Preußenprinz heiratet Prinzessin vor laufenden Kameras

Monika Wienfort im Gespräch mit Frank Meyer · 26.08.2011
Morgen, Samstagmittag, wird eine deutsche Traumhochzeit über die Bildschirme der Republik flackern. Georg Friedrich Prinz von Preußen und Sophie Prinzessin von Isenburg heiraten in der Potsdamer Friedenskirche und feiern auf Schloss Sanssouci. Eine klassische "Unterhaltungssendung", die auf "Quoten hin" konzipiert wurde, kommentiert die Historikerin Monika Wienfort.
Frank Meyer: Die Braut fährt im Rolls Royce vor, nach der Trauung geht es im sechsspännigen Landauer ins königliche Gästehaus von Sanssouci, dem Lieblingsschloss von Friedrich II. in Potsdam. Und abends wird standesgemäß gefeiert mit 700 Gästen, darunter viele aus dem europäischen Hochadel, in der Orangerie vom Sanssouci.

So wird es zugehen morgen bei der Trauung von Georg Friedrich Prinz von Preußen und Sophie Prinzessin von Isenburg. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird diese Traumhochzeit drei Stunden lang live übertragen, der Rundfunk Berlin-Brandenburg macht das, was einige Landespolitiker ärgert. Das ist Adelskult sagen die, der RBB mache sich zum Schleppenträger der Hohenzollern.

Mit Adelskult und Adelsgeschichte kennt sich die Historikerin Monika Wienfort bestens aus. Sie ist Professorin an der Technischen Universität Berlin und jetzt hier bei uns im Studio. Seien Sie willkommen!

Monika Wienfort: Guten Tag!

Meyer: Wie sehen Sie denn das, Frau Wienfort, diese Hohenzollern-Hochzeit, drei Stunden lang im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – ist das Adelskult?

Wienfort: Ich würde zunächst mal sagen, das ist eine Unterhaltungssendung, die auf Quoten hin geplant wird, die auch zu tun hat mit dem Land Brandenburg und seiner, ja, noch vielleicht zu suchenden Identität. Da finden sich viele Interessen zusammen. Und natürlich, ohne Kate and William geht da gar nichts, das heißt, das ganz ist auch eine Sogwirkung der britischen Hochzeit. Und da passt sich das in Sanssouci ganz fein ein.

Meyer: Wir haben es mit anderen Personal hier zu tun, nicht mit Kate und William, sondern mit Georg Friedrich Prinz von Preußen. Der ist ja noch relativ jung, Mitte 30. Dieser Chef des Hauses Hohenzollern, was ist das denn für einer? Hat der einen Beruf, oder ist der nur in Sachen Hohenzollern unterwegs?

Wienfort: Ja, er hat einen Beruf. Zunächst mal muss man vielleicht sagen: Eine Generation wurde übersprungen in der Erbfolge der Hohenzollern, das heißt, normalerweise würde nicht ein so junger Mensch an der Spitze des Hauses Hohenzollern stehen. Sein Vater ist bei einem Manöverunfall bei der Bundeswehr ums Leben gekommen.

Das heißt, er ist relativ jung für eine solche Aufgabe, um da in die Fußstapfen seines Großvaters Louis Ferdinand zu treten, der eine in der frühen Bundesrepublik doch prominente und einflussreiche Persönlichkeit war, das ist sicher nicht leicht. Soweit ich weiß, hat er, wie alle Bildungsbürger, ein Studium absolviert, ist Betriebswirt und arbeitet in einer Unternehmensberatung, aber ich nehme an, man tut ihm nicht unrecht, wenn man feststellt, dass doch ein Großteil seiner Energie in die Preußensache fließt.

Meyer: Und der Preußenprinz heiratet jetzt eine Prinzessin. Ist das eigentlich Zufall oder ist das ein Zeichen dafür, dass man dann sich doch standesgemäß verheiratet nach wie vor in diesen Kreisen im Hause Hohenzollern?

Wienfort: Wie meistens beim Adel gibt es die Einen und die Anderen: Die Einen halten sich an die Tradition. Und das ist im Fall der Hohenzollern auch ganz besonders wichtig, weil es ein Hausgesetz gibt, das vorschreibt, dass nur derjenige Chef des Hauses sein kann, der standesgemäß heiratet.

Also, es ist in gewisser Hinsicht eine Notwendigkeit, und da die Hohenzollern sich wie jede gute anständige bürgerliche Familie in diversen Erbauseinandersetzungen befinden, ist das sicher eine kluge Entscheidung. Es ist typisch für den hohen Adel und für die Erbsöhne. Für den Adel insgesamt ist es eigentlich nicht mehr typisch. Die Mehrheit aller Eheschließungen erfolgt heute mit Bürgerlichen.

Meyer: Wir haben ja grade das Stichwort Erbe eingeworfen: Wie ist das eigentlich mit dem Hohenzollern-Erbe nach der Abdankung des letzten Kaisers der Hohenzollern, Wilhelm II. haben sie Besitz verloren, nach 1945 noch einmal sehr viele Ländereien verloren. Was gehört dieser Familie eigentlich heute noch?

Wienfort: Ja, man muss schon sagen, dass sie sehr viel mehr verloren haben als andere ehemals herrschende Häuser, die Wittelsbacher zum Beispiel, das Haus Baden, das Haus Württemberg, die sind, weil ihre großen Besitztümer vor allen Dingen eben in der alten Bundesrepublik gelegen haben, durch das 20. Jahrhundert sehr viel wohlhabender hervorgegangen, als das bei den Preußen der Fall ist, die eben unglücklicherweise doch die Mehrheit ihrer großen Landbesitzungen, vor allen Dingen in den östlichen Provinzen Preußens hatten, auch nach 1920, nach dem Ausgleich.

Das heißt mit einem Wort, an Land, an Immobilienbesitz ist da nicht viel übrig geblieben. Die Burg Hohenzollern ist da sicherlich der wichtigste Besitz, über den sie heute noch verfügen, einige Häuser – aber nichts, was auch im Vergleich ein großes Vermögen auszeichnen würde. Was noch in ihrem Besitz ist, sind Kunstschätze. Das ist aber ein anderes Thema.

Meyer: Kein großes Vermögen mehr. Aber wie sieht das mit dem Einfluss aus? Würden Sie sagen, diese Familie von Kaisern, von Königen in Deutschland, hat die heute noch politischen Einfluss?

Wienfort: Politischen Einfluss ganz klar nein. Da, glaube ich, braucht man und kann man nichts anderes urteilen. Für politischen Einfluss heute braucht man im Grunde eine Zuordnung zu einem der großen funktionellen Elitensysteme – entweder zur Wissenschaft, zur Politik – und das alles ist bei einem auch sehr jungen Erben, das muss man ja wieder nochmal hervorheben, ja auch nicht zu erwarten.

Also von politischem Einfluss kann überhaupt keine Rede sein. Wenn, dann ist es ein kultureller, gesellschaftlicher. Wie gesagt, das Haus Preußen verfügt noch über Kunst- und Kulturschätze, die gerade hier in der Region natürlich auch historisch bedeutsam sind.

Meyer: Deutschlandradio Kultur – wir reden mit der Historikerin Monika Wienfort. Morgen gibt es eine große Hochzeit im Haus Hohenzollern. Aus diesem Anlass reden wir über den Adel in Deutschland. Ich bin dabei gestoßen auf eine Studie des Darmstädter Eliteforschers Michael Hartmann, der hat sich mal angeschaut: Wie sind so die Aufstiegschancen in Deutschland unter anderem von Adligen? Sein Ergebnis war: Menschen mit großbürgerlichem Hintergrund machen am schnellsten in Deutschland Karriere, aber die Adligen sind noch mal doppelt so erfolgreich wie die Großbürgerlichen. Was meinen Sie, woran liegt das?

Wienfort: Ich glaube, dass in einer Massengesellschaft, in einer medialen Massengesellschaft Unterscheidungsmerkmale besonders wichtig sind und interessant klingen, und ein Name, der sehr außergewöhnlich klingt. Und in Deutschland können wir ja Adel sehr gut am Namen erkennen. Das ist ja nicht in allen europäischen Ländern so. Von daher glaube ich, diese Art, sich zu unterscheiden, weckt Interesse, weckt Nachfragen, es hat auch durchaus etwas zu tun mit der Sehnsucht, sich mit Tradition, mit altem Reichtum und alter Ehre zu verbinden. Und warum soll man nicht, wenn man zwei gleichqualifizierte Kandidaten oder Kandidatinnen vor sich sitzen hat, warum soll man nicht diejenige oder denjenigen wählen, der den schöneren Namen hat?

