Primor rechnet mit Vertiefung der deutsch-israelischen Beziehungen
Nach Ansicht von Avi Primor werden sich die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland weiter vertiefen, wenn Zipi Livni neue israelische Ministerpräsidentin werden sollte. Livni glaube daran, dass Deutschland nach den USA "unser größter Partner" ist, sagte der Präsident der israelisch-deutschen Gesellschaft.
Marcus Pindur: Eine knappe Entscheidung. Nur einen Prozentpunkt lag Zipi Livni vor Schaul Mofaz bei der Wahl eines Parteivorsitzenden der Kadima-Partei in Israel. Damit hat Zipi Livni aber gleichwohl ihren Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben, auch wenn sie, wie sie in einem Interview bekannte, große Ehrfurcht vor diesem Amt habe. Mit Recht, denn es liegt viel Verantwortung in den Händen eines israelischen Premierministers, für die Sicherheit des Landes allemal, für eine Fortsetzung des Friedensprozesses, der diesen Namen auch verdient, und natürlich auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. – Wir wollen jetzt mit dem Präsidenten der israelisch-deutschen Gesellschaft reden - das ist das Gegenstück zur hiesigen deutsch-israelischen Gesellschaft -, mit Avi Primor. Guten Morgen, Herr Primor!
Avi Primor: Guten Morgen, Herr Pindur.
Pindur: Die Umfragen stehen für die Kadima-Partei nicht gut. Wird Zipi Livni denn mehr als eine Ministerpräsidentin auf Abruf sein?
Primor: Die Meinungsumfragen sind für die Kadima-Partei nicht günstig, aber nur unter Führung des heutigen Ministerpräsidenten Olmert oder hätte Mofaz, der Herausforderer von Zipi Livni, die internen Wahlen gewonnen. Zipi Livni selber steht sehr hoch in der allgemeinen Bevölkerung, hat die besten Chancen, die Wahlen zu gewinnen, und deshalb wurde sie auch innerhalb der Partei als Vorsitzende der Partei gewählt. Sie persönlich ist beliebt, die Partei nicht unbedingt, aber es sind ja Parteiwahlen.
Pindur: Dann stellt sich die Frage, warum das so ein knappes Rennen war, denn Schaul Mofaz ist ja nur einen Prozentpunkt hinter Zipi Livni gelandet.
Primor: Sie müssen verstehen: Es gab nicht mehr als 20.000 Wähler. Das war es insgesamt. Das sind Mitglieder der Partei. Mitglied einer Partei kann jeder sein, wenn er einen Monat vor den internen Wahlen der Partei ein paar Pfennige bezahlt und dort hingeht. Mofaz hat Freunde organisiert und besonders der Gewerkschaften, die ihm unterstellt sind, sich in die Partei einzuschreiben und dann wählen sie Mofaz. Später dann in den allgemeinen Parlamentswahlen wählen sie, wen sie wollen, nicht unbedingt die Kadima-Partei überhaupt. Das hat eine kleine Bedeutung und das war auch der Grund, weshalb die Meinungsumfragen so falsch waren, weil die Meinungsumfragen in diesen Kreisen sich gar nicht auskennen.
Pindur: Das heißt also, das liegt begründet im israelischen System der Vorwahlen?
Primor: Genau so und es ist zur Tradition geworden. Viele Leute beschweren sich darüber. Das hat allerdings – und das ist die Hauptsache – für die allgemeinen Wahlen, für die Parlamentswahlen keine Bedeutung.
Pindur: Was hat es denn für eine politische Bedeutung für die Fähigkeit von Zipi Livni, mit einem starken Mandat der Kadima-Partei eine Koalitionsregierung zu verhandeln?
Primor: Das ist die große Frage, ob sie jetzt eine Koalition bilden kann. Wenn sie eine Koalition bilden will, dann muss sie zunächst einmal die Einheit der Partei hinter sich kriegen, und mit Mofaz hat sie da Probleme. Zweitens hat sie große Probleme, sowohl mit der Arbeitspartei, die sie fürchtet, weil die Arbeitspartei weiß, dass unter Zipi Livni sie an Einfluss viel verlieren wird. Und drittens sind es die Ultraorthodoxen, die Schaspartei, die jetzt einen großen Ehrgeiz bekommen haben und sehr forderlich sind. Ich weiß also nicht, wie das aussehen wird. Sie hat eine Chance, weil die Abgeordneten des Parlaments keine vorgezogenen Wahlen haben wollen. Die meisten meinen, dass sie keine Chance haben, wiedergewählt zu werden. Insofern könnte Zipi Livni doch eine Mehrheit im Parlament erzielen und eine Koalition bilden und dann kann sie noch zwei Jahre lang, volle zwei Jahre, über zwei Jahre bis Dezember 2010 an der Macht bleiben. Das ist jetzt ein Spiel, ein internes Spiel. Das wird sich in den kommenden Tagen klären.
