra ein neues Leben: Aus dem Prinzen wurde ein schwuler Aktivist, der seinen guten Aristokratenamen in den Dienst einer Stiftung für HIV-Prävention stellte.

Seit Manvendra sein Schweigen brach, kann es ihm passieren, dass die Leute die Köpfe zusammenstecken, wenn er vorbeigeht. Auch im Zug von Bombay nach Gujarat folgen dem Prinzen lange Blicke. Vielleicht liegt es aber auch an seinem Auftreten: Manvendra trägt nie Jeans oder Anzug, sondern immer "pyjama kurta": weite Hosen, und Hemden mit Stehkragen und traditionellen Stickereien. Mit seiner knabenhaften Figur und dem schmalen Schnurrbart könnte der 43-Jjährige auch für sein Land in Reisekatalogen werben, aber er hat sich dem Kampf gegen Aids verschrieben – mit Erfolg.

"Vor acht Jahren organisierten wir das erste Schwulentreffen im Bundesstaat Gujarat mit Regierungsbeteiligung. Es fand in meinem Palast in Rajpipla statt.""

Eine paradoxe Situation, denn:

"Homosexualität steht in Indien noch immer unter Strafe. Das Gesetz wird zwar nicht angewendet, aber die Polizei nutzt es aus, um Schwule zu erpressen und zu drangsalieren. Aber auf der anderen Seite wusste die Regierung von Gujarat nicht, was sie gegen die steigende Rate von HIV-Opfern tun sollte, also wandte sie sich an meine Stiftung."

Vom Bahnhof in Baroda zum Lakshya Trust führt der Weg quer durch das Zentrum in eine Vorortstraße. Ein Kleine-Leute-Viertel. Ein unauffälliges Schild vor einem unverputzen Bürobau weist den Weg, Hier im zweiten Stock arbeiten Psychologen, Ärzte und Sozialarbeiter für Prinz Manvendras Stiftung . Aber die wichtigste Arbeit leisten "street worker" wie Vishal Soni.

"Wir gehen in die öffentliche Parks, auf den Bahnhof, überall dahin wo Schwule, oder MSM, verheiratete Männer, die mit Männern Sex haben, Partner suchen. Wir reden mit den Leute über schwule Rechte, Safer Sex, sexuell übertragbare Krankheiten und versuchen über die Gefahren von HIV aufzuklären."

Gefahren, die auch die Ehepartner der Männer betreffen, denn viele Schwule sind verheiratet, gerade in der Unterschicht.

In Manvendras Heimatstadt Rajpipla ist der Prinz inzwischen akzeptiert. Das war nicht immer so. Im großen Salon seiner Palastvilla in Rajpipla erzählt der Prinz von den wütenden Reaktionen auf sein öffentliches Coming Out.

"Es gab eine Demonstration und ein paar Jugendliche verbrannten eine Puppe von mir. Aber ein halbes Jahr später klopften die gleichen Leute bei mir an und baten mich um Verzeihung."

Was war passiert? Antiquitäten-Diebe hatten über Nacht versucht, die Büste seines Urgroßvaters zu stehlen und sie dabei schwer beschädigt. Noch heute wird der Vorfahre des Prinzen wie ein Schutzpatron von den Einwohnern verehrt, und sein Denkmal genießt den Rang einer Götterstatue. Die Stadt war im Aufruhr, aber die Polizei weigerte sich, nach den Tätern zu fahnden. Da wandten sich die Bürger hilfesuchend an den Urenkel ihres Stadtheiligen.

"Ich organisierte sofort eine Pressekonferenz. Zeitungen und Fernsehstationen berichteten über den Vorfall und mit einem Mal engagierte sich auch die Polizei. Mit unserer Hilfe wurde die Statue restauriert und der Frieden war wiederhergestellt."

Vor kurzem war Prinz Manvendra wieder in den Nachrichten: Mit einem neuen Projekt: Ein paar Kilometer außerhalb von Rajpipla am Ufer des Narmada Flusses plant er ein Altersheim für Schwule und HIV-Kranke.

"Oprah Winfrey - die Talkmasterin - hat zu mir gesagt: Jeder von uns hat in seinem Leben eine bestimmte Aufgabe. Und ich weiß, dass ich meine Aufgabe gefunden habe. In meinem letzten Leben muss ich ziemlich viel Gutes getan haben, denn in diesem Leben war Gott bis jetzt sehr freundlich zu mir."