Priestertreue statt Priesterreue
Am 19. Juni beginnt in Rom das sogenannte Priesterjahr. Der Vatikan hat dieses Priesterjahr ausgerufen, um den Auftrag des priesterlichen Dienstes zu reflektieren und den weltweit rund 400.000 Priestern Mut für den Alltag zu machen. Mit dem Projekt verbunden ist auch die Hoffnung, wieder mehr junge Männer für den Priesterberuf zu gewinnen. Denn der Priestermangel ist in den Gemeinden immer deutlicher zu spüren.
"Es fängt damit an, dass ich als Grundschüler den Traumberuf Priester hatte, wie andere Polizist werden wollen oder Feuerwehrmann, war das mein Traumberuf. Und ich habe mich immer für vieles interessiert, was mit Kirche und Glauben zu tun hatte, war auch Messdiener und bin später Gruppenleiter geworden."
Michael Bohne studiert mittlerweile im siebten Semester Katholische Theologie. Er will sich seinen Traum erfüllen und Priester werden. Der 23-Jährige ist einer von bundesweit rund 800 Männern, die sich momentan in der Priesterausbildung befinden.
"Grundsätzlich ist man erst einmal ein Exot mit diesem Berufswunsch, allerdings war es nicht so, dass ich der Außenseiter war."
Sein Münsteraner Bischof Felix Genn ist natürlich froh über fast jeden, der Priester werden will. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der neu geweihten Priester in Deutschland zum ersten Mal unter 100 gerutscht – bei über 600 Pfarrern, die in den Ruhestand traten. Felix Genn ist innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für die geistlichen Berufe und die kirchlichen Dienste. Er sieht in dem vatikanischen "Priesterjahr" auch eine Anerkennung des priesterlichen Engagements.
"Zunächst einmal steckt dahinter das Bemühen, wie können wir in der derzeitigen Situation den Priestern helfen. Die derzeitige Situation wird charakterisiert dadurch, dass es weniger Priester gibt, … sie wird auch dadurch gekennzeichnet, dass Verkündigung in der heutigen Zeit mit vielen Gesprächspartner zu tun hat, sei es andere Religionen, sei es Agnostiker, seien es Menschen, die es gar nicht an Gott glauben … und dadurch machen viele Priester auch den Eindruck, dass sie in mancherlei Hinsicht überfordert sind."
Nicht nur den Eindruck, denn immer mehr Priester leiden an einem Burnout, an den Folgen einer permanenten Arbeitsüberlastung. Immer weniger Priester müssen immer größere Pfarreien betreuen, und die Ansprüche der Gemeindeglieder werden auch nicht geringer. Bischof Felix Genn erhofft sich von dem Priesterjahr eine Art Werbeeffekt, dass sich wieder mehr junge Männer für den Priesterberuf entscheiden. Aber er verweist zugleich darauf, dass das katholische Milieu, die katholische geprägte Großfamilie, aus der früher die meisten Priester stammten, der Vergangenheit angehört.
"Die Eltern sind auch nicht mehr so selbstverständlich gläubig, dass sie sich darüber freuen würden, wenn der Sohn plötzlich kommt, und sagt: Ich möchte Priester werden."
Nur noch zehn Prozent der katholischen Jugendlichen engagiere sich in der Kirche; außerdem liege eine lebenslange Bindung bei jüngeren Leuten nicht gerade im Trend. Da sei es nicht verwunderlich, dass so wenige den radikalen Schritt ins Priesteramt wagten.
"Jetzt steht da einer, der sagt: ‚Mein ganzes Leben’, und er drückt das ‚ganz’ besonders durch den Zölibat aus, er gehört dem Dienst in der Kirche in der Hingabe an die Person Jesu Christi. Das ist etwas, das nicht alltäglich ist. Es ist lebenslänglich, es ist mit einer bestimmten Lebensform verbunden."
Doch diese bestimmte Lebensform, das Pflichtzölibat, zu lockern oder abzuschaffen, um vielleicht die Attraktivität des Priesterberufs zu erhöhen, davon hält Bischof Felix Genn nichts:
"Ich glaube, dass die Auflösung des Zölibats in keiner Weise die Probleme löst, vor die die Kirche pastoral gestellt ist.
Es geht um das Berufsbild des Priesters, und es ist mir eher ein Indiz, dass die Priester selbst in ihrem Berufsbild verunsichert sind in den letzten Jahren, und der Papst versucht, diesen Priestern noch etwas Mut zu machen."
Christian Weissner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche".
"Letztlich wird das nicht weiterhelfen, und vielleicht ist die katholische Kirche noch viel mehr auf Laien und Ehrenamtliche angewiesen als … auf Kleriker."