Pindur: Wenn das so wäre und Zipi Livni hätte diese zwei Jahre Zeit, welche Auswirkungen wird denn dann ihre Amtsübernahme auf einen Friedensprozess haben?
Primor: Sie stammt ursprünglich genau wie ihr Vorgänger Olmert aus dem rechtsextremistischen Lager, hat sich aber allmählich verwandelt, ist heute eine Realistin, eine Pragmatikerin, hat ja auch viel mit den Palästinensern verhandelt. Ich glaube, dass sie daran glaubt, dass man mit den Palästinensern einen Frieden schließen muss, dass man die besetzten Gebiete und die Siedlungen räumen muss und dass man auch mit Syrien Frieden schließen muss. Allerdings glaubt sie das genau wie ihr Vorgänger Olmert. Die Frage ist, ob sie die Unterstützung der Bevölkerung bekommen kann. Das ist ihr Hauptproblem und die Bevölkerung wird so einen Friedensvertrag unterstützen, wenn sie davon ausgeht, dass sie dafür Sicherheit bekommt, und dazu braucht man die Hilfe der internationalen Gemeinschaft.
Pindur: Wie schaut das denn aus? Diese Unterstützung für einen Friedensprozess zu organisieren, ist ja sehr schwierig. Müsste vielleicht Zipi Livni nicht da auch auf die Arbeitspartei wieder zurückgreifen?
Primor: Das wird sie auf jeden Fall tun. Ohne die Arbeitspartei hat sie auch keine Koalition und ohne die Arbeitspartei und das linke Lager überhaupt, auch links von der Arbeitspartei, wird sie keine Mehrheit im Parlament für einen Friedensprozess haben. Da muss sie sich sehr bemühen. Ich sehe aber nicht, dass die Arbeitspartei sich dem widersetzen kann. Sonst verliert sie die eigenen Wähler.
Pindur: Vielen Dank für diese Einschätzung. Zum Schluss noch die Frage: Wird ein Wechsel an der Spitze im Amt des Premierministers in Israel Auswirkungen auf das deutsch-israelische Verhältnis haben?
Primor: Das glaube ich nicht. Sehen Sie, sowohl Ehud Olmert, der Vorgänger und scheidende Ministerpräsident, als auch Zipi Livni, die wie gesagt aus dem rechten Lager kommen, waren ursprünglich sehr antideutsch, haben sich auch in diesem Sinne verwandelt. Beide glauben heute an die Freundschaft mit Deutschland, verstehen, dass Deutschland unser größter Freund in der Welt nach den Vereinigten Staaten geworden ist, unser größter Partner, und werden alles mögliche tun, um die Beziehungen zu Deutschland wie auch zur Europäischen Union zu vertiefen.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!
Primor: Gerne.
Pindur: Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland und Präsident der israelisch-deutschen Gesellschaft.
Das gesamte Gespräch mit Avi Primor können Sie bis zum 19. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Avi Primor: Guten Morgen, Herr Pindur.
Pindur: Die Umfragen stehen für die Kadima-Partei nicht gut. Wird Zipi Livni denn mehr als eine Ministerpräsidentin auf Abruf sein?
Primor: Die Meinungsumfragen sind für die Kadima-Partei nicht günstig, aber nur unter Führung des heutigen Ministerpräsidenten Olmert oder hätte Mofaz, der Herausforderer von Zipi Livni, die internen Wahlen gewonnen. Zipi Livni selber steht sehr hoch in der allgemeinen Bevölkerung, hat die besten Chancen, die Wahlen zu gewinnen, und deshalb wurde sie auch innerhalb der Partei als Vorsitzende der Partei gewählt. Sie persönlich ist beliebt, die Partei nicht unbedingt, aber es sind ja Parteiwahlen.
Pindur: Dann stellt sich die Frage, warum das so ein knappes Rennen war, denn Schaul Mofaz ist ja nur einen Prozentpunkt hinter Zipi Livni gelandet.
Primor: Sie müssen verstehen: Es gab nicht mehr als 20.000 Wähler. Das war es insgesamt. Das sind Mitglieder der Partei. Mitglied einer Partei kann jeder sein, wenn er einen Monat vor den internen Wahlen der Partei ein paar Pfennige bezahlt und dort hingeht. Mofaz hat Freunde organisiert und besonders der Gewerkschaften, die ihm unterstellt sind, sich in die Partei einzuschreiben und dann wählen sie Mofaz. Später dann in den allgemeinen Parlamentswahlen wählen sie, wen sie wollen, nicht unbedingt die Kadima-Partei überhaupt. Das hat eine kleine Bedeutung und das war auch der Grund, weshalb die Meinungsumfragen so falsch waren, weil die Meinungsumfragen in diesen Kreisen sich gar nicht auskennen.