Meyer: Man hört auch immer wieder von Adelsnetzwerken. Eine Kollegin hat mir erzählt, es gibt so eine Initiative, Adel mit dem Radel, oder so ähnlich. Gegenseitig fährt man von Gut zu Gut, und die jungen Adligen werden einander vorgestellt, dass man sich kennt, sich später weiterhelfen kann. Funktionieren solche Netzwerke?

Wienfort: Ich denke, die funktionieren mittlerweile wieder ganz gut. Als Historikerin würde ich natürlich auch hervorheben, dass das in den ersten Nachkriegsjahrzehnten, denke ich, nicht so gewesen ist, wenn man überhaupt auf seinen Adel rekuriert hat, was längst nicht alle getan haben. Denken Sie an Hermann Otto Solms, an dessen Namen man nur erkennt, dass es sich um einen hohen Adelsnahmen handelt, wenn man sich ein bisschen auskennt. Wenn man das in Betracht zieht, dann haben erst, vielleicht erst seit der Wende, seit den 90er-Jahren ist es wieder schick, adelig zu sein. Und entsprechend sind natürlich da Familiennetzwerke, die man aktivieren kann, und das hat vielfach sicherlich auch gesellige bis hin zu ehestifterischen Konsequenzen.

Meyer: Wo sie gerade einen adligen Politiker erwähnt haben: Wir hatten ja vor kurzem einen auch mit großer Ausstrahlung, bis zu seinem plötzlichen Sturz, Karl-Theodor zu Guttenberg – an dem hat man ja, glaube ich, sehr gut gesehen, was für eine tiefe Sehnsucht es doch aber auch gibt nach adeligen Führungsfiguren, oder?

Wienfort: Ob das eine tiefe Sehnsucht nach adeligen Führungsfiguren ist, dass …

Meyer: Zumindest hat er große Zustimmung erhalten, die man sich anders kaum erklären kann …

Wienfort: Würde ich bezweifeln – er hat eine Ausstrahlung, die man vielleicht auch vergleichen kann mit Richard von Weizsäcker, der eben als Persönlichkeit integer und unabhängig gewirkt hat, der gewirkt hat, der gewirkt hat, als wisse er, was er wollte und sich entsprechend auch rhetorisch, wie ich finde, häufig ausgezeichnet präsentiert hat, der jünger war als viele andere, der nicht dieses Image einer grauen Bürokratenexistenz hatte, das unseren Politikern so häufig aneignet. Ob das nun nur adelig ist, sei mal dahingestellt. Aber der Name und die Herkunft und das alles hat sicher eine Rolle gespielt.

Meyer: Kehren wir noch mal zurück zur Hochzeit der Hohenzollern. Es ist ja interessant, dass die nun stattfindet am Lieblingsort des berühmtesten Hohenzollernkönigs überhaupt, nämlich da rund um Sanssouci, das Friedrich II. ja erbauen ließ. Sie sehen Sie das, ist das auch so eine symbolische Wiederinbesitznahme dieses Ortes, dass nun genau da geheiratet wird?

Wienfort: Ganz pragmatisch muss man natürlich sagen, vor 1990 wäre das einfach nicht möglich gewesen. Die DDR hätte wohl kaum zugelassen, dass ein Preußenprinz in Sanssouci heiratet. Das ist erst mal pragmatisch nun möglich im wiedervereinigten Deutschland. Potsdam ist immer schon ein Lieblingsort der Hohenzollern gewesen.

Mit Berlin haben sie häufig gefremdelt, die moderne Metropole, an die wir uns erinnern um 1900, die Golden Twenties, das war alles nichts, wo die Hohenzollern besonders anschlussfähig schienen. Und den Rückzug nach Potsdam in die Garnisonsstadt, wo das Machtzentrum der Hohenzollern letztlich, also die Armee, ihren Ort hatte, das scheint plausibel und von daher auch durchaus ganz akzeptabel und als eine weise Entscheidung!

Meyer: Dort heiratet morgen der Chef des Hauses Hohenzollern die Prinzessin Sophie Prinzessin von Isenburg, und darüber haben wir gesprochen mit der Historikerin Monika Wienfort, Professorin an der Technischen Universität Berlin. Herzlichen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.