Christian Weissner fordert einschneidende Reformen wie die Abschaffung des Zölibats oder das Priesteramt für Frauen. Von dem Ausrufen eines vatikanischen Priesterjahres erwartet er wenig:
"Das klingt ja wie ein Hilferuf, dass endlich auch im Vatikan angekommen ist, wie wenig Priester es gibt."
Christian Hennecke ist als sogenannter Regens im Bistum Hildesheim zuständig für die Ausbildung der Priester. Er plädiert zwar nicht für die Abschaffung des Zölibats oder das Priesteramt für Frauen. Allerdings sieht auch er einen erheblichen Reformbedarf bei den Aufgaben der Priester. Es sei offensichtlich, so Hennecke, dass die Kirche sich in einem epochalen Umbruch befinde:
"Mit dieser Kirche und mit dem Volk Gottes, das im Umbruch ist, ist auch der Dienst und die Aufgaben des Priesters in einem Umbruch. … und das in den Blick zu nehmen, das fände ich eine schöne Frucht, wenn das in dem Priesterjahr gelänge."
Seine Diagnose: Der Priester nimmt zu viele Aufgaben wahr. Zum Beispiel übernehme er bei der zunehmenden Überalterung vieler Gemeinden immer mehr Beerdigungen:
"Gehört denn der Beerdigungsdienst wesentlich zum Dienst des Priesters? Da sagt unserer Kirche: Nein. Nicht wesentlich.
Ich denke, die Hauptaufgabe des Priesters ist, dass er einen Leitungsdienst erfüllt, er ist sakramental verfasst."
Der Priester solle sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren: die Feier der Eucharistie und der Sakramente sowie die Leitung der Pfarrei.
"Es ist ja so, dass der Priester die Aufgabe hat, das Volk Gottes zu stärken, dass die Menschen, … die durch die Taufe befähigt sind, wichtige Dienste in der Kirche zu tun, dass er denen hilft, das zu tun. Es ist manchmal eine Umkehrung dessen, was wir haben: weil immer noch ganz häufig es so ist, dass der Priester der Verantwortliche ist und dann Leute hat, die sagen: wir helfen dir, Herr Pfarrer, aber eigentlich ist es umgekehrt."
Christian Hennecke wünscht sich ein Priestertum aller Gläubigen, die sich für ihre Kirche verantwortlich fühlen:
"Es ist also denkbar, dass in einer großen Pfarrei an vielen kleinen Orten Kirche wächst und diese kleinen Orte, basisgemeindliche Strukturen, dass die geleitet werden von Teams von befähigten Personen. Der Priester muss da nicht immer präsent sein, aber was er tun wird, das ist, dass er diese Leiter begleitet. … Da verändert sich eine Kirchengestalt, … und auf diese Kirchengestalt hin braucht es auch Unterstützung für die Priester, aber auch für die Priesterausbildung, dass wir eine solche Perspektive und solche Visionen zueigen machen können."
Michael Bohne studiert mittlerweile im siebten Semester Katholische Theologie. Er will sich seinen Traum erfüllen und Priester werden. Der 23-Jährige ist einer von bundesweit rund 800 Männern, die sich momentan in der Priesterausbildung befinden.
"Grundsätzlich ist man erst einmal ein Exot mit diesem Berufswunsch, allerdings war es nicht so, dass ich der Außenseiter war."
Sein Münsteraner Bischof Felix Genn ist natürlich froh über fast jeden, der Priester werden will. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der neu geweihten Priester in Deutschland zum ersten Mal unter 100 gerutscht – bei über 600 Pfarrern, die in den Ruhestand traten. Felix Genn ist innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für die geistlichen Berufe und die kirchlichen Dienste. Er sieht in dem vatikanischen "Priesterjahr" auch eine Anerkennung des priesterlichen Engagements.
"Zunächst einmal steckt dahinter das Bemühen, wie können wir in der derzeitigen Situation den Priestern helfen. Die derzeitige Situation wird charakterisiert dadurch, dass es weniger Priester gibt, … sie wird auch dadurch gekennzeichnet, dass Verkündigung in der heutigen Zeit mit vielen Gesprächspartner zu tun hat, sei es andere Religionen, sei es Agnostiker, seien es Menschen, die es gar nicht an Gott glauben … und dadurch machen viele Priester auch den Eindruck, dass sie in mancherlei Hinsicht überfordert sind."
Nicht nur den Eindruck, denn immer mehr Priester leiden an einem Burnout, an den Folgen einer permanenten Arbeitsüberlastung. Immer weniger Priester müssen immer größere Pfarreien betreuen, und die Ansprüche der Gemeindeglieder werden auch nicht geringer. Bischof Felix Genn erhofft sich von dem Priesterjahr eine Art Werbeeffekt, dass sich wieder mehr junge Männer für den Priesterberuf entscheiden. Aber er verweist zugleich darauf, dass das katholische Milieu, die katholische geprägte Großfamilie, aus der früher die meisten Priester stammten, der Vergangenheit angehört.
"Die Eltern sind auch nicht mehr so selbstverständlich gläubig, dass sie sich darüber freuen würden, wenn der Sohn plötzlich kommt, und sagt: Ich möchte Priester werden."
Nur noch zehn Prozent der katholischen Jugendlichen engagiere sich in der Kirche; außerdem liege eine lebenslange Bindung bei jüngeren Leuten nicht gerade im Trend. Da sei es nicht verwunderlich, dass so wenige den radikalen Schritt ins Priesteramt wagten.
"Jetzt steht da einer, der sagt: ‚Mein ganzes Leben’, und er drückt das ‚ganz’ besonders durch den Zölibat aus, er gehört dem Dienst in der Kirche in der Hingabe an die Person Jesu Christi. Das ist etwas, das nicht alltäglich ist. Es ist lebenslänglich, es ist mit einer bestimmten Lebensform verbunden."
Doch diese bestimmte Lebensform, das Pflichtzölibat, zu lockern oder abzuschaffen, um vielleicht die Attraktivität des Priesterberufs zu erhöhen, davon hält Bischof Felix Genn nichts:
"Ich glaube, dass die Auflösung des Zölibats in keiner Weise die Probleme löst, vor die die Kirche pastoral gestellt ist.
Es geht um das Berufsbild des Priesters, und es ist mir eher ein Indiz, dass die Priester selbst in ihrem Berufsbild verunsichert sind in den letzten Jahren, und der Papst versucht, diesen Priestern noch etwas Mut zu machen."
Christian Weissner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche".
"Letztlich wird das nicht weiterhelfen, und vielleicht ist die katholische Kirche noch viel mehr auf Laien und Ehrenamtliche angewiesen als … auf Kleriker."
Christian Weissner fordert einschneidende Reformen wie die Abschaffung des Zölibats oder das Priesteramt für Frauen. Von dem Ausrufen eines vatikanischen Priesterjahres erwartet er wenig:
"Das klingt ja wie ein Hilferuf, dass endlich auch im Vatikan angekommen ist, wie wenig Priester es gibt."
Christian Hennecke ist als sogenannter Regens im Bistum Hildesheim zuständig für die Ausbildung der Priester. Er plädiert zwar nicht für die Abschaffung des Zölibats oder das Priesteramt für Frauen. Allerdings sieht auch er einen erheblichen Reformbedarf bei den Aufgaben der Priester. Es sei offensichtlich, so Hennecke, dass die Kirche sich in einem epochalen Umbruch befinde:
"Mit dieser Kirche und mit dem Volk Gottes, das im Umbruch ist, ist auch der Dienst und die Aufgaben des Priesters in einem Umbruch. … und das in den Blick zu nehmen, das fände ich eine schöne Frucht, wenn das in dem Priesterjahr gelänge."
Seine Diagnose: Der Priester nimmt zu viele Aufgaben wahr. Zum Beispiel übernehme er bei der zunehmenden Überalterung vieler Gemeinden immer mehr Beerdigungen:
"Gehört denn der Beerdigungsdienst wesentlich zum Dienst des Priesters? Da sagt unserer Kirche: Nein. Nicht wesentlich.
Ich denke, die Hauptaufgabe des Priesters ist, dass er einen Leitungsdienst erfüllt, er ist sakramental verfasst."
Der Priester solle sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren: die Feier der Eucharistie und der Sakramente sowie die Leitung der Pfarrei.
"Es ist ja so, dass der Priester die Aufgabe hat, das Volk Gottes zu stärken, dass die Menschen, … die durch die Taufe befähigt sind, wichtige Dienste in der Kirche zu tun, dass er denen hilft, das zu tun. Es ist manchmal eine Umkehrung dessen, was wir haben: weil immer noch ganz häufig es so ist, dass der Priester der Verantwortliche ist und dann Leute hat, die sagen: wir helfen dir, Herr Pfarrer, aber eigentlich ist es umgekehrt."
Christian Hennecke wünscht sich ein Priestertum aller Gläubigen, die sich für ihre Kirche verantwortlich fühlen:
"Es ist also denkbar, dass in einer großen Pfarrei an vielen kleinen Orten Kirche wächst und diese kleinen Orte, basisgemeindliche Strukturen, dass die geleitet werden von Teams von befähigten Personen. Der Priester muss da nicht immer präsent sein, aber was er tun wird, das ist, dass er diese Leiter begleitet. … Da verändert sich eine Kirchengestalt, … und auf diese Kirchengestalt hin braucht es auch Unterstützung für die Priester, aber auch für die Priesterausbildung, dass wir eine solche Perspektive und solche Visionen zueigen machen können."