Pindur: Das heißt also, das liegt begründet im israelischen System der Vorwahlen?
Primor: Genau so und es ist zur Tradition geworden. Viele Leute beschweren sich darüber. Das hat allerdings – und das ist die Hauptsache – für die allgemeinen Wahlen, für die Parlamentswahlen keine Bedeutung.
Pindur: Was hat es denn für eine politische Bedeutung für die Fähigkeit von Zipi Livni, mit einem starken Mandat der Kadima-Partei eine Koalitionsregierung zu verhandeln?
Primor: Das ist die große Frage, ob sie jetzt eine Koalition bilden kann. Wenn sie eine Koalition bilden will, dann muss sie zunächst einmal die Einheit der Partei hinter sich kriegen, und mit Mofaz hat sie da Probleme. Zweitens hat sie große Probleme, sowohl mit der Arbeitspartei, die sie fürchtet, weil die Arbeitspartei weiß, dass unter Zipi Livni sie an Einfluss viel verlieren wird. Und drittens sind es die Ultraorthodoxen, die Schaspartei, die jetzt einen großen Ehrgeiz bekommen haben und sehr forderlich sind. Ich weiß also nicht, wie das aussehen wird. Sie hat eine Chance, weil die Abgeordneten des Parlaments keine vorgezogenen Wahlen haben wollen. Die meisten meinen, dass sie keine Chance haben, wiedergewählt zu werden. Insofern könnte Zipi Livni doch eine Mehrheit im Parlament erzielen und eine Koalition bilden und dann kann sie noch zwei Jahre lang, volle zwei Jahre, über zwei Jahre bis Dezember 2010 an der Macht bleiben. Das ist jetzt ein Spiel, ein internes Spiel. Das wird sich in den kommenden Tagen klären.
Pindur: Wenn das so wäre und Zipi Livni hätte diese zwei Jahre Zeit, welche Auswirkungen wird denn dann ihre Amtsübernahme auf einen Friedensprozess haben?
Primor: Sie stammt ursprünglich genau wie ihr Vorgänger Olmert aus dem rechtsextremistischen Lager, hat sich aber allmählich verwandelt, ist heute eine Realistin, eine Pragmatikerin, hat ja auch viel mit den Palästinensern verhandelt. Ich glaube, dass sie daran glaubt, dass man mit den Palästinensern einen Frieden schließen muss, dass man die besetzten Gebiete und die Siedlungen räumen muss und dass man auch mit Syrien Frieden schließen muss. Allerdings glaubt sie das genau wie ihr Vorgänger Olmert. Die Frage ist, ob sie die Unterstützung der Bevölkerung bekommen kann. Das ist ihr Hauptproblem und die Bevölkerung wird so einen Friedensvertrag unterstützen, wenn sie davon ausgeht, dass sie dafür Sicherheit bekommt, und dazu braucht man die Hilfe der internationalen Gemeinschaft.
Pindur: Wie schaut das denn aus? Diese Unterstützung für einen Friedensprozess zu organisieren, ist ja sehr schwierig. Müsste vielleicht Zipi Livni nicht da auch auf die Arbeitspartei wieder zurückgreifen?
Primor: Das wird sie auf jeden Fall tun. Ohne die Arbeitspartei hat sie auch keine Koalition und ohne die Arbeitspartei und das linke Lager überhaupt, auch links von der Arbeitspartei, wird sie keine Mehrheit im Parlament für einen Friedensprozess haben. Da muss sie sich sehr bemühen. Ich sehe aber nicht, dass die Arbeitspartei sich dem widersetzen kann. Sonst verliert sie die eigenen Wähler.
Pindur: Vielen Dank für diese Einschätzung. Zum Schluss noch die Frage: Wird ein Wechsel an der Spitze im Amt des Premierministers in Israel Auswirkungen auf das deutsch-israelische Verhältnis haben?
Primor: Das glaube ich nicht. Sehen Sie, sowohl Ehud Olmert, der Vorgänger und scheidende Ministerpräsident, als auch Zipi Livni, die wie gesagt aus dem rechten Lager kommen, waren ursprünglich sehr antideutsch, haben sich auch in diesem Sinne verwandelt. Beide glauben heute an die Freundschaft mit Deutschland, verstehen, dass Deutschland unser größter Freund in der Welt nach den Vereinigten Staaten geworden ist, unser größter Partner, und werden alles mögliche tun, um die Beziehungen zu Deutschland wie auch zur Europäischen Union zu vertiefen.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!
Primor: Gerne.
Pindur: Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland und Präsident der israelisch-deutschen Gesellschaft.
Das gesamte Gespräch mit Avi Primor können Sie bis zum 19. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio