Preis ohne Preisträger
Zum 20. Mal sollte der Weimarpreis verliehen werden, doch es fand sich kein Preisträger. Also trafen sich die Ausrichter mit Geehrten der vergangenen Jahre, um darüber zu reden, wie es mit dem Preis weitergehen könnte und ob die Stadt wirklich keine Genies mehr findet.
Auch sie war einst Preisträgerin – die Staatskapelle Weimar. Eine, im Laufe der vergangenen 20 Jahre. Um den Mythos Weimar und die Frage: Wo sind die Preisträger der Zukunft ging es heute.
"Ich bin etwas unzufrieden, dass die Stadt kein tragfähiges Konzept hat, das in die Zukunft weist. Damit ist sicherlich auch die Peinlichkeit zu erklären, dass man keinen Preisträger gefunden hat und man ein bisschen den Ball den früheren Preisträgern zugespielt hat."
Michael von Hintzenstern ist auch ein früherer Preisträger. Er hat den Weimarpreis bekommen für seine Verdienste um die neue Musik. Jährlich organisiert er Festivals, Konzerte und ist der Mann für Neue Musik, für Avantgarde in Weimar – seit den 80er-Jahren. Er wurde von einem IM bespitzelt, stand in enger Freundschaft mit dem Komponisten Stockhausen. Das Weimar von heute ist auch sein Weimar, doch er vermisst die Visionen für Kultur in der Stadt:
"Und das ist mir ein bisschen wenig. Deswegen hab` ich an die positiven Kräfte, die positiv- subversiven Kräfte erinnert, die auch das System der DDR ins Wanken gebracht haben, weil ich meine, dass genau aus der Richtung auch heute noch einiges zu erwarten ist. Und meine Hoffnung ist, dass sich auch heute kritische Stimmen finden, die den Weg in Zukunft begleiten können."
Eine der kritischen Stimmen von außen ist Peter Gülke. Musiker, einst Leiter der Staatskapelle, in Weimar geboren und hier lange zu Hause. Heute lebt er in Berlin, gastiert im Ausland und wird oft dort nach dem Mythos Weimar gefragt:
"Ich glaube, das wird in Weimar so bleiben, dass Weimar sich mit einer Diskrepanz mit ihren städtischen Wirklichkeiten, mit ihren ganz, ganz banalen Schwierigkeiten und diesen – jetzt hät` ich es fast mit Sigmund Freud gesagt, mit diesem kulturellen "Über-Ich", diesem ungeheuren Anspruch der an diesem Namen hängt und der natürlich auch eine Riesen-Chance ist, eine Riesen- Verpflichtung."
Oft werde er von jüdischen jungen Musikern im Ausland nach Weimar gefragt – nach dem Erbe und nach dem jetzigen Zeitgeist. Kleinstadt mit Über-Ich, ein Ort mit Verpflichtung, denn nirgendwo liegen die Zeugnisse des Zivilisationsbruches und des Humanismus so eng beieinander. In einer Kleinstadt mit 60.000 Einwohnern.
"Diese Diskrepanz wird immer neu zu Auseinandersetzungen Anlass geben und sich hämisch auf die kleinstädtische Seite schlagen oder als Partisan der großen Kultur und auf den Provinzialismus der Stadt zu schimpfen. Das ist billig. Das geht einfach nicht. Die Wirklichkeit dieser Stadt liegt dazwischen, die muss austariert werden."
Wenig später, Peter Gülke läuft durch das Stadtzentrum und wirft einem jungen Mädchen etwas Geld in den Hut. ... die Kollegin unterstützen, sagt er augenzwinkernd und lauscht der kleinen Geige.
Nur eines ärgere ihn, und damit ist er nicht allein. Im ehrwürdigen Haus der Charlotte von Stein – wird – so sehen es Pläne und Verträge der Stadt vor, bald ein Dalì – Museum entstehen. Auch das ist Weimar:
"Ich find` das schön, wenn auch jemand wie Dali mit einer repräsentativen Ausstellung vertreten ist, dagegen hab ich überhaupt nichts. Es müsste vielleicht nicht unbedingt im Haus der Frau von Stein sein. Weil das immerhin ein Haus ist, was zum Kernbestand der Weimarer Kultur gehört. Da ist es so ein bisschen ein Fremdkörper."
