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De:Bug macht dicht

Ein Nachruf von Moritz Metz · 03.04.2014
Die De:Bug - das "Magazin für elektronische Lebensaspekte" - verstand sich als Begleitheft zur Digitalisierung und Zentralorgan der hippgewordenen Nerds. Neun Jahre nach der Gründung stellt es die Printausgabe ein - auch aufgrund der Konkurrenz aus dem Netz.
Es ist ruhig geworden und leer in den Redaktionsräumen des De:Bug-Magazins in Berlin Prenzlauer Berg. Leise klappern Tastaturen, im Flur stapelt sich die neueste und letzte Ausgabe. Chefredakteur Sascha Kösch verlässt das sinkende Schiff als einer der letzten. Sein Magazin hat Insolvenz angemeldet.
"Im Großen und Ganzen tatsächlich wegen sinkender Anzeigeneinahmen."
Die knapp 30.000 Printausgaben waren zu wenig. Um den Rückgang von Großkunden-Anzeigen mit Magazinverkäufen abzufangen, hätte man die doppelte Auflage verkaufen müssen. Aber Sascha Kösch bleibt zuversichtlich.
"Ich bin noch nicht ganz bereit, das gedruckte Print-Ding aufzugeben und ich glaube schon, dass es funktionieren kann - man muss vielleicht noch spezieller werden oder irgendeine Zielgruppe finden, die es vorher noch gar nicht gab und das in irgendeiner Weise cross-finanzieren, wahrscheinlich."
Neues Blatt, neue Zielgruppe
Schon als die De:Bug 1997 erstmals an den Kiosk kam, visierte sie eine neue Zielgruppe an.
"Als wir uns gegründet haben, da war die Welt tatsächlich eine ganz andere, muss man leider zugeben. Man könnte so sagen, dass so diese verschiedensten Bereiche von digitalem Arbeiten in weitestem Sinne überhaupt nichts miteinander zu tun hatten. Die lebten alle vor sich hin. Es gab natürlich irgendwie die Leute, die Design gemacht haben am Rechner, es gab die Leute, die Musik gemacht haben am Rechner, die ersten, es gab die Leute, die ans Internet geglaubt haben und Texte produziert haben fürs Netz und all dieses Geschichten. Die waren aber nicht untereinander vernetzt. Was uns fehlte, war eigentlich dieser gemeinsame Prozess, wo man sagte: Wir arbeiten eigentlich alle am gleichen Ding, lass uns das irgendwie zusammenbringen."
De:Bug, das bedeutet im Programmierer-Slang "einen Fehler finden und ihn reparieren". Der Fehler in der deutschen Popkultur-Zeitschriftenlandschaft der Spät90er war, dass es immer nur um Rockmusik ging - die "elektronischen Lebensaspekte", dafür gab es jenseits der öden PC-Zeitschriften nur Leere. Niemand, der sich reflektiv und homorvoll, zukunfsbejahend und kritisch mit dem umhand nehmenden digitalen Alltag beschäftigte. Der verschwurbelte Musiktexte kombinierte mit politischen Netz-Artikeln. Mode mit Webdesign. Oder neue Gadgets mit der drogengeschwängerten Clubkultur der 00er-Jahre.
All das tat die De:Bug 16 Jahre und 181 Ausgaben lang, als Begleitheft zur Digitalisierung und Zentralorgan der hippgewordenen Nerds. Erst im ironisch-altmodischen Zeitungs, später im Hochkant-Magazinformat. Unvergessen bleibt die Web 2.0-Sonderausgabe vom Mai 2005 - in der die De:Bug das Internet erklärte, wie es neun Jahre später wurde, von Blogs über die Cloud bis hin zu Social Media. Ein Netz, in dem keine Print-Redaktion mehr vonnöten ist, um kluge Texte zu veröffentlichen. In dem Werbekunden keine Doppelseiten, sondern Facebook-Banner schalten. Ein Netz, dank welchem Artikel nicht monatlich im Briefkasten landen, sondern sekündlich in der Twitter-Timeline.
"Auf jeden Fall. Aber es ist auch nicht so als könnt man sagen, das Netz hat die De:Bug gefressen. Dadurch dass die De:Bug ständig das Netz befürwortet hat und so haben wollte, wie es jetzt eigentlich ist - nur dass man dann nicht existieren kann. Das ist so ein bisschen ein Trugschluss."
"Kulturpessimismus ist immer das Allerletzte"
Auch wenn sich die De:Bug mit breit gedachten Dossiers von der Kurzlebigkeit der Netztexte abhob; von den traditionell lausigen Honoraren konnte kein Autor stetig leben. Nicht mal eine Textmaschine wie Sascha Kösch, der in den 16 Jahren so viele Musikrezensionen verfasste wie kein zweiter.
"Etwas über 35, … 35.000 oder so vielleicht, irgendwas in die Richtung?"
Zumindest mit den "Platten-Reviews" soll es im Netz weitergehen - wenn erstmal die Papierarbeit erledigt ist. Noch stapelt sich ja die letzte, 181. Papierausgabe im Redaktionsflur. Darin plädieren befreundete Autoren wie Rainald Goetz, Sascha Lobo, Dietmar Dath, Diedrich Diedrichsen oder Starfotograf Wolfgang Tilmans "für ein besseres Morgen". Und im Editoral freut sich die Redaktion "wie Bolle weil die De-Bug viel länger funktioniert habe, als je geplant". Optimismus war immer der wichtigste elektronische Lebensaspekt!
"Wir sind so gebaut, befürchte ich. Nichts haben wir mehr gehasst in dieser Zeitung über all die Jahre als Kulturpessimismus. Kulturpessimismus ist immer das Allerletzte. Das ist immer so der erste Weg in die freiwillige Verbänderung oder so. Und anders als optimistisch kann man gar nicht nach vorne schauen! Ansonsten kriegt man entweder Depressionen und geht in die Anstalt - oder macht irgendwas, was so stumpfsinnig ist, das man eigentlich auch nichts mehr zu sagen hat."