Fremd fühlt sich manch' Dichter und Denker heute in der Stadt. Kritik sei nicht immer erwünscht, sagt Wulf Kirsten, einer der verehrten Autoren dieser Stadt:
"Ich denke immer wieder über die Verspannungen nach, die diese Stadt erleiden muss. Auf der einen Seite diese Überfrachtung mit Geistesvergangenheit und dann ist andererseits Weimar eine ganz normale Mittelstadt kleinbürgerlichen Zuschnitts."
Auch er ist einer der früheren Weimarpreisträger. Heute vor allem galt sein Plädoyer der Qualität. Weimar steht vor einer Zerreissprobe, die es als kommunales Unikat auszuhalten hat. Wobei auch Goethe für ihn, den Dichter von heute, ein Name mit Flügelspannweite ist und Weimar – trotz aller kleinkommunaler Balance-Akte ein Fundort für seine Literatur:
"Ich bin jetzt durch Zufall wieder darauf gestoßen, dass hier an der Jahreswende 1914/15 das Konzil von Weimar stattfand mit 20 intellektuellen Schriftstellern, die tagten im Elephanten, aber das steht sonst nirgendwo, das ist überhaupt nicht bekannt. Und zu Neujahr haben die ein Wettrennen gemacht. Und gewonnen hat Martin Buber."
Ein Redner heute war auch Volkhard Knigge, er ist Gedenkstättenleiter, verantwortlich u.a. für das heutige Erinnern auf dem Ettersberg, dem Ort des ehemaligen KZ Buchenwald:
"Geschichte und gerade auch reiche und ambivalente Geschichte kann eine Last sein, Weimar ist eine Kleinstadt mit großer Geschichte, das muss man deutlich sagen. Aber es gibt auch diese museal konservierende Selbstverliebtheit. Die Reduktion der Möglichkeiten und Potenziale einer solch reichen historischen Stadt auf's Schatzkästlein."
Nicht nur Volkhard Knigge plädiert für aktive Zeitachsen, mehr Lebendigkeit und weniger Musealisierung:
"Dieser welterfindende, human inspirierende Laboratoriums-Charakter, der mit Weimar sich auch immer verbindet, seit der Klassik, der wäre stark zu machen und eben nicht der Preziosen-Schrein, mit dem man sowieso nichts gewinnen kann."
Weimar – die Kleinstadt an dem Flüsschen Ilm! Ein arabischer Gast formulierte kürzlich: Ilm heißt Fluss und Fluss heißt Weisheit.
"Ich bin etwas unzufrieden, dass die Stadt kein tragfähiges Konzept hat, das in die Zukunft weist. Damit ist sicherlich auch die Peinlichkeit zu erklären, dass man keinen Preisträger gefunden hat und man ein bisschen den Ball den früheren Preisträgern zugespielt hat."
Michael von Hintzenstern ist auch ein früherer Preisträger. Er hat den Weimarpreis bekommen für seine Verdienste um die neue Musik. Jährlich organisiert er Festivals, Konzerte und ist der Mann für Neue Musik, für Avantgarde in Weimar – seit den 80er-Jahren. Er wurde von einem IM bespitzelt, stand in enger Freundschaft mit dem Komponisten Stockhausen. Das Weimar von heute ist auch sein Weimar, doch er vermisst die Visionen für Kultur in der Stadt:
"Und das ist mir ein bisschen wenig. Deswegen hab` ich an die positiven Kräfte, die positiv- subversiven Kräfte erinnert, die auch das System der DDR ins Wanken gebracht haben, weil ich meine, dass genau aus der Richtung auch heute noch einiges zu erwarten ist. Und meine Hoffnung ist, dass sich auch heute kritische Stimmen finden, die den Weg in Zukunft begleiten können."
Eine der kritischen Stimmen von außen ist Peter Gülke. Musiker, einst Leiter der Staatskapelle, in Weimar geboren und hier lange zu Hause. Heute lebt er in Berlin, gastiert im Ausland und wird oft dort nach dem Mythos Weimar gefragt:
"Ich glaube, das wird in Weimar so bleiben, dass Weimar sich mit einer Diskrepanz mit ihren städtischen Wirklichkeiten, mit ihren ganz, ganz banalen Schwierigkeiten und diesen – jetzt hät` ich es fast mit Sigmund Freud gesagt, mit diesem kulturellen "Über-Ich", diesem ungeheuren Anspruch der an diesem Namen hängt und der natürlich auch eine Riesen-Chance ist, eine Riesen- Verpflichtung."
Oft werde er von jüdischen jungen Musikern im Ausland nach Weimar gefragt – nach dem Erbe und nach dem jetzigen Zeitgeist. Kleinstadt mit Über-Ich, ein Ort mit Verpflichtung, denn nirgendwo liegen die Zeugnisse des Zivilisationsbruches und des Humanismus so eng beieinander. In einer Kleinstadt mit 60.000 Einwohnern.
"Diese Diskrepanz wird immer neu zu Auseinandersetzungen Anlass geben und sich hämisch auf die kleinstädtische Seite schlagen oder als Partisan der großen Kultur und auf den Provinzialismus der Stadt zu schimpfen. Das ist billig. Das geht einfach nicht. Die Wirklichkeit dieser Stadt liegt dazwischen, die muss austariert werden."
Wenig später, Peter Gülke läuft durch das Stadtzentrum und wirft einem jungen Mädchen etwas Geld in den Hut. ... die Kollegin unterstützen, sagt er augenzwinkernd und lauscht der kleinen Geige.
Nur eines ärgere ihn, und damit ist er nicht allein. Im ehrwürdigen Haus der Charlotte von Stein – wird – so sehen es Pläne und Verträge der Stadt vor, bald ein Dalì – Museum entstehen. Auch das ist Weimar:
"Ich find` das schön, wenn auch jemand wie Dali mit einer repräsentativen Ausstellung vertreten ist, dagegen hab ich überhaupt nichts. Es müsste vielleicht nicht unbedingt im Haus der Frau von Stein sein. Weil das immerhin ein Haus ist, was zum Kernbestand der Weimarer Kultur gehört. Da ist es so ein bisschen ein Fremdkörper."
Fremd fühlt sich manch' Dichter und Denker heute in der Stadt. Kritik sei nicht immer erwünscht, sagt Wulf Kirsten, einer der verehrten Autoren dieser Stadt:
"Ich denke immer wieder über die Verspannungen nach, die diese Stadt erleiden muss. Auf der einen Seite diese Überfrachtung mit Geistesvergangenheit und dann ist andererseits Weimar eine ganz normale Mittelstadt kleinbürgerlichen Zuschnitts."
Auch er ist einer der früheren Weimarpreisträger. Heute vor allem galt sein Plädoyer der Qualität. Weimar steht vor einer Zerreissprobe, die es als kommunales Unikat auszuhalten hat. Wobei auch Goethe für ihn, den Dichter von heute, ein Name mit Flügelspannweite ist und Weimar – trotz aller kleinkommunaler Balance-Akte ein Fundort für seine Literatur:
"Ich bin jetzt durch Zufall wieder darauf gestoßen, dass hier an der Jahreswende 1914/15 das Konzil von Weimar stattfand mit 20 intellektuellen Schriftstellern, die tagten im Elephanten, aber das steht sonst nirgendwo, das ist überhaupt nicht bekannt. Und zu Neujahr haben die ein Wettrennen gemacht. Und gewonnen hat Martin Buber."
Ein Redner heute war auch Volkhard Knigge, er ist Gedenkstättenleiter, verantwortlich u.a. für das heutige Erinnern auf dem Ettersberg, dem Ort des ehemaligen KZ Buchenwald:
"Geschichte und gerade auch reiche und ambivalente Geschichte kann eine Last sein, Weimar ist eine Kleinstadt mit großer Geschichte, das muss man deutlich sagen. Aber es gibt auch diese museal konservierende Selbstverliebtheit. Die Reduktion der Möglichkeiten und Potenziale einer solch reichen historischen Stadt auf's Schatzkästlein."
Nicht nur Volkhard Knigge plädiert für aktive Zeitachsen, mehr Lebendigkeit und weniger Musealisierung:
"Dieser welterfindende, human inspirierende Laboratoriums-Charakter, der mit Weimar sich auch immer verbindet, seit der Klassik, der wäre stark zu machen und eben nicht der Preziosen-Schrein, mit dem man sowieso nichts gewinnen kann."
Weimar – die Kleinstadt an dem Flüsschen Ilm! Ein arabischer Gast formulierte kürzlich: Ilm heißt Fluss und Fluss heißt Weisheit.